Der Offizier Thomas H. arbeitete für den Beschaffungsdienst der Bundeswehr und wurde wegen mutmaßlicher Spionage für Russland festgenommen. Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom ordnet den Fall ein.

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Mehrfach soll sich Thomas H. an diplomatische Vertretungen Russlands gewandt haben. Seine Absicht: geheime Dokumente der Bundeswehr an einen russischen Geheimdienst weiterleiten. Doch die Pläne des Offiziers beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr wurden durchkreuzt. Am Mittwoch wurde Thomas H. in Koblenz festgenommen.

Den an der Festnahme beteiligten Behörden – dem Bundeskriminalamt, dem Militärischen Abschirmdienst sowie dem Verfassungsschutz – ist damit offenbar ein Coup gelungen. Thomas H. soll laut Generalbundesanwaltschaft, die für den Fall zuständig ist, nur bei einer Gelegenheit tatsächlich Informationen an russische Stellen durchgestochen haben. Derzeit befindet sich der Bundeswehroffizier in Untersuchungshaft. Sollte er schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Welche Informationen hatte Thomas H.?

Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom lobt im Gespräch mit unserer Redaktion das schnelle Eingreifen der deutschen Behörden. Thomas H. sei permanent beobachtet worden. "Die mühevolle Observationsarbeit der deutschen Geheimdienste hat sich ausgezahlt", sagt Schmidt-Eenboom, Vorsitzender des Forschungsinstituts für Friedenspolitik in Weilheim und Autor zahlreicher Bücher über Nachrichtendienste.

Wie wertvoll die Informationen waren, die Thomas H. noch weiterleiten konnte, sei bisher unklar, sagt Schmidt-Eenboom. "Der schlimmste Fall wäre, dass er Zugriff auf alle Beschaffungsmaßnahmen der Bundeswehr hatte." Darunter seien auch Rüstungsaufträge, etwa an den deutschen Panzer-Hersteller Rheinmetall, von denen die Ukraine direkt profitiere. Im äußersten Fall hätte Thomas H. also auch Details über deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine an Russland verraten können.

Genau an solchen Informationen sei Russland derzeit besonders interessiert, sagt der Experte: "Die Bundeswehr liegt verstärkt im Fokus der russischen Geheimdienste." Das habe auch damit zu tun, dass Deutschland nicht nur Waffen liefert, sondern auch ukrainische Soldaten ausbildet. Schmidt-Eenboom: "Nach Beginn des Krieges hat Russland seine Spionage-Tätigkeiten in Deutschland noch einmal intensiviert." Mehrmals sei es Russland bereits gelungen, Personen aus dem geheimdienstlichen Umfeld oder der Bundeswehr anzuwerben.

Russland führt einen Informationskrieg

Auch der Vorsitzende des Geheimdienstkontrollausschusses im Bundestag, Konstantin von Notz (Grüne), sagte gegenüber dem "Tagesspiegel", dass Deutschland "im Fokus anderer Nachrichtendienste, insbesondere aus autokratischen Ländern wie Russland oder China", stehe. Der Kontrollausschuss-Vizevorsitzende Roderich Kiesewetter (CDU) ergänzte: "Wir müssen endlich begreifen, dass Russland einen hybriden Krieg, einen Informationskrieg, gegen uns führt und dadurch Menschen in Deutschland wie in diesem Fall zur freiwilligen Kooperation bewegen will."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht in den Aktivitäten russischer Nachrichtendienste offenbar ebenfalls eine Gefahr. "Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch die Sicherheitslage in Deutschland verändert", sagte Faser am Donnerstag der Funke Mediengruppe. "Wir haben Kräfte gebündelt und Schutzmaßnahmen hochgefahren, um uns gegen die aktuellen Bedrohungen zu wappnen", so die Politikerin, deren Ministerium das Bundesamt für Verfassungsschutz unterstellt ist.

Die Innenministerin betonte, dass die Bundesregierung harte Maßnahmen ergriffen habe, um die russische Spionage einzudämmen. "Das gilt insbesondere für die Ausweisung von russischen Diplomaten, die den russischen Nachrichtendiensten zuzurechnen waren", sagte Faeser mit Blick auf die im April 2022 erfolgte Ausweisung von 40 Personen, die von der russischen Botschaft in Berlin aus spioniert haben sollen.

Russische Geheimdienste als "Magnetpunk"

Geheimdienstexperte Schmidt-Eenboom beobachtet, dass Russland seitdem stärker auf die Anwerbung deutscher Staatsbürger angewiesen ist. Gerade in der Bundeswehr sehe er ein nicht unerhebliches Rekrutierungspotenzial: "Es gibt innerhalb der Streitkräfte ein großes Problem mit rechtsextremer Ideologie."

Auch Thomas H. soll laut Informationen des Tagesspiegels Sympathien für die AfD und deren russlandfreundliche Politik gehegt haben. Daneben spiele noch ein weiteres Motiv häufig eine Rolle für die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten: "Selbstanbieter wie Thomas H. haben vor allem finanzielle Interessen."

Für Schmidt-Eenboom ergibt sich ein bestimmtes Profil für Personen, auf die insbesondere russische Geheimdienste wie ein "Magnetpunkt" wirkten: Eine rechte Ideologie sowie ein ausgeprägter Geltungsdrang. In dieses Schema falle auch ein ehemaliger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), der im Dezember 2022 als russischer Spion enttarnt wurde. "Carsten L. hat ungemein große Menge an Geheimdienstinformationen an die Russen geliefert", führt Schmidt-Eenboom aus. "Das war eine große Panne beim BND, der immer schon anfällig für Maulwürfe gewesen ist."

Die Beweggründe von Carsten L. waren offenbar ebenfalls Geldgier sowie eine rechte Gesinnung: Er soll eine Nähe zur AfD gehabt haben. "Der Fall ist jedoch nur bedingt vergleichbar mit dem von Thomas H.", sagt Schmidt-Eenboom. Dieses Mal seien die deutschen Behörden nämlich wahrscheinlich noch sehr glimpflich davongekommen. Doch eines ist wohl sicher: Russland wird auch weiterhin versuchen, Spione in Deutschland anzuwerben.

Zur Person: Erich Schmidt-Eenboom ist Vorsitzender des Forschungsinstituts für Friedenspolitik in Weilheim und Autor zahlreicher Bücher über Nachrichtendienste.

Verwendete Quellen:

  • Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft
  • Tagesspiegel.de: "Mutmaßlicher Russland-Spion: Was über Thomas H. bekannt ist – und was nicht"
  • Morgenpost.de: "Faeser zu Spionage-Verdacht: 'Sicherheitslage verändert'"
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