Die Mietpreise in Deutschland kennen vor allem eine Richtung: Nach oben. Justizministerin Katarina Barley will dagegen unter anderem mit einer verschärften Mietpreisbremse vorgehen. Auch mehr Transparenz verspricht ihr Gesetzentwurf. Kritiker aber meinen: Was auf dem Papier steht, wird in der Realität nicht greifen.
In aller Regel sind die Münchener und Frankfurter stolz auf ihre Städte. Eine Ausnahme dürfte ihre Platzierung in der Rangliste der "Städte mit den höchsten Mietpreisen für Wohnungen" in Deutschland bilden: Dort belegen die Großstädte noch vor Hamburg, Berlin und Stuttgart die ersten beiden Plätze. Ganze 19,28 Euro Miete kostete aktuell ein Quadratmeter in München im Durchschnitt.
Justizministerin
Ein Kampf gegen den Preisboom ist dringend notwendig – handelt es sich laut eigener Aussage der Sozialdemokratin doch um die "soziale Frage unserer Zeit".
Große Töne im Koalitionsvertrag
Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD bereits festgestellt: "Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum gerade in wachsenden Städten und Ballungsräumen ist groß. Die steigenden Mieten und Kaufpreise belasten die Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen zunehmend." Mit großen Tönen wurde angekündigt: "Wir sorgen für bezahlbare Mieten."
Union und SPD hatten sich in leicht verklausulierter Sprache schon auf eine "Verlängerung des Bindungszeitraums des qualifizierten Mietspiegels", die "Absenkung der Modernisierungsumlage auf 8 Prozent", und eine "Kappungsgrenze für Erhöhung von Mieten bei Modernisierungsmaßnahmen" verständigt.
Auch von einer "gesetzlichen Auskunftspflicht des Vermieters bezüglich der Vormiete" war im Koalitionsvertrag bereits die Rede.
Abgeschwächte Version
Die Vorschläge, die Barley nun macht, unterscheiden sich kaum von diesen Punkten. Vonseiten der Union kam nach Veröffentlichung der Pläne aber Kritik: Einerseits, weil die Sozialdemokraten den Gesetzesentwurf an die Medien weitergegeben hatten, andererseits, weil den Christdemokraten der Inhalt des Papiers zu weit geht.
Dabei ist der Gesetzesentwurf bereits eine abgeschwächte Version der ursprünglichen Forderungen: In puncto "Modernisierungsumlage" ist Ministerin Barley zurückgerudert.
Zwar sollen Vermieter wie geplant nur noch 8 statt 11 Prozent der Modernisierungskosten auf den Mieter umlegen dürfen, allerdings gilt das nicht im gesamten Bundesgebiet: Die Verschärfung bezieht sich nur auf Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt.
In dem der "dpa" vorliegenden Gesetzentwurf ist dabei von Gebieten, "in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist" die Rede. In allen anderen Gebieten gelten weiterhin die 11 Prozent.
Falsche Signalwirkung
Für den Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, ist das lediglich eine "homöopathische Verbesserung". Siebenkottens Forderung: "Notwendig ist die Absenkung der Modernisierungsumlage auf 11 auf 4 Prozent und eine absolute Obergrenze bei Modernisierungsmieterhöhungen von 1,50 Euro pro Quadratmeter und Monat."
Ganz anders sieht das der Spitzenverband der privaten Wohnungswirtschaft "Haus & Grund". Der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer befürchtet eine falsche Signalwirkung. "Die Klimaschutzziele der Bundesregierung, die eine Modernisierungsquote von 2 Prozent vorsehen, werden so nicht erreicht, die privaten Immobilieneigentümer weiter verunsichert."
"Barley knickt ein"
Auch seitens der Politik kam Kritik: Die wohnungspolitische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, Caren Lay, sagte: "Statt die Umlage ganz abzuschaffen, knickt Bundesjustizministerin Barley in ihrem neuen Gesetzentwurf zur Mietpreisbremse ein."
Barley will noch mit einer weiteren Änderung die Mieter vor Mieterhöhungen schützen: Sie fordert eine Kappungsgrenze für Mieterhöhungen wegen Modernisierung. Demnach dürften innerhalb von 6 Jahren nach Abschluss einer Modernisierung höchstens 3 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhoben werden.
Geldbußen von bis zu 100.000 Euro
In dem Papier heißt es laut "Spiegel Online" zur Begründung, dass Mieter somit "besser beurteilen können, ob sie sich die Miete für ihre Wohnung in den kommenden Jahren noch leisten können", wenn sie "von vorneherein wissen, bis zu welchem Betrag die Miete im Höchstfall ansteigen kann".
Auch vor Modernisierungen, die mit der Absicht durchgeführt werden, Mieter loszuwerden, will Barley Mieter künftig schützen. Bereits missbräuchliche Ankündigen seitens der Vermieter sollen als Ordnungswidrigkeit gelten und mit Geldbußen von bis zu 100.000 Euro geahndet werden. Gleichzeitig erhalten Mieter in solchen Fällen Anspruch auf Schadenersatz.
Siebenkotten fürchtet: "Die Regelungen sind gut gemeint, werden aber sicherlich nur in Einzelfällen zur Anwendung kommen können, da die Absicht des Herausmodernisierens nur schwer nachweisbar sein dürfte."
Mehr Transparenz für Mieter
Die geplante generelle Auskunftspflicht für Vermieter, die 10 Prozent oder mehr auf die ortsübliche Miete aufschlagen wollen, dürfte noch für Streit sorgen: Laut Entwurf sollen Vermieter zu mehr Transparenz verpflichtet werden und künftig noch bevor ein Mietvertrag unterschrieben ist eine Begründung für die unüblich hohe Miete liefern.
