Am Sonntag beginnt der G7-Gipfel auf Schloss Elmau. Bereits ab Mittwoch finden mehrere Demonstrationen von G7-Gegnern sowohl in München als auch in Garmisch-Partenkirchen statt. Aber wogegen wird überhaupt demonstriert? Das erklärt der Münchner Sprecher der Globalisierungsgegner von Attac, Hagen Pfaff, im Interview mit unserem Portal.

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Herr Pfaff, viele Bürger fürchten - gerade nach den gewaltsamen Protesten in Frankfurt bei der Eröffnung der neuen EZB-Zentrale - auch rund um Elmau beim G7-Gipfel schwere Krawalle. Die Polizei rechnet auch mit – zumindest mehreren Hundert – gewaltbereiten Demonstranten. Wie können Sie garantieren, dass es nicht zu solchen Szenen kommt?

Hagen Pfaff: Also erstmal: Für mich ist es immer schwer nachzuvollziehen, woher die Polizei solche Informationen haben will. Ich kann dazu nur sagen: Wir wünschen uns friedliche Proteste, von unserer Seite wird keine Eskalation ausgehen. Wir werden alles Mögliche tun, um alle Demonstranten in diesem Sinne einzufangen. Wir haben aber natürlich auch nicht die Kontrolle über jeden einzelnen, der da anreist. Dennoch: Attac setzt auf ausschließlich friedliche und legale Aktionen.

Warum ruft Attac zu Demonstrationen gegen den G7-Gipfel auf?

Es gibt im Wesentlichen zwei Gründe: Einerseits finden wir die Veranstaltung an sich völlig deplatziert. Die G7 sind die reichsten und mächtigsten Industrienationen auf der Welt und die treffen sich abgeschottet in Elmau, um über das Schicksal der westlichen Welt zu diskutieren und ihre Machtinteressen zu sichern. Aber wer hat sie eigentlich legitimiert – und wo sind dabei die anderen 250 Staaten der Welt? Für uns hat das einen kolonialistischen Touch. Wir sehen nicht, warum eine Veranstaltung, die solche global wichtigen Themen verhandelt, quasi im privaten Rahmen stattfindet. Dafür gibt es doch eigentlich die Vereinten Nationen, wo alle Nationen mitsprechen können.

Was ist der zweite Grund?

Die Politik, die die G7-Staaten vertreten. Es wird immer verkündet, dass eine bessere Welt geschaffen werden soll, dass gegen den Hunger in der Welt vorgegangen werden soll, die Klimaerwärmung und so weiter. Aber die Politik, die real gemacht wird, steht aus unserer Sicht im totalen Gegensatz dazu. Was am Ende rauskommt sind irgendwelche wolkigen Abschlusserklärungen. Ich erinnere mich zum Beispiel an Heiligendamm 2007, wo es am Ende dann nur noch hieß: 'Wir haben die besten Absichten, die Klimaerwärmung zu verhindern.' Konkrete Maßnahmen wurden aber nicht beschlossen.

Ähnlich hat sich jemand geäußert, der ganz und gar nicht als Globalisierungskritiker bekannt ist: Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Er nannte das G7-Treffen den "hochrangigsten Deklarationsgipfel der Welt".

So kann man es natürlich auch sagen - und dann auch noch druckreif. Die G7-Gipfel sind mittlerweile zu einem Ritual geworden. Dabei gibt es längst viel wichtigere Gipfel für die Welt – beispielsweise den G20-Gipfel. Und warum dennoch nun Unsummen ausgegeben werden, erschließt sich uns nicht. Am Ende stehen ja dann doch nur schön klingende Abschlusserklärungen. In Wirklichkeit geht es dann doch um was ganz anderes: sich informell zu treffen, und unter Ausschluss der Öffentlichkeit sozusagen, auf dem kurzen Dienstweg Dinge zu besprechen.

Die hohen Kosten – gerade auch für die Sicherheit der Gipfelgäste – entstehen ja aber auch, weil Demonstrationen angekündigt sind und die Sorge besteht, dass die nicht friedlich ablaufen.

Das ist aus unserer Sicht eine Verkehrung der Logik. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die G7-Gipfel ganz normal in großen Städten stattgefunden haben. Das war auch weitaus unaufwendiger – und es mussten auch keine ganzen Gebirgstäler umgebaut werden, wie jetzt rund um Elmau. Mittlerweile haben die G7 schlicht ein Legitimitätsproblem – und das führt erst zu den Demonstrationen. Und Protest ist immer legitim!

Zeitgleich zum G7-Gipfel veranstalten mehrere Gruppen – darunter Attac – ab Mittwoch einen Alternativgipfel. Worum geht es da?

Es geht um ähnliche Themen wie beim G7-Gipfel, also um die großen globalen Probleme. Also beispielsweise um das Armutsproblem, die Klimaerwärmung, die Flüchtlingspolitik. Allerdings mit einem ganz anderen Ansatz: Wir diskutieren dort über Alternativen zur Politik der G7. Da sprechen aber eben nicht Staatschefs, sondern Experten, Wissenschaftler, Bürger und teilweise Betroffene.

Aktuell gibt es eine Partei, die ebenfalls eine Alternative zur aktuellen Politik fordert: Die Alternative für Deutschland (AfD). Die AfD hatte zuletzt bei mehreren Wahlen Erfolg. Glauben Sie, dass der offensichtlich zum Teil in der Bevölkerung vorhandene Wunsch nach einer anderen Art von Politik derzeit parlamentarisch unterrepräsentiert ist?

