Bund und Länder sind bei der Krankenhausreform einen Schritt vorangekommen. Über den Sommer soll ein erster Gesetzentwurf entstehen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zeigt sich zufrieden. Doch komplett konnte er sich nicht gegen die Bundesländer durchsetzen.
Mehr Qualität in der Gesundheitsversorgung, weniger Bürokratie und weniger ökonomischer Druck: Mit diesem Versprechen wirbt Bundesgesundheitsminister
Am Donnerstag trat Lauterbach aber betont optimistisch vor die Presse. "Es war ein guter Tag heute für die deutschen Krankenhäuser, weil wir ein gutes Stück vorangekommen sind", sagte er nach einer neuen Verhandlungsrunde mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern.
Lauterbach will bessere Grundfinanzierung
Die Bundesregierung will einerseits die Finanzierung neu ordnen: Krankenhäuser finanzieren sich bisher weitgehend über sogenannte Fallpauschalen: Sie erhalten für jeden Eingriff (zum Beispiel für die Prostata-Operation eines Patienten) einen festen Betrag.
Die Abhängigkeit von diesen Fallpauschalen hat zur Folge, dass auch kleine Kliniken daran interessiert sind, möglichst viele Patienten auf- und Eingriffe vorzunehmen – weil sie so ihre Einnahmen sichern. Wenn zum Beispiel eine Prostata-Operation von einer Belegschaft durchführt wird, die mit diesem Eingriff wenig Erfahrung hat, steigt aber die Gefahr, dass der Eingriff nicht gut gelingt.
"Die Kliniken müssen aus dem Hamsterrad heraus: Bisher müssen sie immer mehr Eingriffe machen, um überhaupt überleben zu können", sagte Lauterbach im November im Interview mit unserer Redaktion. Deshalb will er vom reinen Fallpauschalen-System wegkommen und Krankenhäusern darüber hinaus eine Grundfinanzierung verschaffen. Sie soll künftig 60 Prozent der Klinikfinanzierung ausmachen.
Einteilung der Krankenhäuser in drei Levels
Umstrittener ist ein anderer Teil der Reform: Experten haben vorgeschlagen, alle Krankenhäuser in Deutschland künftig einem von drei Levels zuzuordnen:
- Level 1: Kleinere Krankenhäuser (etwa im ländlichen Raum), die nur eine Grundversorgung anbieten, also alltägliche Operationen oder eine Notfallversorgung
- Level 2: Schwerpunktkliniken, die sich neben der Grundversorgung auch auf bestimmte anspruchsvollere Leistungen und Eingriffe spezialisieren
- Level 3: Krankenhäuser mit einer "Maximalversorgung", zum Beispiel Universitätskliniken
Die Krankenhausreform sollte nach Vorstellung Lauterbachs vorgeben, welche Anforderungen ein Krankenhaus für die einzelnen Levels erfüllen muss. Für die Krankenhausplanung sind in Deutschland aber die Bundesländer zuständig – und die wehren sich gegen strikte Vorgaben aus Berlin in diesem Bereich. Der Widerstand ist besonders laut, wo CDU und CSU die Gesundheitsministerien leiten, etwa in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Gerade in ländlichen Regionen geht zudem die Angst um, dass eine Reform letztlich zur Schließung vieler kleiner Kliniken führt – also zu einem Krankenhaussterben. Lauterbach sieht das anders: Nicht mit, sondern ohne die Reform würden 25 Prozent der Krankenhäuser schließen müssen, sagte der Minister der "Bild-Zeitung". Vor allem kleinere Kliniken stehen durch sinkende Patientenzahlen, steigende Kosten und den Fachkräftemangel unter massivem Druck. Die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft (DKG) rechnet mit einer "Insolvenzwelle".
Viele Experten betonen: Deutschland brauche weniger, dafür aber bessere Krankenhäuser. Das sei durchaus im Sinne der Patienten, sagte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, im Interview zu "Deutschlandfunk". Wer zum Beispiel eine komplizierte Krebsbehandlung vor sich hat, wird diese nicht unbedingt im nächsten Kleinstadt-Krankenhaus machen lassen wollen – sondern einen längeren Fahrtweg zu einer Spezialklinik in Kauf nehmen.
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Bundesweite Übersicht: Wer kann was?
Klar wurde am Donnerstag, dass Lauterbach an seinem Reformkonzept Abstriche machen muss: Bei einer strengen Einteilung in die drei Levels werden die Bundesländer nicht mitmachen, betonte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Der Bund will alle deutschen Krankenhäuser zwar künftig einem von den drei Levels zuteilen. Die Länder wollen diese Einteilung für die eigene Krankenhausplanung aber nicht einfach übernehmen.
Besonders selbstbewusst trat am Donnerstag der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf. Vorbild für die bundesweite Reform soll jetzt die Krankenhausplanung seines Bundeslands sein: Für jede Klinik wird festgelegt, welche "Leistungsgruppe" sie in ausreichender Qualität erbringt. Eine Leistungsgruppe ist ein bestimmter medizinischer Fachbereich oder ein Eingriff: zum Beispiel eine Prostata-Operation oder der Ersatz eines Kniegelenks.
Krankenhausreform: Lauterbach verspricht mehr Transparenz
Diese Leistungsgruppen wollen Bund und Länder für ganz Deutschland einheitlich festlegen. Eine bestimmte Leistungsgruppe solle nur noch von einem Krankenhaus angeboten werden, das diese Leistung auch in Spitzenqualität erbringen kann, sagte Lucha. Lauterbach kündigte an: Nimmt eine Klinik einen Eingriff vor, zu dem sie nach den ihr zugeteilten Leistungsgruppen gar nicht berechtigt ist, werden die Kosten nach einer Übergangsphase nicht mehr übernommen.
Die bundeseinheitlichen Kriterien sind aus Sicht von Lauterbach deshalb ein Durchbruch, er sprach sogar von einer "Revolution" im Krankenhauswesen. Künftig sollen Patientinnen und Patienten für jede Klinik erkennen, welche Eingriffe sie in guter Qualität erbringen kann. "Das haben wir doch noch nie gehabt", sagte er am Donnerstag. Bis zum Sommer will er Eckpunkte vorlegen. Über den Sommer könnte dann ein erster Gesetzentwurf entstehen.
Verwendete Quellen:
- Pressekonferenz im Bundesgesundheitsministerium
- bild.de: Lauterbach warnt vor Kliniksterben
- dkgev.de: Krankenhaus-Insolvenzwelle rollt an
- deutschlandfunk.de: Ärztepräsident Klaus Reinhardt: Krankenhausreform ist "notwendig"
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