So deutlich wird John Bercow selten: Der scheidende Parlamentspräsident hat Premier Boris Johnson eindringlich zur Einhaltung von Recht und Gesetz beim Austritt Großbritanniens aus der EU aufgefordert. Es werde nur einen Brexit geben, "den das House of Commons" abgesegnet hat. Ansonsten lasse er "zusätzliche Kreativität in den Abläufen" durchaus zu, um den Premier vom Gesetzesbruch abzuhalten.

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Der Sprecher des britischen Parlaments, John Bercow, hat eine deutliche Warnung an Premier Boris Johnson ausgesprochen: Er sei bereit, die Regeln des Parlaments völlig über den Haufen zu werfen, falls der Premier Großbritannien ohne Deal aus der Europäischen Union führen wolle. Das berichten mehrere britische Medien, darunter auch "The Guardian", übereinstimmend.

Bercow stärkt dem Parlament den Rücken

"Wenn ich mich in der Vergangenheit irgendwie missverständlich ausgedrückt haben sollte, lassen Sie mich das hier glasklar sagen: Der einzige Brexit, den wir, wann auch immer, haben werden, wird ein Brexit sein, den das House of Commons abgesegnet hat", erklärte Bercow bei einer Rede in London.

Er werde notfalls "zusätzliche Kreativität" in den Parlaments-Abläufen zulassen, sollte Johnson in die Nähe eines Gesetzesbruchs kommen. Das Parlament hatte dem Premier per Gesetz einen No-Deal-Brexit untersagt. Ob sich Johnson an diese Vorgabe halten wird, ist derzeit ungewiss.

Bercow betonte, dass weder die "Beschränkungen durch die etablierten Regeln" noch das "Ablaufen einer Deadline" das Parlament davon abhalten könne, Johnson zur Einhaltung von Recht und Gesetz in die Pflicht zu nehmen. Zudem brachte der Mr. Speaker eine schriftliche Verfassung ins Spiel, um künftiges "exekutives Fehlverhalten" zu verhindern.

Sollte Bercow wirklich derart drastisch in die Arbeit des Parlaments eingreifen müssen, wäre es der letzte Schritt seiner Parlamentskarriere: Der Parlamentspräsident wird am 31. Oktober - dem anvisierten Brexit-Datum - sein Amt niederlegen. Derzeit wird aber nicht debattiert. Premier Johnson hat das Parlament in einen äußerst umstrittenen Zwangsurlaub geschickt.

Johnson spielt Auswirkungen eines ungeregelten Brexits herunter

Dass ein Eingreifen des Mr. Speaker durchaus nötig sein könnte, zeigen Aussagen von Boris Johnson vom Donnerstag: Das Parlament hatte die Regierung gezwungen, ihre Vorbereitungen auf einen ungeregelten Brexit offenzulegen. Aus den Dokumenten mit dem Codenamen "Operation Yellowhammer" (dt. Operation Goldammer) wird deutlich, welche Auswirkungen ein No-Deal-Szenario auf das Leben in Großbritannien hätte. Die Regierung geht von einer massiven Unterbrechung der Warenströme aus, einer darauf folgenden Lebensmittel- und Medikamentenknappheit und daraus resultierenden Unruhen.

Doch Johnson fegte diese offiziellen Warnungen zu den Gefahren eines ungeregelten EU-Austritts einfach beiseite: "Seit ich Premierminister bin, habe ich unsere Vorbereitungen massiv beschleunigt", sagte Johnson am Donnerstag in London. "Alle Industriezweige, auf die es ankommt, werden auf einen No-Deal-Brexit vorbereitet sein." Er wies darauf hin, dass es sich um ein "Szenario für den schlechtesten Fall" handele, das vor einigen Wochen erstellt worden sei. Wenn mit der EU in den kommenden Wochen keine Einigung über ein Abkommen zustande komme, werde Großbritannien für den No-Deal-Brexit "bereit sein".

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