Die Ampel-Koalition hat den Bundeshaushalt fürs nächste Jahr festgezurrt. Es ist der größte Etat der bundesdeutschen Geschichte. Und auch die Schuldenbremse greift wieder. Allerdings dürfte die Debatte um das Regelwerk damit nicht vorbei sein.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Hartmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Na also, geht doch. Ganz zufrieden sehen die Ampel-Haushälter Otto Fricke (FDP), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Dennis Rohde (SPD) aus, als sie am Freitagmittag auf dem Podium der Bundespressekonferenz in Berlin sitzen. Hinter den Parlamentariern liegt die sogenannte Bereinigungssitzung des mächtigen Haushaltsausschusses – also jener Termin, bei dem der Bundeshaushalt final festgezurrt wird. Oft dauert das bis in die frühen Morgenstunden.

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Diesmal waren die Abgeordneten deutlich schneller. Schon am Donnerstagabend hieß es: Habemus Haushalt. Der Etat steht. Mit einem Ausgabenvolumen von rund 477 Milliarden Euro ist er der größte in der bundesdeutschen Geschichte. Der Bund plant dabei neue Kredite in Höhe von knapp 39 Milliarden Euro. Und, vor allem für die Liberalen ganz wichtig: Die Schuldenbremse, sie steht.

Bundeshaushalt: keine Notlage mehr

"Uns hat erfreut, dass wir keine Notsituation haben", sagt FDP-Vertreter Fricke auf dem Podium. Denn genau damit hatte die Politik in den letzten Jahren Ausnahmen von der Schuldenbremse begründet. Für die Liberalen war das nicht länger hinnehmbar. Der neue, finanzpolitisch deutlich restriktivere Haushalt ist auch ihr Erfolg.

Daneben, sagt Fricke, sei es aber gelungen, die Investitionen mit 70 Milliarden Euro "sehr hoch" zu halten. Ebenso sei der Auftakt für die Aktienrente mit immerhin zwölf Milliarden Euro gemacht.

Doch natürlich musste auch gekürzt und zusammengestrichen werden. Das war, zumindest indirekt, eine Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Dezember, das den Ampel-Haushalt über den Haufen geworden und die Koalition an den Rand des Abgrunds getrieben hatte. Nachdem die Karlsruher Richter die Umwandlung von nicht genutzten Corona-Krediten in Höhe von 60 Milliarden – das Geld sollte in Klimaschutz und Industrieförderung fließen – untersagt hat, war die Finanzplanung der Ampel passé.

Wo die Ampel sparen will

Nun hieß es: Schuldenbremse aufweichen oder Sparen. Für die FDP hat Haushaltskonsolidierung absolute Priorität – also blieb nur die Option Rotstift. Was das konkret bedeutet? Unter anderem darauf hat sich die Ampel geeinigt:

  • Verschärfung von Sanktionen gegen Totalverweigerer beim Bürgergeld (befristet auf zwei Jahre)
  • Ticketsteuer für Passagierflugzeuge steigt
  • CO2-Preis auf Heizöl, Gas und Sprit soll steigen
  • In der Landwirtschaft bleibt es bei der schrittweisen Abschaffung von Subventionen für Agrardiesel
  • Weniger Geld für Klimaschutzprojekte
  • Kürzung von Mitteln in der Rücklage bei der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)
  • Weniger Geld für Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe

Von "schmerzhaften Einsparungen" spricht Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler. Aber – darauf legt auch sein SPD-Kollege Dennis Rohde wert – es sei immerhin gelungen, dass am Sozialstaat nicht gespart wurde. Rohde verweist darauf, dass es sogar noch ein Förderprogramm für kleine, bezahlbare Wohnungen in Höhe von einer Milliarde Euro in den Etat geschafft habe. Und für die FDP darf Otto Fricke eine Entlastung der Steuerzahler um 15 Milliarden Euro verkünden.

Einigung zur Schuldenbremse mit Hintertür

Wenn man so will: Ein Haushalt, der das widerspiegelt, was an Kompromissfähigkeit in der Ampel möglich ist. Und der zugleich unter Vorbehalt steht. Bei SPD und Grünen dürften die Rufe nach einem Aussetzen der Schuldenbremse nicht verstimmen. "Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür liegen vor", sagt SPD-Haushälter Rohde.

Der Kompromiss, auf den sich die Koalition im Haushaltsstreit geeinigt hat, lautet: Die Schuldenbremse gilt – es sei denn, die militärische Lage in der Ukraine verschlechtert sich dramatisch. Dann wäre Deutschland bereit, mehr Geld zu überweisen. "Der ukrainische Freiheitskampf darf am Ende nicht an einer konservativen Betrachtung von Schulden scheitern", sagt Rohde.

Grünen-Haushälter: "Wir leben nicht in normalen Zeiten"

Schon jetzt hat die Ampel die militärische Hilfe an Kiew von vier auf acht Milliarden Euro verdoppelt. "Putins Krieg bedroht nicht nur die Ukraine, er bedroht ganz Europa. Wir leben nicht in normalen Zeiten", sagt Grünen-Haushälter Kindler. Zumal niemand wisse, wie sich die politische Lage in den USA entwickelt. Und was passiert, wenn Hilfen von dort ausfallen.

Auch Ökonomen kritisierten zuletzt immer deutlicher, dass die Bundesrepublik zu wenig investiere in Bildung, Digitalisierung, den klimagerechten Umbau der Wirtschaft. Und dass ein fiskalischer Impuls angesichts der Wachstumsschwäche notwendig wäre.

Der Bundeshaushalt zielt hingegen in Richtung Normalität. Eine, die allerdings sehr fragil ist.

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