- Seit Jahren versprechen die Parteien mehr Transparenz beim Thema Lobbyismus.
- Die Masken-Affäre um den Bundestags-Abgeordneten Georg Nüßlein hat für neuen Druck gesorgt.
- Ein Transparenz-Experte sagt: Den Schwarzen Peter hat die Union - Deren Fraktionsgeschäftsführer kontert: "Wir haben schon viel früher die Initiative ergriffen".
Für ein "spannendes und vielversprechendes Investitionsvorhaben" setzte sich im Herbst 2018 der CDU-Bundestagsabgeordnete
2020 flog die Sache auf, Amthors CDU-Karriere stoppte vorübergehend. Obwohl der Jungpolitiker nicht gegen Gesetze verstoßen hatte und die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ohne Anklage einstellte, wurde sein Verhalten auch in der eigenen Partei als schwer vermittelbar gesehen.
Prompt lenkte die Union an anderer Stelle ein: Bei den Verhandlungen um die gesetzliche Einführung eines Lobbyregisters hatte die Partei bis zum Fall Amthor als Bremser gegolten, nun sagte sie eine Regelung bis zum Herbst vergangenen Jahres zu. Ermöglicht werden sollte damit die Erstellung einer Datenbank, die alle beim Bundestag tätigen Lobbyisten und deren Aktivitäten erfassen würde.
Nach Amthor wurde es wieder still
Doch dann wurde es erneut still um das Vorhaben. Und erst jetzt, nachdem weitere CDU-Abgeordnete der Selbstbereicherung bezichtigt werden, nachdem sich dies auch auf die Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg auswirkte, nachdem die Umfrageergebnisse für die Union bundesweit im Sinkflug sind – erst jetzt scheint es mit dem Lobbyregister mal wieder voranzugehen.
Allerdings wird in dem Gesetzesentwurf möglicherweise nicht alles stehen, was Kritiker und Fachleute notwendig finden. "Die Union hat wieder nicht mitgemacht", sagt Roman Ebener, Lobbyismus-Experte bei der Internetplattform "Abgeordnetenwatch", die es sich zum Ziel gemacht hat, Nebentätigkeiten und Abstimmungsverhalten von Abgeordneten einsehbar zu machen. Auf dem Weg durch die Ministerien wurde das Gesetzesvorhaben zum Lobbyregister zunächst von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) gebremst: Aus ihrer Sicht fehlte im Entwurf der sogenannte "exekutive Fußabdruck".
Dieses Instrument soll bewirken, dass das Register nicht nur Lobbyisten-Kontakte mit Abgeordneten dokumentiert, sondern auch deren Beratung und Einfluss bei Gesetzgebungsvorhaben der Regierung. Bei jedem Gesetz soll sich zukünftig nachverfolgen lassen, welche nicht zum Bundestag gehörenden Berater an der Entstehung beteiligt waren. Eine Regelung, die der Union zu weit geht.
Gescheitert am "politischen Unwillen"
Seit zehn Jahren stehe das Thema Lobbyregister regelmäßig auf der Agenda der Regierungen, sagt Experte Ebener. Gescheitert sei das Projekt immer "an politischem Unwillen". Und einmal mehr liege nun der "Schwarze Peter" bei CDU und CSU. Nach dem momentanen Stand der Verhandlungen werde aus dem Projekt Lobbyregister ein wirkungsloses Papier: "Das wäre einfach eine Namensliste, eine Aufzählung der Lobbyisten ohne Transparenz – man erfährt nicht, was die außerparlamentarischen Interessensvertreter machen, mit wem sie sich treffen."
In der Union sieht man das Problem naturgemäß anders. Patrick Schnieder, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, betont, die Initiative zum Lobbyregister sei von der Union ausgegangen. Das Projekt habe zwar 2017 in den Sondierungsgesprächen zum dann gescheiterten Jamaikabündnis gestanden – nicht aber im Koalitionsvertrag der großen Koalition aus CDU und SPD. Ende 2019 sei seine Fraktion mit dem Thema trotzdem auf die SPD zugegangen. Aus vielerlei Gründen hätten sich weitere Gespräche bis in den Sommer 2020 hinein verzögert.
Dass zur selben Zeit über Philipp Amthor diskutiert wurde, sei reiner Zufall. Ohnehin habe die Causa Amthor "null mit dem Lobbyregister zu tun". Ebenso wenig wie die derzeitige Maskenaffäre oder auch Vorwürfe gegen die CDU-Abgeordneten Karin Strenz, Mark Hauptmann und Axel Fischer wegen deren Lobbyarbeit für die Regierung von Aserbaidschan.
Union fordert transparenzfreie Räume
Dass der Union manche Erwartungen an Transparenz im Tagesgeschäft der Abgeordneten viel zu weit gehen, hatte Schnieder in einem Gastbeitrag für die "FAZ" deutlich gemacht. Dort forderte er "das klare Bekenntnis, dass politische Prozesse auch geschützte Räume benötigen, in denen Transparenz verweigert werden kann und muss."
Diese Meinung könne er "keinesfalls teilen", sagt Lobby-Experte Ebener. Weder gehe es darum, "dass bei jedem Gespräch jemand dabeisitzen muss", noch müssten Abgeordnete und Regierungsmitarbeiter "sämtliche Dokumente auf den Tisch legen". Allerdings sei ein "Recht auf Information", unverzichtbar, wenn es um geschäftliche Interessen und öffentliche Gelder gehe: "In der Demokratie gehört die Stimme den Bürgern, nicht den Unternehmen."
Auch CDU Wähler mit großer Mehrheit fürs Lobbyregister
Dass für die konservativen Schwesterparteien die Zeichen derzeit auf Sturm stehen, dass nahezu täglich CDU- und CSU-Abgeordnete von Ämtern zurücktreten, dass die Staatsanwaltschaft zuletzt das Landtagsbüro des bayrischen Abgeordneten Manfred Sauter durchsuchte, zeigt deutlich, dass die Union zu spät reagiert hat. "Schon 2014", so der Experte, habe der Europarat angemahnt, dass beim Thema Lobbyismus Regelungsbedarf bestehe.
"Die CDU war seither durchgehend in der Regierungsverantwortung, hat den Auftrag aber nicht angenommen." Dass Handlungsbedarf besteht, hat die Union mittlerweile erkannt – auch im Hinblick auf ihre eigenen Wähler: Ein von Abgeordnetenwatch beim Meinungsforschungsinstitut infratest dimap in Auftrag gegebene Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass drei Viertel der Bevölkerung der Forderung zustimmen, "in einem frei im Internet zugänglichen Register Lobbyisten und deren Treffen mit Politikern zu veröffentlichen". Auch 70 Prozent der CDU-Anhänger stimmen dem Vorschlag zu.
Verwendete Quellen:
- Abgeordnetenwatch.de: Checkliste Lobbyregister
- Abgeordnetenwach.de: Lobbyismus in Deutschland. Studie, April 2019
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