Nach den Belästigungsvorwürfen gegenüber dem Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar hat der RBB einen Teil seiner Berichterstattung zurückgezogen. Die CSU fordert von Robert Habeck Aufklärung. Die Grünen wollen Strafanzeige stellen.

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Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck fordert im Fall der möglichen Intrige gegen den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar Aufklärung. "Die Vorgänge im Berliner Landesverband sind gravierend und auch schockierend", sagte der Wirtschaftsminister in Berlin.

"Es muss unbedingt schnell und rücksichtslos aufgeklärt werden, was da eigentlich passiert ist, und auch die Konsequenzen gezogen werden." Habeck betonte: "Genau das hat sich der Bundesverband mit hoher Priorität vorgenommen." Der Parteivorstand sei da "komplett dran".

Grüne wollen Strafanzeige stellen

Jetzt wollen die Grünen Strafanzeige stellen. Das kündigte der Parteivorsitzende Felix Banaszak an. Es gehe um ein Verhalten, "das von krimineller Energie und Niedertracht geprägt ist". So etwas habe bei den Grünen keinen Platz.

Man habe deshalb auch ein Parteiausschlussverfahren vorgesehen. Dieses habe sich aber dann durch den Austritt der betreffenden Person erledigt. Die Strafanzeige richte sich sowohl "gegen die benannte Person als auch gegen Unbekannt", sagte Co-Parteichefin Franziska Brantner auf Nachfrage.

Nach ihrem Austritt aus der Partei hat sich die bisherige Berliner Grünen-Bezirksabgeordnete Shirin Kreße öffentlich zu Wort gemeldet. "Ich bin am Samstag aus der Partei Bündnis90/Die Grünen ausgetreten, habe alle parteiinternen Ämter niedergelegt, mein Mandat in der BVV Mitte niedergelegt und meinen Job in einem Grünen-Abgeordnetenbüro gekündigt", teilte sie der Deutschen Presse-Agentur mit.

"Grund dafür ist, dass während ich mich mit den Vorwürfen, die gegen mich erhoben wurden, auseinandersetze, ich möglichen Schaden von der Partei, aber auch Betroffenen sexualisierter Gewalt abwenden möchte." Zu weiteren Details machte sie keine Angaben. Kreße war bis Samstag Mitglied in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Berlin-Mitte und dort Vorsitzende der Grünen-Fraktion.

RBB zieht Teile seiner Berichterstattung zurück

Gegen Gelbhaar, der Mitglied des Grünen-Kreisverbands Berlin-Pankow ist, stehen seit Mitte Dezember Belästigungsvorwürfe im Raum. Der öffentlich-rechtliche ARD-Sender Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) berichtete nach eigenen Angaben auf Grundlage von eidesstattlichen Versicherungen von Frauen. Außerdem hatte der Sender nach eigenen Angaben Einblick in anonyme Meldungen an die Ombudsstelle der Grünen.

Am Freitag zog der Sender Teile seiner Berichterstattung dazu zurück und berichtete über Zweifel an der Identität einer Person, die solche Vorwürfe erhoben hatte. Der RBB hatte am Wochenende einen Fehler in der Recherche eingeräumt. Von RBB-Chefredakteur David Biesinger hieß es: "Journalistische Standards sind nicht vollumfänglich eingehalten worden." Weitere Recherchen hätten zu einer Grünen-Bezirkspolitikerin geführt, bei der für den Sender feststehe, dass sie sich als die betroffene Person ausgegeben und unter falschem Namen eine eidesstattliche Versicherung abgegeben habe.

Der Grünen-Politiker Gelbhaar ist seit 2017 Mitglied des Bundestags und hatte bei der Wahl 2021 das Direktmandat gewonnen. Seine Kandidatur für einen Platz auf der Landesliste der Berliner Grünen für die Bundestagswahl im Februar hatte er Mitte Dezember kurzfristig zurückgezogen und das mit Vorwürfen gegen ihn begründet, ohne dabei konkreter zu werden.

Er hatte die Vorwürfe bestritten und sie als gelogen bezeichnet. Bei dem Vorgang müsse es sich "um eine in Teilen geplante Aktion" handeln mit dem Ziel, ihn massiv zu diskreditieren. Inzwischen steht die Frage im Raum, ob es eine Intrige innerhalb der Grünen geben könnte.

CSU: Habeck muss sich persönlich erklären

Die CSU nutzt die Berichte über die mögliche Intrige gegen Stefan Gelbhaar unterdessen zu einer neuen Attacke auf Habeck. Der Bundeswirtschaftsminister müsse sich persönlich erklären, verlangte CSU-Generalsekretär Martin Huber nach einer Parteivorstandssitzung in München. "Was wusste Robert Habeck? War er eingeweiht? Hat er dieses Vorgehen gebilligt?", fragte er. Auch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte umfassende Aufklärung.

Dobrindt argumentierte, Habecks Schweigen schaffe neue Verdachtsmomente. "Das Schweigen schafft Misstrauen." Bei den Vorgängen rund um die Berliner Listenaufstellung müsse es sich um massive kriminelle Energie gehandelt haben. Eine Frage sei nun, ob dafür eine Person verantwortlich sei oder ob es sich um ein "grünes Intrigensystem" handle. Dies müsse die Partei sehr schnell aufklären. Dobrindt kündigte an, man werde im Bundestag eine parlamentarische Anfrage zur Bewertung dieser Listenaufstellung stellen.

Sitzung CSU-Vorstand
CSU-Generalsekretär Martin Huber bezeichnete die Vorfälle als strafrechtlich relevant. © Peter Kneffel/dpa

Huber sprach von einer "üblen und brutalen" Intrige. Das "Ausmaß an Niedertracht" sei offensichtlich auch strafrechtlich relevant, fügte er hinzu. Habecks Wahlkampfmanager Audretsch hatte am Wochenende erklärt, "mit dem gesamten Vorgang nichts zu tun" zu haben.

Gegen Gelbhaar wurden im Dezember Belästigungsvorwürfe erhoben, die offenbar zumindest teilweise frei erfunden sind. Er wollte ursprünglich ebenso wie Andreas Audretsch - Grünen-Fraktionsvize und Wahlkampfmanager Habecks - für Platz zwei der Berliner Landesliste für die Bundestagswahl kandidieren. Gelbhaar zog seine Kandidatur zurück, Audretsch wurde gewählt. Listenplatz zwei gilt als so gut wie sicher, um in den Bundestag einziehen zu können. (dpa/bearbeitet von nap)

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