• Der Ökonom Max Otte ist zum neuen Vorsitzenden der Werteunion gewählt worden.
  • Der Verein ist kein offizieller Teil der Parteistrukturen von CDU und CSU.
  • Wegen seiner konservativen Positionen ist Otte selbst unter Mitgliedern der Werteunion umstritten.
Eine Analyse

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Viele Mandatsträger von CDU und CSU hatten es in den vergangenen Tagen sehr eilig damit, über verschiedenste Social-Media-Kanäle etwas klarzustellen: Die Werteunion ist kein Teil der Union. Sie ist ein Verein, den keine der beiden Schwestern als offizielle Parteigruppierung anerkennt.

Das war relevant geworden, weil die Werteunion einen neuen Vorsitzenden gewählt hat: den Ökonomen Max Otte. Der ist seit 1990 CDU-Mitglied, in den vergangenen Jahren aber hauptsächlich damit aufgefallen, Positionen weit rechts der Union zu vertreten. Vor der Bundestagswahl 2017 sagte er in einem Interview mit der "Wirtschaftswoche" über seine persönliche Wahlpräferenz: "Mein Gewissen zieht mich zur AfD."

Zuletzt war Otte Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Als solcher wurde er vom AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla, nebst Gratulation zur gewonnen Wahl, via Twitter verabschiedet: "Schade, dass wir Prof. Otte im Kuratorium der Erasmus-Stiftung verloren haben."

Bemerkenswert ist die Wahl auch insofern, als die Werteunion selbst noch vor zwei Jahren Ottes Eignung als CDU-Mitglied infrage gestellt hatte. Nachdem der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten ermordet worden war, kommentierte Otte bei Twitter: "Es sieht alles so aus, dass der #Mörder ein minderbemittelter #Einzeltäter war, aber die #Medien hetzen schon jetzt gegen die 'rechte Szene', was immer das ist." Die Werteunion erklärte daraufhin: "Wer für Werte steht, muss diese auch zu verteidigen wissen. Wir fordern deshalb die CDU-Zentrale auf, einen Parteiausschluss von Max Otte zu prüfen."

Wofür die Werteunion steht

Gegründet wurde die Werteunion - Eigenschreibweise: WerteUnion - 2017 als Verein unter dem Namen Freiheitlich-Konservativer Aufbruch und der Devise, den "konservativen Markenkern" der Unionsparteien zu repräsentieren. Die meisten der etwa 4.000 Mitglieder haben laut Vereinsangaben auch ein CDU- oder CSU-Parteibuch.

Was die Werteunion unter "freiheitlich-konservativ" versteht, hat sie in ihrem "Konservativen Manifest" 2018 skizziert. Die "Masseneinwanderung" seit 2015 sei "rechtswidrig und falsch" gewesen, heißt es dort etwa. Sie müsse daher "rückgängig gemacht werden". Als dicht besiedeltes Industrieland sei Deutschland "ungeeignet zur Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen".

Familienpolitisch sei das Modell Vater, Mutter, Kinder ein elementarer Grundpfeiler und grundsätzlich müsse die Union wieder die "auf dem Christentum fußenden Überzeugungen im politischen Alltag" umsetzen.

Diese und viele weitere Ziele sollen laut dem Manifest "gemeinsam" mit den "Mutterparteien CDU und CSU" erreicht werden. Dass die Werteunion nach der Wahl Ottes zum Vorsitzenden noch viel mit den Unionsparteien gemein hat, glauben offenbar aber selbst viele ihrer Mitglieder nicht mehr. Denn nicht nur erhielt Otte in der Bundesversammlung gerade einmal 115 der möglichen 223 Stimmen. Direkt nach der Wahl brach sich auch der Unmut vieler Vereinsmitglieder deutlich Bahn.

Die Landesverbände der Werteunion aus Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt wollen vorerst keine Kandidaten mehr für Ämter im Bundesvorstand entsenden. In einer Mitteilung des bayerischen Landesverbandes, aus der die Deutsche Presse-Agentur (dpa) zitiert, heißt es: "Die Frage einer Spaltung oder Auflösung der WerteUnion liegt jetzt allein in der Hand von Max Otte und dem unter mehr als ungewöhnlichen Umständen neu gewählten Bundesvorstand der WerteUnion." Otte wurde in dem Schreiben direkt zum Rücktritt aufgefordert.

Bekannte Werteunionisten lassen Mitgliedschaft ruhen

Druck auf den neuen Vorsitzenden hat mittlerweile auch sein Vorgänger Alexander Mitsch gemacht. Zwar stehe er, so Mitsch, weiterhin zur Gründungsidee der Werteunion. Aber: "Einen radikalen Kurswechsel durch den neuen Vorstand würde ich nicht mitgehen und lasse meine Mitgliedschaft daher vorerst ruhen."

Mitsch hatte seinen Rückzug vor Monaten noch mit dem "jahrelangen, verheerenden Linkskurs" der CDU begründet. Das aus seiner Sicht andauernde Versagen bei der Begrenzung und Steuerung der Einwanderung, die zu geringe Gewichtung der Freiheitsrechte in der Coronakrise oder etwa die mehrheitliche Zustimmung zur europäischen Schuldenunion machten es ihm unmöglich, "mich mit Überzeugung für die CDU in ihrer jetzigen Ausrichtung zu engagieren".

Auf Distanz ging auch ein anderer bekannter Werteunionist: Hans-Georg Maaßen, früherer Präsident des Verfassungsschutzes und nun ob seiner Positionen in der Parteispitze mit Sorge beäugter CDU-Bundestagskandidat in Südthüringen. Er verfolge die weitere Entwicklung des Vereins mit Sorge, schrieb Maaßen bei Twitter, und fürchte, dass er seine "Aufgabe nicht mehr so ausfüllen kann, wie ich es mir vorstelle. Ich werde genau beobachten, wie sich die WU entwickelt und lasse daher meine Mitgliedschaft ruhen".

Den neu gewählten Vorsitzenden ficht all das bisher offenbar nicht an. Max Otte will laut eigener Aussage nun das Gespräch mit CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet suchen und ihm die Unterstützung der Werteunion anbieten. In seiner Antrittsrede am Sonntag erklärte Otte: "Wir sind das Gewissen der CDU. In dieser Rolle ist man nicht immer beliebt."

Und dann hatte er noch eine Botschaft dabei, die in Laschets Ohren eher wie eine Drohung klingen dürfte: "Wenn die Mutterpartei uns nicht ernst nimmt oder zu diskreditieren versucht, wird sich das sehr nachteilig auf die Wahlergebnisse auswirken."

Verwendete Quellen:

  • Konservatives Manifest der WerteUnion e.V. für Deutschland; abgerufen am 31.5.2021
  • dpa
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