Aus dem Kampf der US-Regierung gegen Tiktok könnte ausgerechnet Donald Trumps "best buddy" Elon Musk als großer Sieger hervorgehen. Denn Musk ist als Käufer des USA-Geschäfts der chinesischen Plattform im Gespräch. Die nächste Gefahr für die freie Meinungsbildung?
Seit Sonntag agiert Tiktok in den USA in der Grauzone. Eigentlich dürfte die App dort, wo sie weltweit die meisten Nutzer hat, nicht mehr online sein. So sieht es ein unter
Ein paar Stunden lang war die App am Sonntag vom Netz, allerdings nur so lange, bis Donald Trump per Erlass verfügte, dass das Justizministerium die Bestimmungen des Gesetzes 75 Tage lag nicht durchsetzen soll. Der Verkauf sei damit nicht vom Tisch, betonte der neue US-Präsident: "Was ich mir vorstelle, jemandem zu sagen, ist: Kauf es (Tiktok, Anm. d. Red.) und gib die Hälfte den USA", so
Trump ließ dann auch gleich wissen, dass er seinen prominentesten Wahlkampfhelfer und Berater für Regierungseffizienz,
Medienwissenschaftler will Tiktok nicht in Musks Händen sehen
Trump. Musk. Großartige Partner – großartige Idee? Aus Sicht Trumps natürlich. Seit Musk im Herbst 2022 den Kurznachrichtendienst Twitter gekauft und in X umbenannt hat, wird die Plattform deutlich weniger moderiert. Hassrede und Verschwörungstheorien haben zugenommen, das zeigen mehrere Untersuchungen, etwa jene des "Center for Countering Digital Hate", gegen die Musk erfolglos gegen Gericht vorgegangen ist. Im Wahlkampf hat sich X für Trump als perfektes Instrument bewiesen, um die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Warum also nicht auch Tiktok in Musks Hände geben?
Was Trump gelegen käme, macht Martin Andree große Sorgen. Die neue US-Regierung weiche das Prinzip der Staatsferne mehr und mehr auf, sagt der habilitierte Medienwissenschaftler auf Anfrage unseres Portals. "Die Folgen, etwa bei der offenen Instrumentalisierung von X durch Musk für Wahlkampfzwecke, etwa für Trump in den USA sowie die AfD in Deutschland, sind dramatisch."
Nicht nur für die USA, auch für Deutschland und Europa sieht Andree durch X und in einer möglichen Übernahme Tiktoks durch Musk eine Gefahr für die freie Meinungsbildung. "Weil wir in Europa dieselben Plattformen verwenden, kontrolliert die Trump-Regierung zunehmend auch unsere eigene digitale Öffentlichkeit", sagt Andree.
Vor diesem Hintergrund wirkt es beinahe ironisch, dass die Regierung Biden die digitale Öffentlichkeit mit dem erzwungenen Tiktok-Verkauf eigentlich schützen wollte. An Tiktoks Mutterkonzern Bytedance ist auch die chinesische Regierung beteiligt. Wenngleich Bytedance stets beteuert, unabhängig zu agieren, erwächst daraus die Sorge, dass die chinesische Regierung sich über Tiktok Zugriff auf Daten von US-Nutzern verschaffen und die öffentliche Meinung in den USA manipulieren könnte.
Neben Musk werden noch andere als potenzielle Käufer des US-Tiktok-Geschäfts gehandelt:
Jimmy Donaldson und Jesse Tinsley: Donaldson ist der weltweit erfolgreichste Youtuber, besser bekannt als MrBeast. Gemeinsam mit Tinsley und anderen Investoren hat er eigenen Angaben zufolge ein Angebot an Bytedance abgegeben.- Frank McCourt: Der milliardenschwere Bauunternehmer hatte schon im Mai sein Interesse bekundet. Dazu hat er mit weiteren Investoren ein Konsortium gegründet, dessen Angebot inzwischen offiziell ist.
- Kick: Der Streaminganbieter hat vergangene Woche via X mitgeteilt, dass er eine Absichtserklärung zum Kauf abgegeben hat.
- Perplexity AI: CNBC zufolge will das kalifornische KI-Startup Perplexity AI die App kaufen. Am Samstag habe es Bytedance einen Zusammenschluss vorgeschlagen, berichtet der US-Sender.
Algorithmus dürfte Kern der Verhandlungen sein
Noch gibt es viele offene Fragen: Wird Bytedance mitspielen? Die Chinesen haben freilich keine Lust auf einen Verkauf und haben versucht, gerichtlich gegen das Gesetz vorzugehen. Da das oberste Gericht der Vereinigten Staaten das Argument, das Gesetz verletze die in der US-Verfassung verankerte Redefreiheit, jedoch nicht durchgehen ließ und die Klage abgewiesen hat, ist zumindest wahrscheinlicher geworden, dass Bytedance klein beigibt.
Martin Andree gibt außerdem zu bedenken, dass offen ist, "inwieweit Tiktok proprietäre Algorithmen offenlegen beziehungsweise mitverkaufen wird". Der einzigartige Algorithmus, der für Tiktoks Suchtfaktor sorgt, macht die App so wertvoll. Eine US-Version, die nicht auf diesem Algorithmus basiert, dürfte aus Investorensicht kaum attraktiv sein.
Trumps 75 Tage Aufschub enden am 5. April. So lange hat der selbsternannte Dealmaker Zeit, einen Deal zu seinen Gunsten einzufädeln.
Über den Gesprächspartner
- Professor Martin Andree unterrichtet Medienwissenschaften an der Universität Köln. Sein Schwerpunkt: Digitale Medien. Er ist Autor des Buchs "Big Tech muss weg! Die Digitalkonzerne zerstören Demokratie und Wirtschaft – wir werden sie stoppen".
Verwendete Quellen:
- dpa
- "Der Standard" vom 22.1.2025: "Trump will, dass seine 'Tech Bros' Musk und Ellison Tiktok kaufen"
- CNBC vom 18.1.2015: "Perplexity AI makes a bid to merge with TikTok U.S."
- RBB vom 26.9.2024: "Elon Musks Meinungsmaschine"
- Beitrag von Kick auf X vom 16.1.25
- Beitrag von mrbeast auf Tiktok vom 21.1.2025
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.