- Eine Transparenzplattform fragt beim Kanzleramt vergeblich Details zu zwei Gesprächen an, eins davon kurz nach der Bundestagswahl 2021.
- Als Begründung nennt das Amt "mögliche nachteilige Auswirkungen auf Belange der inneren oder äußeren Sicherheit".
- Auch der jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz sei im Fall einer Veröffentlichung gefährdet, so die Behauptung.
Worum geht es?
Durch eine Anfrage des früheren Bundestagsabgeordneten Fabio de Masi (Linke) wurde im vergangenen Jahr bekannt, dass sich Ex-Bundeskanzler
Die Transparenzplattform "abgeordnetenwatch.de" wollte wissen, was
Was passierte dann?
Das Kanzleramt lehnte Ende 2020 ab mit der Begründung, es würden "keine Dokumente" vorliegen. Abgeordnetenwatch legte Widerspruch ein und forderte Kalendereinträge zu den Gesprächen an, was in der vergangenen Woche nun ebenfalls zurückgewiesen wurde. Ein Anspruch auf Herausgabe bestehe nicht, "wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf Belange der inneren oder äußeren Sicherheit haben kann", so die Aussage in dem entsprechenden Bescheid.
Das gelte auch für die Vergangenheit, "weil sich aus dem Terminkalender der Bundeskanzlerin über einen derart langen Zeitraum hinweg eine Art Bewegungsprofil (...) erstellen lässt". Zudem sei den Angaben zufolge auch
Ist die Begründung glaubhaft?
"Unsere Anfrage bezieht sich nur auf die Einträge zu zwei konkreten und ohnehin bekannten Treffen, daraus lässt sich also ganz sicher kein Bewegungsprofil erstellen", sagt Martin Reyher von Abgeordnetenwatch.
Die Seite ist ein Projekt des als gemeinnützig eingestuften Vereins Parlamentwatch. Ob dieser eine Klage gegen das Kanzleramt einreichen wird, steht noch nicht fest. Aus den Einträgen, die manchmal die einzigen verfügbaren Dokumente zu solchen Treffen sind, erhofft sich die Plattform vor allem Angaben zu möglichen Gesprächsinhalten - etwa für den Fall, dass das konkrete Thema mit angegeben wurde.
Wie transparent ist die Bundesregierung allgemein?
"Es passiert oft, dass wir Dokumente zu bestimmten Terminen über das Informationsfreiheitsgesetz anfragen und dann eine Ablehnung kommt mit der Begründung, es gebe keine 'amtlichen Aufzeichnungen' dazu", sagt Reyher. Das Kanzleramt soll Abgeordnetenwatch eigenen Angaben zufolge "wiederholt in die Irre geführt" haben.
Im Fall eines Schreibens der bayerischen Staatskanzlei, in dem es um Forderungen von BMW in Sachen Abgasregulierung ging, habe es 2017 beispielsweise behauptet, es könne es nicht finden. Nachdem der Verein das Kanzleramt mit einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" über das Dokument konfrontierte, sei es "eingeknickt oder hat noch mal 'ganz genau'' in den Akten nachgeschaut und das Lobbyschreiben dann gefunden", so Reyher.
Bei Ministerien wiederum werde gerne mal gesagt, es gebe keine Unterlagen zu Treffen, da diese nicht protokolliert würden. "So hatte das Bundesverteidigungsministerium vor einiger Zeit einen Kalendereintrag (…) herausgegeben, der eine Verabredung des Rheinmetall-Lobbyisten und früheren Verteidigungsministers Franz-Josef Jung (CDU) mit zwei Verteidigungsstaatssekretären in einem Restaurant am Berliner Kurfürstendamm belegt", heißt es in dem Zusammenhang auf abgeordnetenwatch.de. Das Ministerium hatte zuvor mitgeteilt, es gebe keine sonstigen Unterlagen dazu.
Reyher vermutet, dass bestimmte Dokumente sozusagen gesammelt werden, um sie vor Anfragen der Öffentlichkeit zu schützen. Ein Beamter nannte das im "Spiegel" einmal einen "Giftschrank", der seit Einführung des IFG 2006 größer geworden sei.
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Was zeigt der Fall?
Es kommt bei Transparenz auf die Definition an. Offiziell angefordert werden dürfen laut Informationsfreiheitsgesetz "amtliche Informationen". Es kann sein, dass ein Ministerium etwas nicht als amtlich einstuft und entsprechend nicht "veraktet", also keine sogenannten Aktenvorgänge dazu erstellt. Als Beispiel nennt Reyher die SMS von Angela Merkels Handy, deren Herausgabe mehrfach abgelehnt wurde, gerichtlich zuletzt etwa im Dezember 2021 nach einem Eilantrag von "FragDenStaat".
Die "Welt" berichtete zu dem Thema 2018 unter dem Titel "Regieren ohne Spuren" und schrieb, Merkel wisse, "wie sie die strengen Regeln umgehen kann". Es gibt auch sogenannte Non-Paper, die von Behörden nicht als offizielles Schriftstück behandelt und deswegen leichter geheim gehalten werden können.
Ebenfalls ausgenommen vom IFG sind laut Gesetzestext "Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen" – etwa solche, die ein Verwaltungsmitarbeiter als Gedanken- oder Erinnerungsstütze angefertigt hat. "Was eine 'Gedankenstütze' ist und was nicht, ist natürlich Auslegungssache", sagt Martin Reyher. Bei Lobbykontakten werde seinem Eindruck nach zudem versucht, ganz auf Schriftliches zu verzichten. Deshalb hätten große Konzerne ein Interesse daran, ehemalige hochrangige Personen aus der Politik zu beschäftigen. "Da wird dann der persönliche Kontakt wichtig: Man ruft einfach kurz bei einem Minister oder dem Bundeskanzler an."
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Martin Reyher von Abgeordnetenwatch
- Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG)
- Abgeordnetenwatch.de: Kanzleramt verweigert Herausgabe von Kalendereinträgen zu Schröder-Gesprächen mit Merkel
- Abgeordnetenwatch.de: Regierung räumt fehlende Dokumente zu brisanten Lobbytreffen ein
- FragDenStaat.de: Eilantrag abgelehnt: Was passiert mit Merkels SMS?
- Welt.de: Regieren ohne Spuren
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