Angesichts der aktuellen Situation in den Fleischbetrieben fordert Grünen-Chef Robert Habeck eine grundlegende Reform der Fleischproduktion - und einen Mindestpreis für Tierprodukte. Der Gegenwind lässt nicht lange auf sich warten.

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Die Grünen fordern eine grundlegende Reform der Fleischproduktion in Deutschland, nachdem sich deutsche Schlachthöfe zunehmend zu Corona-Brennpunkten entwickelt hatten. In einem sieben Punkte umfassenden Plan, der den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorliegt, verlangt Grünen-Chef Robert Habeck, das Fleisch teurer zu machen.

Konkret fordert Habeck unter anderem einen Mindestpreis für Tierprodukte, ein Verbot von Werkverträgen über Subunternehmen, bessere Haltungsbedingungen für Tiere, eine "korrekte Entlohnung" der Mitarbeiter und eine Ausweitung der staatlichen Kontrollen in den Betrieben.

Habeck: Preise für Fleisch und Milch "schlicht eine Schweinerei"

Der Ausbruch der Lungenkrankheit COVID-19 in mehreren Schlachthöfen werfe "ein Schlaglicht auf die dramatischen Probleme der Agrarindustrie", schreibt Habeck. Sie funktioniere "nach dem Prinzip: Massenproduktion von Fleisch zu Dumpingpreisen dank Dumpingbedingungen".

"Wenn wir von Bauern gute Arbeit, Tierschutz und Klimaschutz verlangen, dann müssen wir sie auch dafür bezahlen. Solche Lockangebote legen den Bauern Daumenschrauben an und zerstören alles, was politisch sinnvoll ist", untermauert Habeck seine Position gegenüber der "Bild"-Zeitung. "Preise für Fleisch oder Milch, die unter den Produktionskosten der Bauern liegen, sind schlicht eine Schweinerei."

Das Coronavirus war zuletzt in mehreren deutschen Schlachthöfen ausgebrochen. Im April war dies bereits in einem Fleischwarenwerk in Birkenfeld in Baden-Württemberg der Fall. In den vergangenen Tagen waren Belegschaften in Coesfeld und Oer-Erkenschwick (Nordrhein-Westfalen) sowie Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein betroffen.

Begünstigt werden die Infektionen durch die Enge in Sammelunterkünften ausländischer Arbeiter und die fehlende Einhaltung von Hygieneregeln. Doch die Fleischindustrie steht bereits seit vielen Jahren wegen prekärer Arbeits- und Unterkunftsbedingungen in der Kritik.

CSU-Politiker findet Preiskampf beim Fleisch "unanständig"

Ungewohnte Unterstützung bekommt Habeck aus der CSU. Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein plädierte für höhere Fleischpreise und ein Verbot, mit dem Preis für Fleisch zu werben. "Der unanständige Preiskampf beim Fleisch ist die Wurzel vieler Übel", sagte der CSU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". Er bringe die Landwirte in Existenznöte, schade dem Tierwohl und sei für die problematischen Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen verantwortlich.

Nüßlein sprach sich dafür aus, die Fleischpreise über die Mehrwertsteuer anzuheben. Der CSU-Vorstand wies diese Forderung allerdings zurück.

SPD-Fraktionsvize Katja Mast sagte der Nachrichtenagentur AFP, diese Debatte lenke davon ab, um was es wirklich gehe. "Das lassen wir der Union nicht durchgehen. Es geht darum, das Geschäftsmodell in der Fleischindustrie substanziell zu ändern."

Kritik an Habecks Vorstoß

Kritik am Konzept des Grünen-Chefs, einen Mindestpreis für Tierprodukte einzuführen, kommt hingen von der Linkspartei: "Die Preisdebatte der Grünen springt viel zu kurz und gibt moralisch implizit den Verbrauchern die Schuld", sagt der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, der "Welt".

Bartsch kritisiert: "Ich will keine soziale Spaltung über das Schnitzel." Aber auch er findet: "Weil die Zustände in den Schlachthöfen größtenteils skandalös sind, brauchen wir eine Strukturdebatte zur Landwirtschaft: zwölf Euro Mindestlohn, bessere Arbeitsbedingungen, lückenlose Kontrollen und weg von massenhaften Antibiotika."

Nicht nur von links hagelt es Kritik, auch die FDP wird deutlich: "Ein Mindestpreis für Fleisch ist planwirtschaftlicher Unsinn!", sagt der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer der "Bild"-Zeitung.

Bundesregierung berät über strengere Regeln

Angesichts von Corona-Ausbrüchen in Schlachtbetrieben dringt Bundessozialminister Hubertus Heil auf rasche Regelungen für grundlegend bessere Arbeitsbedingungen. Die Bundesregierung könne und werde "in dieser Branche aufräumen", betonte Heil.

Er habe dazu Vorschläge auf den Tisch gelegt, über die im Corona-Kabinett aber noch nicht entschieden worden sei, sagte der SPD-Politiker am Montag in Berlin. Grund sei, dass der Koalitionspartner Union noch Gesprächsbedarf habe. Er setze darauf, dass Beschlüsse nun an diesem Mittwoch im Kabinett gefasst würden.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner äußerte sich bereits zu Habecks Konzept. Sie sei zwar gegen einen staatlich festgelegten Mindestpreis, aber es sei "unanständig, wenn Verbraucher mit Billigstpreisen in den Laden gelockt werden". (msc/mf/dpa/afp)

Verwendete Quellen:

  • Bild: "Planwirtschaftlicher Unsinn"
  • Augsburger Allgemeine: "CSU will Fleischpreise deutlich erhöhen – und Preis-Werbung stoppen"
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

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