Nach der Wahl ist vor der Wahl: Bei der Oberbürgermeisterwahl in Görlitz hat der CDU-Kandidat die AfD abgehängt. Sachsen blickt nun mit Spannung auf die Landtagswahl am 1. September. Doch ist das Ergebnis einer Stadt übertragbar auf das gesamte Bundesland?

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Nach der Oberbürgermeisterwahl in Görlitz wird in Sachsen auch bei der Landtagswahl im Herbst mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU und AfD gerechnet. Dafür sprechen die jüngsten Wahlumfragen. Den Sieg des Görlitzer CDU-Kandidaten Octavian Ursu gegen seinen AfD-Kontrahenten Sebastian Wippel wertet der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer dann auch nicht als Fingerzeig für die Landtagswahl am 1. September im Freistaat.

Wahlsieg in Görlitz: Grüne- und Linke-Kandidaten ziehen zurück

Die Wahl in Görlitz war bundesweit auf Interesse gestoßen, weil die AfD bei einem Sieg erstmals in Deutschland einen Oberbürgermeister hätte stellen können - sie hat ihr Ziel aber verfehlt. Der Christdemokrat Ursu bekam 55,2 Prozent der Stimmen, der AfD-Bewerber Wippel 44,8 Prozent. Das Ergebnis kam auch zustande, weil die beiden Bewerberinnen aus der ersten Wahlrunde, Franziska Schubert (Grüne) und Jana Lübeck (Linke), nicht wieder antraten. Beide warben dafür, Ursu zu unterstützen.

CDU-Politiker Octavian Ursu selbst nannte das Ergebnis am Tag nach seinem Wahlsieg über seinen AfD-Kontrahenten Sebastian Wippel richtungsweisend.

"Es ist tatsächlich so, dass eine Mehrheit für eine Richtung dieser Stadt gestimmt hat", sagte er am Montag dem Sender MDR Aktuell. Es gehe darum, ob Görlitz eine offene Gesellschaft haben oder sich nach außen abschotten wolle. Das Wahlergebnis zeige, "dass eine Mehrheit in der Gesellschaft keine AfD-Mehrheit wünscht", sagte der 51-Jährige.

Das Ergebnis wurde auch in zwei weiteren Wahlländern aufmerksam verfolgt. Am selben Tag wie in Sachsen wird auch in Brandenburg gewählt, wo die AfD wie bei der Europawahl Ende Mai ebenfalls stärkste Kraft geworden war. In Thüringen, wo am 27. Oktober gewählt wird, lag die Union damals knapp vor der AfD. In den jüngsten Umfragen für Sachsen liegen Union und AfD etwa gleichauf: In einer lag die AfD vorn, in einer anderen die CDU, eine dritte ergab ein Patt mit je 24 Prozent der Zweitstimmen.

Politikwissenschaftler: "Verhinderungsmehrheit" gegen AfD-Mann

Vorländer sprach am Montag mit Blick auf Görlitz von einer "Verhinderungsmehrheit" gegen einen AfD-Kandidaten. Bei der Landtagswahl gehe es aber darum, eine "Gestaltungsmehrheit" hinzubekommen: "Bei der Landtagswahl kämpft jeder zunächst einmal für sich. Und danach steht die Frage, wie man aus dem Ergebnis eine gestaltende Mehrheit macht, die das Land für die nächsten fünf Jahre regiert und es auch nach vorn bringt."

Die sächsische AfD, die zuletzt auf einer Erfolgswelle schwamm, gab sich schon am Wahlabend kämpferisch. Parteichef Jörg Urban warf den anderen Parteien vor, eine "Nationale Front" gegen Wippel gebildet zu haben. "Nationale Front" hieß zu DDR-Zeiten ein Zusammenschluss von Partei- und Massenorganisationen. Bei der Landtagswahl wolle die AfD in Sachsen mehr als 30 Prozent erreichen und so stark werden, dass die anderen Parteien nicht mehr gegen sie regieren könnten, sagte er.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schloss am Montag ein Bündnis mit der AfD erneut aus. "Eine Koalition kommt nicht infrage, und wer sich die AfD anschaut, der wird eine zunehmende Radikalisierung erleben, die wir mit Sorge sehen", sagte er im Deutschlandfunk. Es gebe da keine Schnittmengen.

AKK-Tweet sorgt für Irritationen

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wurde für einen Tweet am Sonntagabend kritisiert, weil sie Ursus Sieg als alleinigen Erfolg der Union gewertet hatte und den Verzicht der beiden Politikerinnen von Grünen und Linken unerwähnt ließ.

Am Montag äußerte sie sich im ZDF-"Morgenmagazin" noch einmal dazu. Sie habe sich zunächst über den Sieg des CDU-Kandidaten gefreut. Ausdrücklich lobte sie den Zusammenhalt in Görlitz. Das sei gute republikanische Tradition. "Und deswegen bin ich froh, dass dieses Bündnis in Görlitz gestanden hat."

Vorländer sah kein Problem darin, dass sich alle gegen einen verbünden. Das komme bei Wahlen auf kommunaler Ebene immer mal wieder vor: "Gerade bei Stichwahlen verzichten andere und erklären ihre Unterstützung für den einen oder anderen Kandidaten. Die Görlitzer wollten offensichtlich keinen AfD-Oberbürgermeister, sonst hätten sie sich anders entschieden." Dass die Bevölkerung mit Ursu einen aus Rumänien zugezogenen Mann gewählt habe, sei ein wichtiges Zeichen.

Im ersten Wahlgang hatte Wippel mit 36,4 Prozent noch 6,1 Prozentpunkte vor Ursu gelegen. Wippel konnte zwar am Sonntag noch einmal um 1.680 Stimmen zulegen. Bei Ursu fiel das Plus mit knapp 6.000 Stimmen aber deutlicher aus. (mgb/dpa)

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