Spät wird publik: Bayern und Baden-Württemberg nehmen Flüchtlingen bei deren Ankunft Bargeld ab und berufen sich dabei auf Bundesrecht. Es sind keine Einzelfälle in der EU. Wer ebenso oder noch drastischer handelt. Und wo es diesbezüglich nicht mal gesetzliche Regelungen gibt – ein Vergleich.

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Diese Nachricht dürfte das Klischee der vermeintlichen Sozialschmarotzer entkräften: Flüchtlinge müssen ihr mitgeführtes Bargeld bei Ankunft in Bayern und Baden-Württemberg zu großen Teilen abgeben.

"Asylbewerber werden bei der Ankunft in den Aufnahmeeinrichtungen auf Dokumente, Wertsachen und Geld durchsucht", schilderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann im Gespräch mit der "Bild".

"Barvermögen und Wertsachen können sichergestellt werden, wenn es mehr als 750 Euro sind und wenn ein Erstattungsanspruch gegen die Person besteht oder erwartet wird."

Wie die "Bild" weiter berichtet, kann auch die Polizei in Baden-Württemberg Vermögen oberhalb von 350 Euro einbehalten.

Pro Betroffenen sei dies durchschnittlich ein vierstelliger Betrag. Der Hintergrund: Gemäß Bundesrecht müssen Flüchtlinge zuerst ihr eigenes Vermögen inklusive Wertgegenständen wie zum Beispiel Schmuck aufbrauchen, ehe sie Aussicht auf staatliche Hilfestellung haben.

Deutschland steht damit in der Europäischen Union (EU) nicht alleine da. Wo Flüchtlinge ihr Geld behalten dürfen und wo nicht.

Mit welchen Regeln das begründet wird und wo es hierzu nicht mal Gesetze gibt – ein Vergleich.

Bulgarien

Als Slowenien, Serbien und Kroatien die Balkanroute dicht machten, wichen viele Flüchtlinge über Bulgarien aus. Fast 30.000 kamen 2015 illegal, nur die wenigsten bleiben im ärmsten Mitgliedsland.

Dennoch wird ihnen hier Geld abgenommen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wirft der bulgarischen Polizei vor, Flüchtlinge systematisch auszurauben.

Es lägen Berichte über Gewalt gegen Asylsuchende aus Afghanistan, Syrien und dem Irak vor, erklärte HRW Anfang des Jahres.

Eine Sprecherin des bulgarischen Innenministeriums verurteilte die Praxis der Grenzschützer: "Das entspricht nicht unserer Politik, und so etwas dulden wir nicht."

Eine rechtliche Grundlage für den Vermögenseinzug gibt es folglich nicht.

Dänemark

Das Parlament debattiert über einen umstrittenen Gesetzentwurf. Das neue Gesetz – eine zeitnahe Verabschiedung gilt als sicher – erlaubt die Beschlagnahmung von Wertsachen einreisender Flüchtlinge.

Vorgesehen ist, dass das Gepäck von Flüchtlingen durchsucht und Bargeld oder Wertsachen ab einem Wert von 10.000 Kronen (umgerechnet zirka 1.340 Euro) eingezogen werden darf.

Damit solle später die Unterbringung und Verpflegung der Asylsuchenden finanziert werden, heißt es.

International sorgten die Pläne für Empörung und provozierten sogar Vergleiche mit der Nazizeit.

Die Befürworter des Gesetzes meinten selbst, dass es die Kosten der Zuwanderung nicht decken würde.

Ziel sei es, Asylsuchende davon abzuhalten, nach Dänemark zu kommen. Vom Vermögenseinzug ausgeschlossen sind: Eheringe und Gegenstände mit persönlicher Bedeutung.

Österreich

Das Asylgesetz von 2005 schreibt nicht vor, dass und in welchen Fällen Flüchtlingen Geld oder sonstige Vermögenswerte abgenommen werden.

Die Alpenrepublik gilt entgegen anfänglicher Erwartungen als Durchgangsland in der Flüchtlingskrise.

Entsprechend wenig umständlich machen die Behörden den Hilfsbedürftigen die Durchreise, meinen Kritiker.

Dazu gehört offenbar auch, dass sie ihr Geld behalten dürfen. Auch Gesetzesnovellen durch das sogenannte Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 regeln keinen Vermögenseinzug.

Dennoch müssen Asylbewerber auch hier zuerst von ihrem mitgebrachten Vermögen leben.

Der Staat gewährt die sogenannte Grundversorgung, sprich, eine Unterkunft, drei Mahlzeiten am Tag und 40 Euro Taschengeld.

Aber nur, wenn ein Flüchtling mittellos ist. Bis dahin sind die Asylsuchenden in punkto Versorgung selber verantwortlich, können je nach Bundesland 3,50 bis 6,50 Euro Unterstützung pro Tag beantragen.

Frankreich

Das französische Asylrecht galt lange als veraltet, wurde deshalb zum 30. Juli 2015 reformiert.

Bis dahin dauerten Asylverfahren bis zu zwei Jahre. Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Mitgliedern stärkte Frankreich die Rechte der Schutzbedürftigen.

Unberührt davon bleibt jedoch die Geldfrage. Finanzbeihilfen klärt weiterhin das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz von 2005, wonach Einzelpersonen während des Aufnahmeverfahrens 343,50 Euro im Monat erhalten, wenn sie bei der Wohnungssuche auf sich allein gestellt sind.

Können sie in einem staatlichen Aufnahmezentrum untergebracht werden, sind es je nach Familiensituation 91 bis 718 Euro monatlich.

Regelungen, dass ihnen Bargeld abgenommen werden kann, gibt es nicht. Ein Grund: Frankreich bleibt als Transitland vieler Flüchtlinge, die nach England wollen, weitgehend außen vor.

Zwischen Januar und April werden laut dem europäischen Statistikamt Eurostat 22.000 Asylanträge erwartet. Aktuell nimmt der deutsche Nachbar (66,3 Millionen Einwohner) weniger Flüchtlinge auf als Schleswig-Holstein (2,8 Millionen Einwohner).

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