Davon erhofft sich Barley eine abschreckende Wirkung auf Eigentümer und Hausverwaltung. Außerdem sollen Mieter durch die erweiterte Informationslage in Zukunft besser einschätzen können, ob sich der Vermieter an die Mietpreisbremse hält.
Inakzeptabler Sanktionscharakter
Während der Geschäftsführer des DMB, Ulrich Ropertz, sich über mehr "Transparenz" freut, sieht der Spitzenverband der privaten Wohnungswirtschaft in der erweiterten Auskunftspflicht "einen nicht hinnehmbaren Sanktionscharakter".
Auch der Union geht die generelle Auskunftspflicht aber zu weit. So kritisierte der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jan-Marco Luczak bereits im Juni: "Dass die Bundesjustizministerin daraus nun eine generelle Auskunftspflicht macht und zukünftig Vermieter allumfassend über Höhe und Grund der verlangten Miete unaufgefordert Auskunft geben müssen, schießt weit über das Ziel hinaus."
Luczak plädierte dafür, dass die Auskunftspflicht nur greife, wenn die Vormiete bereits 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete lag.
Theorie vs. Praxis
Dr. Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School, sagt in Bezug auf die Auskunftspflicht: "In der Theorie eine schöne Idee, in der Praxis aber zum Scheitern verdammt. Wer eine Wohnung wirklich haben möchte, wird sich kaum bei den ersten Kontakten mit dem Vermieter beschweren", so der Wirtschaftswissenschaftler.
Solle das Instrument effektiv sein, müsse man mit generellen Automatismen arbeiten.
Vornholz verweist auf einen Bereich, in dem es sich ähnlich verhält: "Die Auskunftspflicht wird genauso wirkungslos sein wie der Energieausweis", fürchtet er. "Mieter bestehen in aller Regel nicht darauf, wenn sie Wohnung unbedingt haben wollen", weiß der Experte aus der Praxis.
Rügen wird leichter
Barleys Entwurf macht es Mietern auch leichter, eine zu teure Miete zu rügen. Im Gespräch mit der "Süddeutschen" äußerte Barley: "Wenn der Vermieter mehr verlangt als die Mietpreisbremse erlaubt, weil er sich auf eine höhere Vormiete beruft, so muss er künftig dem neuen Mieter die Höhe dieser Vormiete vor Vertragsschluss mitteilen."
Habe der Vermieter das nicht getan, könne der neue Mieter die Miete auf das Niveau der Mietpreisbremse reduzieren. "Außerdem reicht künftig eine einfache Rüge. Man muss also nur noch angeben, dass die Mietpreisbremse verletzt ist, und muss das nicht mehr im Detail erläutern", so Barley.
Ropertz vom DMB lobt: "Die Hürde, sich auf die Mietpreisbremse zu berufen, wird gesenkt."
Gespaltene Reaktionen
Von einem "Schritt in die richtige Richtung" sprach Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) mit Blick auf den Entwurf. In den Augen der rechtspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag leisten besonders die niedrigere Modernisierungsumlage und die neue Kappungsgrenze "einen substanziellen Beitrag zum Schutz gegen unfaire Mieterhöhungen und Herausmodernisieren".
Die Bilanz aus der Wirtschaft fällt kritischer aus. So erwartet Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW "letztendlich keine positive Wirkung für den Wohnungsmarkt", auch wenn der neue Entwurf "deutlich realistischer" sei.
Enttäuschung beim Mieterbund
Den Deutschen Mieterbund (DMB) enttäuscht der Gesetzentwurf in seiner neuen Fassung. Der Verein hätte gerne, dass die Mietpreisbremse deutschlandweit und ohne Ausnahmen eingeführt wird.
"Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf bleibt deutlich hinter unseren Forderungen und den Erwartungen von mehr als 40 Millionen Mieterinnen und Mietern zurück", urteilte Siebenkotten. Offensichtlich könne sich die SPD nicht gegenüber ihren Koalitionspartnern durchsetzen.
Wahres Problem verdeckt?
In den Augen von Experte Dr. Vornholz verdecken Mietpreisbremse und Co. das eigentliche Problem: Die Wohnungsknappheit. "Die Änderungen helfen nicht, den Wohnungsmangel zu beseitigen, dafür muss man bauen", so der Experte.
Die angedachten Gesetzesänderungen provozieren in seinen Augen lediglich Ausweichreaktionen und können – wenn überhaupt - nur kurzfristig Abhilfe schaffen.
Aus der Tatsache, dass die Immobilienpreise doppelt so stark wie die Mieten angestiegen seien, schließt er außerdem: "Wir müssen überlegen, ob wir nicht auch einen Anlagenotstand haben." Viele Anleger hätten Geld und wüssten nicht, wie sie es investieren sollten. "Immobilien versprechen dabei immer noch höhere Renditen als andere Anleihen", so der Experte.
Andere Maßnahmen nötig
Gedaschko äußert sich ähnlich: Für Entspannung und stabile Mietpreise in den Ballungsregionen müssen andere Maßnahmen ergriffen werden. Verschärfungen am Mietrecht werden gern als Allheilmittel gegen steigende Mietpreise präsentiert und mit Erwartungen überfrachtet, die diese niemals erfüllen können."
Daniel Föst, wohnungsbaupolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, schlägt dafür vor: "Der beste Mieterschutz ist ausreichender Wohnraum." Viel wichtiger als ein willkürliches Preisregime seien Schritte zur Entbürokratisierung und zur Baukostensenkung. "Wir müssen endlich mehr und günstiger bauen, damit wir die Angebotslücke schließen", so Föst.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.