Es gibt sicherlich Unbehagen in der Bevölkerung über das Parteiensystem. Es geht genau um die immer wieder aufgestellte Behauptung, dass die momentane etabliert Politik alternativlos ist – und auch für immer so bleiben muss. Das ist schlicht falsch, denn es gibt immer Alternativen. Aus diesem Ansatz heraus entstehen ganz unterschiedliche Protestbewegungen, die sich thematisch teilweise ähneln. Globalisierungskritik hat nicht nur – wie bei Attac – eher linksorientierte Anhänger, sondern auch rechte. Es ist dann unsere Aufgabe, uns davon abzugrenzen– und das tun wir ja auch.

Sie wollen aber keine parlamentarische Verantwortung übernehmen?

Das ist auch eine ganz bewusste Entscheidung. Wir wollen in keine Parlamente, wir streben nicht nach Macht. Wir wollen die Gesellschaft vielmehr aufklären. Wir sehen uns als Bildungsbewegung und machen auch kein klassisches Lobbying, wie es beispielsweise andere NGOs tun.

Das klingt alles sehr idealistisch. Was bleibt am Ende davon hängen?

Wir machen nunmal keine Tagespolitik - und natürlich verfolgen wir auch einen utopistischen Ansatz. Aber wir haben trotzdem Erfolg. Wir haben es erreicht, dass immer häufiger darüber nachgedacht und diskutiert wird, wie die Globalisierung ausgestaltet werden muss, um den Menschen zu nutzen. Das sickert vielleicht nur langsam in die Realpolitik durch, aber einige Parteien greifen das schon auf. Auch an den G7-Protesten beteiligen sich ja mit den Linken und den Grünen zwei Parteien.

Sprechen wir einmal über Inhalte. Beim G7-Gipfel dürfte sowohl die Flüchtlingspolitik Europas als auch der Klimaschutz eine große Rolle spielen. Welche Positionen vertreten Sie hierbei?

Beim Thema Flüchtlingspolitik geht es aus unserer Sicht um die Bekämpfung der Ursachen. Europa ist – zumindest mittelbar – für die Flüchtlingsströme mitverantwortlich. Beispielsweise exportiert die EU billige Hühnchenteile nach Afrika. Mit den Preisen können die heimischen Bauern nicht konkurrieren und verarmen. Ähnliches gilt für den Export von hier abgelegten Textilien, die dort dann zur Arbeitslosigkeit von Schneidern führen. Oder denken Sie an die zahlreichen Bürgerkriege, die durch westliche Waffenexporte erst ermöglicht werden. Statt diese Ursachen zu bekämpfen, will die EU jetzt Schlepper-Schiffe versenken. Wie das das Flüchtlingsproblem lösen soll, ist uns nicht ersichtlich.

Angela Merkel wird wohl in Vorgriff auf den Weltklimagipfel Ende des Jahres in Paris das Thema Klimaschutz ganz oben auf die Agenda des G7-Gipfels setzen. US-Präsident Barack Obama hat zuletzt immer wieder betont, dass die Klimaerwärmung eine große Gefahr darstellt. Eigentlich gute Voraussetzungen für einen Durchbruch bei dem Thema, oder?

Ich hoffe da natürlich das Beste. Angela Merkel hat ja auch die Klimawende in Deutschland durchgesetzt, das muss man ihr zugestehen. Doch weltweit tut sich bei Weitem zu wenig, es gibt keine Selbstbeschränkung der größten Wirtschaftsnationen. Die G7-Staaten – lässt man mal China oder Indien außen vor – sind die größten Klimasünder. Betroffen werden am Ende aber andere Staaten sein – und die müssten mit an den Tisch. Ich bleibe skeptisch, ob am Ende des G7-Gipfels beim Thema Klima mehr als schön klingende, aber nicht bindende Absichtserklärungen stehen. So ähnlich war es ja leider auch beim G8-Gipfel in Heiligendamm.

Attac ruft sowohl zu Demonstrationen in München am Donnerstag als auch in Garmisch-Partenkirchen am Samstag auf. Wie viele Personen erwarten Sie?

In München werden gut 10.000 Personen erwartet. In Garmisch ist es schwer vorherzusagen, weil vieles noch gar nicht klar ist. Wir wissen noch nicht, welche Zufahrtsstraßen gesperrt werden oder ob die Bahn nach Garmisch fährt. Zudem ist auch nicht klar, wo die Demonstranten untergebracht werden können. Wir haben ja eigentlich privat ein Grundstück für ein Protestcamp angemietet, das nun aus völlig obskuren Gründen verboten wurde.

Offiziell wurde zunächst argumentiert, dass auf dem Grundstück Hochwassergefahr bestünde. Zugleich werden aber auch immer wieder Sicherheitsbedenken laut – also, dass gewaltbereite Demonstranten in einem solchen Protestcamp einen Unterschlupf finden könnten.

Für uns ist das reine Schikane. Die bayerische Polizei verfolgt da eine reine Blockade-Haltung und sagt: 'Je weniger Protest, desto besser'. Ich finde das auch unverantwortlich den Menschen gegenüber, die anreisen, um ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen – und die dann offenbar selbst schauen sollen, wo sie bleiben. Zudem würde so ein Camp aus unserer Sicht die Möglichkeit bieten, die Protestaktionen in eine geregelte und legale Bahn zu lenken. Wenn so ein Camp allerdings verboten ist, wird es für uns natürlich wesentlich schwieriger den Protest strukturiert über die Bühne gehen zu lassen. (Die Organisatoren der Demonstrationen hatten gegen das Camp-Verbot geklagt und haben vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Recht bekommen. Damit wird es ein Protestcamp geben. Anm. d. Red.)

Herr Pfaff, danke für das Gespräch.

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