• Boris Johnson empfängt vor dem G7-Gipfel US-Präsident Biden.
  • Der gilt nicht gerade als Fan Johnsons. Zu unterschiedlich sind die politischen Ausrichtungen und Führungsstile - auch inhaltlich liegen sie auseinander.
  • Vor allem will Johnson Großbritannien wieder zum globalen Vorreiter machen.

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Für den bekennenden Churchill-Fan Boris Johnson muss es ein ganz besonderer Moment sein: Endlich tritt der britische Premierminister in die historischen Fußstapfen seines Idols. Eine neue Atlantik-Charta wollen Johnson und US-Präsident Joe Biden vereinbaren - aufgesetzt auf dem Original, das ihre Vorgänger Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt 1941 während des Zweiten Weltkriegs beschlossen.

"Vor 80 Jahren standen der US-Präsident und der britische Premierminister Seite an Seite für das Versprechen einer besseren Zukunft. Heute tun wir dasselbe", kündigt der Churchill-Biograf Johnson an. Viel mehr globale Bedeutung geht kaum.

Es sind große Pläne, die die britische Seite in der Nacht zum Donnerstag verkündet: "Die neue Atlantik-Charta wird acht Bereiche skizzieren, in denen der Premierminister und Präsident Biden beschließen, zum Wohle der Menschheit zusammenzuarbeiten."

Da geht es um dauerhafte Werte und die Verteidigung der Demokratie, kollektive Sicherheit sowie faire globale Handelssysteme - aber natürlich auch um den Wiederaufbau nach der Corona-Krise. Die Pandemie wird im Mittelpunkt des G7-Gipfels stehen, an dem die beiden Staatenlenker von Freitag an teilnehmen.

Doch vorher nehmen sich Johnson und Biden Zeit zu zweit. Das Treffen vor dem Gipfel kommt nicht von ungefähr. Seit Jahrzehnten verbindet die beiden UN-Veto- und Atommächte eine enge Partnerschaft. Von einem "Special Relationship", einer besonderen Beziehung, ist stets die Rede. Auch hier war es Churchill, Sohn einer Amerikanerin, der unter dem Eindruck des gemeinsamen Sieges im Zweiten Weltkrieg diesen Begriff prägte. Doch wenn man ehrlich ist: So "special" ist diese Beziehung schon seit längerem nicht mehr - und das liegt auch am Churchill-Verehrer Johnson.

Denn gerade Biden (78) wirkt nicht eben wie ein Fan des 56-Jährigen. "Alles andere als natürliche Seelenverwandte" seien die beiden, schreibt die "Washington Post". Sie kommen aus verschiedenen politischen Richtungen, entstammen verschiedenen Generationen, pflegen unterschiedliche Führungsstile. Anders als Biden tritt Johnson populistisch und unvorhersehbar auf. Auch inhaltlich liegen sie in einigen Punkten auseinander.

Biden: Johnsons gutes Verhältnis zu Trump kein Pluspunkt

So hat Biden, der irische Wurzeln hat, Johnsons Brexit-Kurs samt der heiklen Nordirland-Frage gerüffelt. Und an einem Freihandelsabkommen, auf das Johnson nach dem Brexit hofft, zeigt Biden derzeit wenig Interesse. Biden-Vorgänger Donald Trump - der sich einst als "Mr. Brexit" bezeichnete - hatte den Briten nach dem Austritt aus der EU ein "phänomenales Freihandelsabkommen" in Aussicht gestellt. Bidens Außenminister Antony Blinken sagte der britischen BBC vor wenigen Tagen, die neue US-Regierung werde die bisherigen Diskussionen zu dem Thema begutachten, "und das wird einige Zeit dauern".

Auch Johnsons gutes Verhältnis zu Trump ist aus Bidens Sicht kein Pluspunkt. Johnson ließ immer wieder Sympathien für Bidens unkonventionellen Vorgänger erkennen, der seinerseits den Premier als "britischen Trump" bezeichnete. Unvergessen ist Trumps Besuch in Großbritannien vor knapp drei Jahren, als er die damalige Regierungschefin Theresa May in einem Interview brüskierte - und über ihren Kontrahenten Johnson sagte: "Ich denke, er wäre ein großartiger Premierminister." Biden wiederum bezeichnete Johnson einmal als "eine Art physischen und emotionalen Klon" Trumps.

Dennoch: Das Weiße Haus betont anlässlich der Reise, dass auch Biden und Johnson miteinander können. Seit Bidens Amtsübernahme hätten sie die Gelegenheit gehabt, "ein paar Telefonate zu führen", sagt Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan. Und diese Telefongespräche waren herzlich. Sie waren konstruktiv."

Johnson will Großbritannien zum globalen Vorreiter machen

Johnson jedenfalls scheint es nun um eigene Duftmarken zu gehen, er will Großbritannien nach dem Brexit wieder zum globalen Vorreiter machen. Das bekommen auch die USA zu spüren. Der Premierminister wolle den Ausdruck "Special Relationship" - zu dem sich Biden nach seiner Ankunft in Großbritannien am Mittwochabend in einer Rede vor US-Truppen erneut bekannte - künftig lieber nicht mehr verwenden, sagte sein Sprecher vor wenigen Tagen. Angeblich, so berichtete das US-Magazin "The Atlantic", ist Johnson der Meinung, der Ausdruck lasse sein Land "schwach und bedürftig" erscheinen.

"Engstmögliche Partner und beste Verbündete" nennt Johnson die Beziehung mit den USA nun selbst. Dass es ihm nach dem Brexit aber mehr denn je um Augenhöhe mit den USA geht, zeigt die Szenerie, die der Premier für das Treffen mit Biden auffahren lässt. Es war vor Neufundland, auf dem britischen Kriegsschiff "Prince of Wales", dass Churchill und Roosevelt 1941 die Atlantik-Charta beschlossen.

80 Jahre später kreuzt ein Schiff mit gleichem Namen in der Nähe: Ein riesiger Flugzeugträger, der nun nach dem britischen Thronfolger benannt ist. Es ist das größte Kriegsschiff, das je in Großbritannien gebaut wurde, wie die britische Regierung stolz betont. Auf dem Deck stehen aber mehrheitlich US-Kampfjets. (dpa/dh)

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