Bei der Polizei Leipzig gibt es einen Maulwurf. Jemand hat der Leipziger NPD interne Polizeidokumente zugespielt, die Klarnamen von mutmaßlichen Linksextremisten enthalten. Es ist nicht das erste Mal, dass der Polizei vorgeworfen wird, mit Rechten gemeinsame Sache zu machen.
Erneut rückt die Polizei Leipzig wegen einer undichten Stelle in den öffentlichen Fokus. Bei den Beamten gibt es einen Maulwurf. So sind interne Polizeiinformationen über mutmaßliche Linksextreme im Vorfeld der Legida-Kundgebung bei Rechten gelandet.
Dies bestätigte uns Polizeisprecher Andreas Loepki im Gespräch. Dabei handelt es sich um einen Bericht zu einer Verkehrskontrolle vom Montag.
Dem Sprecher zufolge hatte die Polizei ein Auto in der Nähe von Grimma kontrolliert. Die Insassen – einige davon "aktenkundige Linksextremisten" – waren offensichtlich Richtung Leipzig unterwegs. Die Polizei vermutete, dass sie zu den Leipziger Montags-Demos von Legida wollten.
Nach Angaben der Polizei wurden im Auto mehrere Waffen gefunden. Sichergestellt wurde eine Gasdruckpistole, mehrere Reizgassprays, eine Schussweste, ein Schlagstock, ein Brecheisen, Böller und Funkgeräte sowie ein Kanister Diesel. Außerdem lagen im Kofferraum Steine.
Ein Foto des Berichtes zur Verkehrskontrolle spielte anschließend jemand aus Polizeikreisen der Leipziger NPD in die Hände – und offenbar auch dem Legida-Bündnis.
NPD twittert Foto von Polizeibericht
Der Fall wurde öffentlich, weil die NPD Leipzig am Montag ein Foto twitterte, das einen Computerbildschirm der Polizei zeigt. Darauf zu sehen: der Polizeibericht mit Klarnamen der "aktenkundigen Linksextremisten".
Die Polizei Leipzig bestätigte uns die Echtheit des Dokumentes. Sie ermittelt nun wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht nach Paragraph 353B des Strafgesetzbuches.
Bei vorsätzlichem Verhalten kann dies bis zu fünf Jahren Gefängnis bedeuten sowie disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen.
Der Tweet der NPD ist bei Twitter nicht mehr auffindbar. Wie die "Leipziger Volkszeitung" berichtet, soll das Dokument später auch auf dem Twitter-Kanal von Legida aufgetaucht sein. Auch ein Foto von den Gegenständen, die die Polizei sicherstellte, sei veröffentlicht worden.
Nun sucht die Polizei nach den Maulwurf. Zugriff könnte innerhalb der Polizeidirektion jeder gehabt haben. Darüber hinaus gibt es offenbar weitere Zugangsberechtigte. "Wir prüfen jetzt den Vorgang. Und wir sind in der Lage nachzuvollziehen, welche Kollegen Zugang hatten", sagte Loepki.
Danach müsse festgestellt werden, ob das Abbild des Dokumentes von der Polizei an die NPD übermittelt wurde oder über Dritte.
Politiker empört
"Die Weitergabe interner Polizeidokumente mit Klarnamen von Personen an Dritte, zudem noch an die NPD, ist ein handfester Skandal", empörte sich der Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann.
"Es ist umso fataler, als es ist nicht das erste Mal ist, dass aus der Polizei Informationen an Privatpersonen weitergegeben werden, die dies politisch für sich nutzen. Erst im September waren Informationen zu aktuellen Ermittlungsverfahren von der Polizei an Pegida gegangen."
Allerdings befürchtet der Grünen-Politiker, dass sich Innenminister Markus Ulbig (CDU) diesen Fällen nicht mit Nachdruck widmet. Lippmann habe diesbezüglich bereits im September nach den Ermittlungsverfahren und den Maßnahmen gefragt. Allerdings habe er nur ausweichend Antwort erhalten.
Zudem waren im Mai letzten Jahres gegen die Polizei Leipzig schwere Vorwürfe im Zusammenhang mit Neonazi-Kontakten erhoben wurden. Mehrere Beamte outeten sich offenbar durch rechtsextreme und islamfeindliche Äußerungen.
Bekannt gemacht hatte dies das Internetportal "Indymedia Linksunten". Linksaktivisten hatten anonym Screenshots mit Whatsapp-Nachrichten ins Netz gestellt, die offenbar vom gestohlenen Handy des vorbestraften Leipzigers Alexander K. stammen sollen.
Ein Bereitschaftspolizist soll mit dem Neonazi in engem Kontakt gestanden haben.
Polizisten mit Kontakten in rechte Szene
Der Beamte soll unter anderem rechte Parolen geschrieben haben. "Hier marodieren schon wieder linke Gutmenschen", zitiert die "Freie Presse". Ein anderer Polizist soll im Chat den kodierten Hitlergruß "88" benutzt haben.
Doch nicht nur die Leipziger Polizei gerät in die Kritik, auch der sächsische Verfassungsschutz muss sich erklären. Vier Wochen nach schweren Krawallen von Linksautonomen hatten am Montag mehr als 200 Vermummte im Leipziger Stadtteil Connewitz randaliert. Die Aktion war geplant.
Sie warfen mit Pflastersteinen die Schaufensterscheiben von Geschäften ein und zündeten Pyrotechnik. Fünf Beamte sind verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher. Ein Großaufgebot setzte die Schläger, darunter laut Polizei bekannte Hooligans und Rechtsextremisten, fest.
Der Staatsanwaltschaft Leipzig zufolge wird gegen 211 Verdächtige wegen des Verdachts des besonders schweren Landfriedensbruchs ermittelt.
Krawalle mit Ansage
"Wie kann es sein, dass ein Mob von 250 gewaltbereiten Nazis Connewitz zerstört, ohne dass der Verfassungsschutz vor dieser rechten Gefahr warnt?", fragte die sächsische SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe.
Die Grünen-Fraktion forderte sogar den Rücktritt von Verfassungsschutz-Präsident Gordian Meyer-Plath.
Kolbe zufolge hatten Rechtsextremisten vorher bundesweit massiv mobilisiert. Aber der Verfassungsschutz wolle davon nichts gemerkt haben, erklärte die SPD-Generalsekretärin. Tatsächlich wurde in sozialen Netzwerken unverblümt zum "Sturm auf Leipzig" aufgerufen.
Verfassungsschutz in der Kritik
Der Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann sagte, es sei nicht die erste massive Fehleinschätzung des Verfassungsschutzes. Schon nach den autonomen Krawallen vom 12. Dezember 2015 in Leipzig hatte es Kritik am Verfassungsschutz gegeben.
Damals hatte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) gesagt, die Lageeinschätzung, die die Behörde vorab an die Stadtverwaltung gegeben habe, hätte jeder in fünf Minuten im Netz recherchieren können.
Verfassungsschutz-Sprecher Martin Döring nannte die Kritik unbegründet. Das Landesamt habe die Polizei bereits am vergangenen Freitag informiert, dass aufgrund der Mobilisierungsaufrufe "mit der Teilnahme von zahlreichen Rechtsextremisten, insbesondere aus dem subkulturellen, gewaltbereiten Milieu und der Hooligan-Szene zu rechnen" sei. Demnach hieß es in der Lageeinschätzung, dass "auch gewaltsame – Ausschreitungen zu befürchten sind". (mit Agenturmaterial von dpa)
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