In Facharbeitsgruppen haben Union und SPD seit Mitte März versucht, den Weg zu einem Koalitionsvertrag zu ebnen. Noch immer gibt es Knackpunkte und offene Fragen – übernehmen sollen jetzt andere Verhandler.

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Zehn Tage, nicht länger, sollten die Koalitionsgespräche dauern. So zumindest lautete der ambitionierte Plan des wohl künftigen Kanzlers Friedrich Merz (CDU) zum Abschluss der Turbo-Sondierungen. Am Ende waren es knapp elf Tage, bis die Verhandlungsgruppen am heutigen Montag die Ergebnisse ihrer ersten Beratungen in Schriftform abliefern. In der nächsten Runde der Verhandlungen werden die Ergebnisse gesichtet und zusammengefasst. Auch um festzuhalten, wo es noch Konflikte gibt.

Ab Ende dieser Woche soll eine Gruppe aus 19 Spitzenpolitikerinnen und -politikern die verbliebenen Meinungsverschiedenheiten auflösen. Hier würden laut CDU "letzte Uneinigkeiten und unklare Formulierung ausgeräumt". Anfang April soll dann laut Plan die "Schlussredaktion" des Koalitionsvertrags beginnen.

Danach soll ein fertiges Dokument vorliegen, über das die Parteien entscheiden. Bei der CDU macht das der Bundesausschuss, eine Art kleiner Parteitag. Die SPD will ihre Mitglieder befragen. Die digitale Abstimmung wird etwa zehn Tage dauern.

Nach der ersten Phase der Verhandlungen gibt es noch einige strittige Punkte. In einigen Punkten stehen sich die Verhandler diametral gegenüber. So kündigte die Gruppe der Frauen in der SPD etwa an, die Streichung des Paragrafen 218, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, zur Bedingung machen zu wollen.

"Da liegen noch Brocken vor uns", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Sonntagabend. Der Arbeitsminister wird als Teil der 19er-Gruppe gemeinsam mit anderen Ministern und Ministerpräsidenten, sowie den Parteispitzen an Lösungen arbeiten. Die "Brocken" von denen Heil spricht, liegen in unterschiedlichsten Bereichen: beim Umgang mit Flucht und Migration, bei Steuern, dem Mindestlohn oder der Rente.

Migration: Sorge vor deutschen Alleingängen

In ihren Sondierungen haben Union und SPD bereits die umfassende Zurückweisung auch von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen vereinbart. Dies soll allerdings "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" erfolgen. CDU-Chef Friedrich Merz schloss aber auch deutsche Alleingänge nicht aus. Da will die SPD jedoch auf keinen Fall mitgehen. Der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries warnte, die Sozialdemokraten dürften "den Bogen nicht überspannen". Er sagte dem "Handelsblatt", eine "echte Asylwende" sei für die Union Bedingung für eine Koalition.

Wenig Einigkeit bei der Frage der Besteuerung

Ebenfalls wichtig für die Union: Eine möglichst schnelle Senkung der Unternehmenssteuern von derzeit rund 30 auf 25 Prozent. Doch hierzu gab es nach einem Bericht des "Spiegel" in der zuständigen Arbeitsgruppe keine Einigung. Die Sozialdemokraten hätten einen Einstieg in Steuersenkungen erst ab 2029 angeboten – dem letzten Jahr der Legislaturperiode. Es solle dann auch nur eine Senkung um einen Prozentpunkt auf 29 Prozent geben.

Ähnlich uneinig sind sich die künftigen Koalitionäre wohl bei der Einkommenssteuer. Die Sozialdemokraten wollten eine Senkung nur mittragen, wenn im Gegenzug die Steuern für Spitzenverdiener steigen, berichtet das "Handelsblatt". Konkret schlug die SPD demnach vor, den Spitzensteuersatz von 42 auf 47 Prozent und den Reichensteuersatz von 45 auf 49 Prozent zu erhöhen. Zudem solle die Vermögensteuer wieder eingeführt werden. Streit gibt es laut "Handelsblatt" auch über die SPD-Forderung, das Ehegattensplitting abzuschaffen.

Verhandlungsbedarf bei Mindestlohn und Rente

Die SPD verlangt eine Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 12,82 Euro auf 15 Euro pro Stunde ab 2026. Einen erneuten politischen Beschluss zur Anhebung wie während der Ampel-Koalition lehnt die Union aber kategorisch ab. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann betonte, über die Höhe des Mindestlohns werde die Mindestlohnkommission aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern entscheiden – nicht die Politik. Die Sozialdemokraten wollen außerdem ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent des Durchschnittseinkommens dauerhaft garantieren.

Im Sondierungspapier wird zwar eine Sicherung des Rentenniveaus als Ziel genannt, nicht jedoch eine konkrete Prozentzahl. CDU-Generalsekretär Linnemann betonte bisher, die Stabilisierung hänge davon ab, ob es genug Wirtschaftswachstum gebe. Denn die Rentenpolitik dürfe "nicht immer nur zu Lasten der jungen Generation" gehen. Sein SPD-Kollege Matthias Miersch geht aber davon aus, dass die 48 Prozent im Koalitionsvertrag stehen werden.

Weitere Sorgenkinder: Deutschlandticket, Gesundheit und Pflege

Strittig ist auch noch die Finanzierung des Deutschlandtickets. Die SPD will die Fahrkarte dauerhaft zum aktuellen Preis anbieten, ergänzt durch vergünstigte Tarife für Familien, Studierende oder ältere Menschen. CDU-Chef Friedrich Merz ist grundsätzlich für eine Weiterführung, stellt dies aber ausdrücklich unter den Vorbehalt einer möglichen Finanzierung, die nur noch für dieses Jahr gesichert ist. Aus der CSU kamen immer wieder Vorbehalte gegen die Weiterführung.

Mit einer dringend nötigen Gesundheits- und Pflegereform kommt auf die künftige Koalition ein Milliarden-Projekt zu. Der Handlungsbedarf ist angesichts der Defizite der Kranken- und Pflegekassen bei gleichzeitig weiter steigenden Kosten enorm. Unklar ist auch, was aus der Unions-Forderung wird, das von der SPD-geführten Ampelkoalition beschlossene Gesetz zur Cannabis-Legalisierung wieder abzuschaffen.

Merz auf Namenssuche

Für weniger Sprengstoff dürfte die Suche nach dem neuen Namen für die einstige "GroKo" sorgen. CDU-Chef und Kanzler in spe Friedrich Merz will angesichts der Mehrheitsverhältnisse nicht mehr von einer Großen Koalition sprechen: Union und SPD kommen zusammen nur noch auf eine Mehrheit von 328 der 630 Sitze.

Bei der "Bild" spekulierte Merz über mögliche Ideen: "Vielleicht schwarz-rote-Arbeitskoalition oder Koalition von Aufbruch und Erneuerung." Am Ende werde "sicher gemeinsam" ein passender Name gefunden werden. "Aber jetzt kommt es erst einmal auf den Inhalt an."

Verwendete Quellen

  • Material von dpa und afp