58 Mitglieder der Linken wollen die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht aus der Partei ausschließen. Sie reichten am Montag einen entsprechenden Antrag bei der Landesschiedskommission des nordrhein-westfälischen Landesverbandes ein. Unsere Redaktion spracht mit einer der Initiatorinnen.

Ein Interview

Wagenknecht habe mehrfache Aufforderungen der Parteivorsitzenden, sich von Parteineugründungsplänen zu distanzieren, sowie die Aufforderung des Parteivorstandes, ihr Mandat zurückzugeben, bislang missachtet. "Wir unterstreichen deshalb den Beschluss des Parteivorstandes vom 10. Juni 2023, dass die Zukunft der LINKEn eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht ist. Und wir beschreiten jetzt den formellen Weg dafür", erklärten Sofia Leonidakis, Linken-Fraktionschefin in Bremen, und Elif Eralp, Mitglied des Fraktionsvorstandes in Berlin, im Namen der Unterzeichnenden. Mit Letzterer sprach unsere Redaktion.

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Frau Eralp, Sie haben an diesem Montag einen Ausschlussantrag gegen Sahra Wagenknecht gestellt. Warum?

Elif Eralp: Es geht so einfach nicht mehr weiter. Die Linke hat seit mehreren Jahren Konflikte mit Sarah Wagenknecht. Ob im Bereich Migration, Klimapolitik oder bei sozialen Fragen – es gab immer wieder Verstöße gegen unsere Parteibeschlüsse und -positionen.

Konkurrenz-Partei, neuer Verein und rechte Ansichten

Warum stellen Sie diesen Antrag dann ausgerechnet jetzt?

Ausschlaggebend waren ihre jüngsten Aussagen über ihre Parteineugründung, über die sie bis zum Ende des Jahres entscheiden will. Und die Gründung des Vereins BSW, was ja wahrscheinlich für "Bündnis Sahra Wagenknecht“ steht. Wagenknecht sitzt zwar nicht selbst im Vorstand, dafür aber viele aus ihrem engsten Umfeld. Auch die Kernpunkte "Vernunft“ und "Gerechtigkeit“ deuten darauf hin, dass sie ein Konkurrenzprojekt vorantreibt.

Wo verstößt Wagenknecht aus Ihrer Sicht gegen Parteibeschlüsse zur Migration?

Regelmäßig überholt sie mit ihren Äußerungen rechte Positionen, wie die von CDU-Parteichef Friedrich Merz – etwa, dass Geflüchtete nur Sozialleistungen bekommen sollen, wenn sie Anspruch auf Asyl haben. Das haben aber die wenigsten. So etwas Menschenverachtendes hat aus den demokratischen Fraktionen bislang noch niemand gefordert. Solche Aussagen kommen ja fast wöchentlich von ihr. Damit muss nun endgültig Schluss sein.

"Wagenknecht ist nicht mehr Teil der Linken und soll auch nicht so wahrgenommen werden. Ihre Zukunft ist nicht mehr in der Partei."

Elif Eralp

Gregor Gysi fände einen Parteiausschluss von Sahra Wagenknecht völlig falsch. Er sagt: Die Linke braucht sie. Warum sehen Sie das anders?

Unsere Parteispitze hat bereits im Juni Wagenknecht dazu aufgefordert, ihr Mandat niederzulegen. Bisher ist das nicht geschehen. Deswegen wählen wir jetzt das letzte Mittel, das wir als Mitglieder haben und beantragen ihr Ende in der Partei. Es soll ein Signal an die Öffentlichkeit sein: Wir sind für den letzten Schritt bereit - den politischen und den ordnungsrechtlichen Bruch mit ihr. Wagenknecht ist nicht mehr Teil der Linken und soll auch nicht so wahrgenommen werden. Ihre Zukunft ist nicht mehr in der Partei. Denn sie vertritt Positionen, die nicht links und solidarisch sind, sondern unsozial und rechts.

Bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern hat die Linke krachende Niederlagen erlitten. Kommt Ihr Antrag nicht ein paar Tage zu spät?

Ob in Hessen, Bayern oder auch beim Berliner Wahlkampf – überall hat uns der Konflikt mit Wagenknecht massiv geschadet, das zeigen ganz deutlich Statistiken und Umfragen. Ständig gibt die Partei ein zerstrittenes Bild ab und Sahra Wagenknecht widerspricht der Parteispitze regelmäßig. Egal, ob die Leute ihre Positionen gut oder schlecht finden: Die Linke steht immer gespalten und zerstritten da. Das ist einfach nur unattraktiv für Wählende.

Es gab bereits Ausschlussanträge gegen Wagenknecht – ohne Erfolg. Warum sollte es diesmal funktionieren?

Das letzte Verfahren ist gescheitert, weil die Schiedskommission in Nordrhein-Westfalen zwar ein parteischädigendes Verhalten bei Wagenknecht festgestellt hatte, aber der Parteivorstand hatte sich damals nicht klar genug vom Inhalt des Buches "Die Selbstgerechten“ distanziert. Diese Argumentation ist jetzt hinfällig, weil der Parteivorstand die Äußerungen von Wagenknecht inzwischen klar verurteilt. Deswegen ist ein Ausschluss aktuell sehr wahrscheinlich. Ein Ausschluss aus der Bundestagsfraktion wäre der nächste konsequente Schritt, damit Wagenknecht nicht mehr auf unsere Kosten weiter ihre Parallel-Projekte vorantreibt.

"Will nicht mehr wie die Maus vor der Schlange stehen"

Löst sich das Problem von selbst, wenn es Anfang nächsten Jahres eine Wagenknecht-Partei gibt?

Genau wissen wir das nicht. Und ich will endlich nicht mehr wie die Maus vor der Schlange warten, bis Frau Wagenknecht sich entscheidet. Eine Partei-Neugründung ist wahrscheinlich erst im Januar möglich, wegen der finanziellen Unterstützung. So lange zu warten, finde ich absolut falsch. Vielleicht hat sie bis dahin nicht mehr genug prominente Unterstützung, gründet doch nicht – und sitzt dann schön weiter auf dem Mandat.

Die Linke steckt mindestens seit der Bundestagswahl in einer Krise. Glauben Sie wirklich, dass sich die Probleme lösen, wenn Sahra Wagenknecht nicht mehr da ist?

Nein, dadurch werden nicht alle unsere Probleme weg sein. Aber wenn ich beispielsweise an der Basis in Berlin-Friedrichshain mit Genossinnen über Positionen streite, etwa zur Flüchtlingspolitik, dann können wir darüber diskutieren und kommen hoffentlich zu gemeinsamen Lösungen. Anders bei Wagenknecht: Sie verbreitet ihre rechts-konservativen Ansichten über die Presse und bei Markus Lanz, anstatt intern nach Lösungen zu suchen. Auch Klaus Ernst oder Sevim Dagdelen, die ja öffentlich ähnliche Positionen wie Wagenknecht vertreten, könnten Ausschlussverfahren drohen, wenn unser Vorstoß erfolgreich ist.

Über die Gesprächspartnerin:

  • Elif Eralp ist Juristin, Linke-Politikerin und Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Sie ist Sprecherin für Migration, Partizipation und Antidiskriminierung und Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen.



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