Das ging schneller als gedacht: Schon in der ersten Sitzung des Koalitionsausschusses in neuer Besetzung haben sich Union und SPD auf eine Reform der Grundsteuer geeinigt. Doch worum geht es dabei eigentlich und was bedeutet die Reform für die Bürger?

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Nach monatelangem Streit haben sich CDU/CSU und SPD darauf geeinigt, die Grundsteuer zu reformieren. Erstmals seit dem Rücktritt von SPD-Chefin Andrea Nahles beriet die Runde unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in neuer Zusammensetzung. Am frühen Montagmorgen kam es im Koalitionsausschuss dann zu einem Kompromiss.

Über die Reform war lange gestritten worden. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte ein wertabhängiges Modell zur Berechnung der Grundsteuer vorgelegt.

Bayern sowie einige Unionspolitiker wollten hingegen eine Berechnung allein nach der Fläche und forderten für die Länder das Recht, von den Regelungen auf Bundesebene abzuweichen. Das heißt konkret: Die Länder bekämen mehr Spielraum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten bei der Grundsteuer. Auf solche Öffnungsklauseln schien es am Ende der Debatte hinauszulaufen. Wie die Klausel genau aussehen soll, wurde nicht erläutert.

Grundsteuer: Wer zahlt sie?

Die Grundsteuer ist eine Steuer auf den Besitz von Grundstücken und Gebäuden. Anders als die Grunderwerbssteuer zahlt man sie jedes Jahr - Eigentümer wie Mieter, denn Vermieter können sie über die Nebenkostenabrechnung umlegen.

Bei den meisten Wohnungseigentümern geht es um einige Hundert Euro im Jahr, Besitzer von Mietshäusern müssen dagegen oft vierstellige Beträge berappen.

Warum ist die Grundsteuer wichtig?

Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Kommunen. Sie deckt 15 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen, aus denen dann Straßen, Schwimmbäder, Theater und anderes bezahlt werden.

Laut Statistischem Bundesamt summierten sich die Einnahmen im vergangenen Jahr auf 14,2 Milliarden Euro.

Grundsteuer: wie wird sie aktuell berechnet?

Wie viel man zahlt, ist abhängig vom Wohnort, dem Grundstück und dem Gebäude darauf. Das letzte Wort haben die Kommunen - sie legen eigene Hebesätze fest, die enorm viel ausmachen.

Im Prinzip werden durch diese Faktoren quer durch Deutschland Tausende unterschiedliche Grundsteuersätze gezahlt. Denn die Hebesätze sind sehr unterschiedlich: 2017 lagen sie in den rund 11.000 deutschen Gemeinden zwischen 0 und 960 Prozent. Für gleich bewertete Häuser können so in der einen Kommune 100, in der anderen fast 1.000 Euro Grundsteuer im Jahr fällig werden.

Warum soll sich etwas ändern?

Den Wert der Immobilie berechnen die Finanzämter bisher auf Grundlage völlig veralteter Zahlen - von 1935 in Ostdeutschland und von 1964 in Westdeutschland. Das Bundesverfassungsgericht hat deswegen eine Neuregelung bis Ende des Jahres verlangt.

Welche Modelle gibt es für die neue Grundsteuer?

Olaf Scholz hatte bislang für ein sogenanntes wertabhängiges Modell plädiert. Dabei sollten vor allem der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete eine Rolle spielen. Alle rund 36 Millionen Häuser und unbebauten Grundstücke müssten neu bewertet werden.

Weil die Immobilienpreise in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen sind, würde das zu massiven Anstiegen bei der Steuer führen. Scholz wollte deshalb einen anderen Faktor der Berechnung, die Steuermesszahl, anpassen. Das letzte Wort haben aber weiter die Kommunen mit ihren Hebesätzen. 2025 soll die neu berechnete Grundsteuer erstmals fällig werden.

Das Bundesland Bayern fürchtete großen bürokratischen Aufwand und Kosten, wenn alle Grundstücke neu bewertet werden müssten sowie heftige Mietsteigerungen in Ballungszentren wie München. Die Landesregierung wollte deswegen ein einfacheres Modell: die Steuerhöhe soll sich pauschal an der Fläche orientieren. Das könnte die Öffnungsklausel möglich machen.

Das waren die Vorbehalte gegen eine Öffnungsklausel

Manche Länder fürchteten, dass Sonderwege Druck auf alle ausüben. Das reiche Bayern werde sich mit dem Flächenmodell künstlich arm rechnen und dann am Ende beim Länderfinanzausgleich profitieren, meinte Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke). "Das ist der Einstieg in einen schädlichen Steuerwettbewerb zwischen den Ländern."

Was bedeutet eine Grundsteuer-Reform für die Bürger?

Einige Hausbesitzer und Mieter werden weniger, andere mehr zahlen müssen. Unterm Strich, das verspricht Scholz, sollen die Grundsteuer-Einnahmen für den Staat gleich bleiben. Ob das gelingt, ist aber völlig offen - wegen der Hebesätze.

Scholz und auch der Städtetag gehen davon aus, dass die Kommunen auf Mehreinnahmen verzichten und die Hebesätze senken werden. "Kein Bürgermeister wird es überleben, wenn er den Hebesatz nicht senkt, falls es zu einem Mehraufkommen in seiner Kommune kommt", sagt der Minister. Doch zwingen kann er die Kommunen nicht.

Koalitionsausschuss in neuer Besetzung

Der Koalitionsausschuss kam erstmals seit dem Rücktritt von SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles am 2. Juni zusammen. Die SPD-Bundespartei wurde von ihrem Übergangs-Führungstrio aus Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel vertreten, die SPD-Fraktion von ihrem kommissarischen Vorsitzenden Rolf Mützenich.

Mit dabei waren ferner Vizekanzler Scholz sowie CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. (pak/dpa/AFP)

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