Hunderttausende Menschen mussten in NRW mit Corona-Einschränkungen leben, weil es in einem Schlachtbetrieb einen Ausbruch gab. Bund und Länder haben nun beschlossen, dass in Fällen dieser Art künftig lokale Beschränkungen greifen sollen.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben sich auf zielgenauere, lokale Beschränkungen in Regionen mit einem starkem Corona-Ausbruch verständigt.
Lokale Ausreisesperren könnten dabei "ein geeignetes Mittel" sein, heißt es in einem Papier der Gesundheitsministerkonferenz vom Donnerstag, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die Minister empfehlen den Regierungschefs der Länder, künftig kleinere örtliche Einheiten bei einem Ausbruch einzuschränken. "Die Abriegelung ganzer Bezirke zum Beispiel in Hamburg oder Berlin ist nicht möglich", heißt es in dem Papier.
Es dürfe bei solchen Maßnahmen keinen Automatismus geben: "Entscheidungen müssen vor Ort flexibel von den zuständigen Behörden getroffen werden."
Maßnahmen sollen kleinräumiger und präziser greifen
Kanzleramtschef
Braun stellte im ZDF-"Morgenmagazin" klar, dass es nicht mehr darum gehe, ganze Landkreise einzuschränken. "Schneller, kleinräumiger, präziser, das ist das, was wir heute vereinbaren wollen", sagte der Kanzleramtschef.
Beschränkungen solle es nur noch dort geben, wo sie unbedingt notwendig seien, etwa in Teilen eines Betriebs oder in Teilen einer Gemeinde, in denen das Coronavirus ausgebrochen sei.
Braun sagte im ZDF, dass es nach einem Ausbruch darum gehe, mit Hilfe der Länder und der Bundeswehr so schnell wie möglich die Menschen am Corona-Hotspot zu testen.
Dadurch könnten die lokalen Einschränkungen auf wenige Tage begrenzt werden. "Solche Beschränkungen sollen auch ein Stück ihres Schreckens verlieren." Braun will am Donnerstag mit den Chefs der Staatskanzleien der Länder über das Thema weiter beraten, es könnte auch ein Entschluss fallen.
Die Gesundheitsminister räumten ein, dass die Umsetzung und Kontrolle solcher lokalen und zeitlich eng begrenzten Ausreisesperren problematisch sein könnten. Wichtig sei daher eine Einbindung des Bundesinnenministeriums sowie gegebenenfalls der Innenministerkonferenz, um hier praktikable Lösungen zu finden.
"Unpraktikabel": Mecklenburg-Vorpommern lehnt Ausreiseverbote ab
Mecklenburg-Vorpommern lehnt nach den Worten von Vize-Regierungschef Lorenz Caffier (CDU) Ausreiseverbote für Bewohner von Regionen ab, in denen es einen starken Corona-Ausbruch gibt.
"Das ist für ein Flächenland unpraktikabel. Und außerdem sollte man nicht vergessen, dass Ausreiseverbote gerade für Ostdeutsche mit besonderen Erfahrungen verbunden sind. Wir machen das auf keinen Fall", sagte der Innenminister der Deutschen Presse-Agentur in Schwerin.
Eine Reihe von Ministerpräsidenten hatte es vorher abgelehnt, Ausreiseverbote für ganze Landkreise auszusprechen. So hatte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) noch am Mittwoch via Twitter erklärt, er könne sich kein Szenario vorstellen, "in dem wir einen gesamten Landkreis mit einer Ausreisesperre belegen".
"Für den Freistaat können wir so etwas nahezu ausschließen." Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zu dem Vorschlag des Bundes: "So etwas kann man sich im fernen Berlin oder auch München ja gerne ausdenken, aber es ist in der Fläche überhaupt nicht praktikabel."
Auch Linken-Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch sagte in der RTL/ntv-Sendung "Frühstart": Zwar sei es richtig, in betroffenen Immobilien oder Altenheimen solche Beschränkungen zu erlassen, aber "ganze Kreise zu nehmen und Menschen mit in Haftung zu nehmen und damit Freiheitsbeschränkungen vorzunehmen, das finde ich, muss überdacht werden"
Bayern und NRW heißen Vorschlag gut
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte den Vorschlag für zielgenauere Einschränkungen gutgeheißen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung signalisierte ebenfalls Zustimmung.
Als Corona-Risikogebiete gelten Regionen oder Orte, in denen die Zahl der Neuinfektionen 50 pro 100.000 Einwohner in 7 Tagen übersteigt oder große Unsicherheit über die tatsächliche Ausbreitung herrscht. Für die Benennung solcher Gebiete ist das Robert Koch-Institut (RKI) zuständig.
Zuletzt hatten mehr als 1000 positiv getestete Mitarbeiter des Fleischverarbeiters Tönnies in Nordrhein-Westfalen zu regionalen Einschränkungen im öffentlichen Leben in den Kreisen Gütersloh und Warendorf geführt. Betroffen waren zeitweise rund 640 000 Einwohner.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte die von der Landesregierung verfügten Einschränkungen allerdings nach einiger Zeit gekippt. Das zuständige Gesundheitsministerium hätte nach dem Corona-Ausbruch inzwischen eine differenziertere Regelung erlassen müssen, ein Lockdown für den ganzen Kreis sei nicht mehr verhältnismäßig, hatte das Gericht erklärt (dpa/thp) © dpa
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