Kitas sind eigentlich Sache der Länder. Doch der Bund springt mit 5,5 Milliarden Euro bis 2022 bei. Die Ziele: bessere Betreuung in Krippen und Kindergärten, mehr Personal, längere Öffnungszeiten und geringere Gebühren, gerade für Eltern mit wenig Einkommen. Was die Bundesregierung "Gute-Kita-Gesetz" nennt, finden aber längst nicht alle gut.
Die Kindergruppe in einer Berliner Kita zeigt sich unbeeindruckt, als die Bundesfamilienministerin am Mittwoch zu ihr in den Garten tritt. Franziska Giffey fragt artig, ob sie sich dazusetzen darf und lässt sich das ABC-Lernspiel aus Holz auf dem Tisch zeigen.
Giffey ist direkt vom Kanzleramt gekommen, wo das Bundeskabinett ihr "Gute-Kita-Gesetz" beschlossen hat. "Ich bin sehr froh an diesem Tag", strahlt die SPD-Ministerin.
Das können im Moment nicht alle sagen bei den durch das Koalitionschaos rund um Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen durchgeschüttelten Sozialdemokraten.
Giffey steht an diesem Tag für den Anspruch der SPD
Das "Gute-Kita-Gesetz" im Detail
Die Ziele
5,5 Milliarden Euro des Bundes sollen durch Giffeys Gesetz bis 2022 in die Kitas fließen, obwohl der Bund eigentlich nicht zuständig ist. Das wichtigste Ziel ist mehr Qualität. So sollen die Öffnungszeiten verlängert, mehr Fachkräfte eingestellt, die Räume oder das Kita-Essen verbessert oder die pädagogischen Angebote erweitert werden.
Die Länder sollen sich aus diesem "Baukasten" (Giffey) die für sie jeweils wichtigsten Projekte auswählen können. Bevor Geld fließt, will Giffeys Ministerium mit den 16 Ländern je einen Vertrag über die jeweiligen Ziele schließen.
Die Gebühren
Heute müssten Eltern oft 500, 600 oder 800 Euro pro Monat für die Kita ihrer Kinder zahlen, sagt Giffey. "Das ist eine Situation, die wollen wir so nicht." Es werde aber nicht alles für alle kostenlos.
Geplant ist, dass nicht nur wie heute Hartz-IV-Bezieher, sondern auch Geringverdiener mit Kinderzuschlag und Wohngeld befreit werden von Gebühren - insgesamt dann 1,2 Millionen Menschen. Dazu soll bundesweit eine soziale Staffelung der Gebühren Pflicht werden, und zwar nach Einkommen, Zahl der Kinder und Betreuungszeit.
Die Höhe der Gebühren bleibt aber Ländersache. Über diese Schritte hinaus sollen die Länder die Bundesmittel auch für weitere Gebührenfreiheit einsetzen können.
Länder wie Rheinland-Pfalz, Berlin, Niedersachsen, Brandenburg oder Hessen sind durch eine komplette oder teilweise Gebührenbefreiung bereits vorgeprescht. Die Union pocht darauf, "dass die Landesregierungen den Wählern nicht mit Hilfe des Bundes Beitragsfreiheit für alle versprechen und dann die Qualitätsentwicklung entgegen den Wünschen auch der Eltern und Experten auf der Strecke bleibt", wie ihr Familienexperte Marcus Weinberg (CDU) sagt.
Die Lage heute
Die Qualitätsunterschiede sind groß, wie die Bertelsmann Stiftung mit einer Studie im August zeigte. Eine pädagogische Fachkraft betreute zuletzt rechnerisch 9,1 Kindergartenkinder - fünf Jahre zuvor waren es 9,8 ganztagsbetreute Jungen und Mädchen ab drei Jahren.
In den Krippen hat sich der statistische Betreuungsschlüssel von 1 zu 4,8 auf 1 zu 4,3 Kinder verbessert. Doch die Experten empfehlen noch niedrigere Schlüssel. Seit 2015 stagniere die personelle Aufstockung in den Krippen zudem in elf Ländern, etwa in NRW, Hessen, Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen oder Thüringen.
Der Kita-Besuch hängt trotz Rechtsanspruch auch noch immer von der sozialen Stellung der Familien ab, so eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Je höher die Bildung der Mutter, die Erwerbstätigkeit der Eltern und je geringer das Armutsrisiko - desto eher gehen die Kinder in die Kita. "Manchmal scheitert es vermutlich schon daran, dass Familien gar nichts von ihrem Rechtsanspruch wissen", sagt DIW-Expertin C. Katharina Spieß.
Bedenken und Kritik
Vor allem an zwei Punkten entzündet sich Kritik am "Gute-Kita-Gesetz", nämlich dass das Bundesgeld nur befristet fließen soll. Und dass keine bundesweit einheitlichen Qualitätsstandards vorgesehen sind. Die Grünen-Chefin und Familienpolitikerin Annalena Baerbock fordert klare Standards und Zielvorgaben: "Mit zeitlich befristeten Geldgeschenken per Gießkanne schafft man keine verlässliche Qualität."
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, fordert Bundesmittel auch über 2022 hinaus.
Giffey nennt bundeseinheitliche Standards ein "langfristiges Ziel" und verspricht: "Ich werde alles dafür tun, dass wir über 2022 hinaus ein weiteres Engagement des Bundes schaffen können." Davor liegt 2021 allerdings noch eine Bundestagswahl. (mcf/dpa)
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