Einen Monat nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat die Bodenoffensive die Stadt Gaza erreicht. Unterdessen gedachte das Land der etwa 1400 Toten und mehr als 240 Verschleppten.

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Einen Monat nach der beispiellosen Attacke der radikalislamischen Hamas auf Israel ist die israelische Armee ins Zentrum der Stadt Gaza vorgestoßen. "Wir sind im Herzen der Stadt Gaza", sagte Israels Verteidigungsminister Joav Gallant am Dienstag. Derweil wurde landesweit in Israel der etwa 1400 Toten und mehr als 240 von der Hamas in den Gazastreifen Verschleppten gedacht.

Die Stadt Gaza sei "der größte je errichtete Terroristen-Stützpunkt der Welt", sagte Gallant. Die Stadt im Norden des Gazastreifens war nach Angaben des israelischen Militärs zuvor umstellt worden. Ein Sprecher erklärte kürzlich, das Küstengebiet sei nun in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt.

Bei jüngsten Gefechten konnte nach Angaben der israelischen Armee ein "militärischer Stützpunkt der Hamas-Terrororganisation im nördlichen Gazastreifen gesichert werden". Auf dem Gelände befanden sich demnach Panzerabwehrraketen und Abschussvorrichtungen, Waffen und verschiedene Geheimdienstmaterialien.

Trauerzeremonie für die Toten und Verschleppten

Während der Krieg gegen die Islamisten im Gazastreifen andauerte, hielt Israel um 11.00 Uhr (Ortszeit) inne. "Die Gräueltaten haben einen schrecklichen Einschnitt hinterlassen", sagte der Präsident der Hebräischen Universität in Jerusalem, Ascher Cohen, bei einer Trauerzeremonie. "Aber es gibt Hoffnung. Es wird eine Wiedergeburt geben."

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu schloss derweil eine Feuerpause ohne eine vorherige Freilassung der mehr als 240 Hamas-Geiseln aus. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC News sagte er, der Krieg werde so lange fortgesetzt, bis Israel die Kontrolle über den Gazastreifen wiederhergestellt habe und die "allgemeine Sicherheit" gewährleistet sei. Für von den USA geforderte "kleine Pausen" für Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung zeigte er sich jedoch offen.

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Hunderte Kämpfer der Hamas waren am Morgen des 7. Oktobers aus dem Gazastreifen nach Israel eingedrungen und hatten beim Angriff auf mehrere Ortschaften und ein Musikfestival Gräueltaten an Zivilisten verübt, darunter an vielen Frauen und Kinder. Bei dem schlimmsten Angriff in der Geschichte des Landes wurden israelischen Angaben zufolge etwa 1400 Menschen getötet.

Es gebe "keinen einzigen Menschen, der nicht von diesen schrecklichen Angriffen betroffen" sei, sagte die 52-jährige Sharon Balaban bei einer Gedenkveranstaltung in Jerusalem. "Jeder kennt jemanden, der verletzt, getötet, ermordet wurde oder betroffen ist."

Kein Vergessen, kein Übergang zur Tagesordnung

Der um seine beiden Brüder trauernde Jossi Rivlin sagte, er hoffe, dass die Menschen die Toten und Verschleppten "nicht vergessen" und nicht einfach zur Tagesordnung übergingen. Rivlins Brüder waren bei dem Musikfestival getötet worden.

Als Reaktion auf den Hamas-Angriff hatte Israel der radikalislamischen Palästinenserorganisation den Krieg erklärt und seitdem ohne Unterlass Ziele der Kämpfer im Gazastreifen angegriffen. Das israelische Militär flog nach eigenen Angaben 12.000 Luftangriffe und sandte zudem Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen.

Militärexperten warnten derweil vor wochenlangen, zermürbenden Häuserkämpfen im Gazastreifen. Nach Einschätzung von Michael Knights von der Denkfabrik Washington-Institut für Nahost-Politik hatte die Hamas "15 Jahre Zeit", um ihre "unterirdischen, bodennahen und oberirdischen Befestigungen" auszubauen. Insbesondere wegen der mutmaßlich in Hamas-Tunneln festgehaltenen Geiseln, darunter Kleinkinder und ältere Menschen, wird das Vorgehen der israelischen Armee als riskant angesehen.

Israel hatte sich im Jahr 2005 vollständig aus dem Küstenstreifen zurückgezogen. Aus dort abgehaltenen Wahlen ein Jahr später ging die islamistische Hamas als Sieger hervor. Nach bewaffneten Auseinandersetzungen mit der rivalisierenden säkularen Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas übernahm sie 2007 schließlich die Kontrolle über den Gazastreifen.

Das Leid der Zivilbevölkerung verschärft sich

Unterdessen verschärft sich das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen. "Das sind Massaker", sagte ein Bewohner von Gaza angesichts der Verwüstung der Stadt durch einen erneuten Angriff und den unter Trümmern begrabenen Leichen. "Sie zerstörten drei Häuser über den Köpfen ihrer Bewohner - Frauen und Kinder", sagte er.

Nach unabhängig nicht überprüfbaren Angaben der von der Hamas geleiteten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen wurden seit Beginn des Krieges dort mehr als 10.300 Menschen getötet, etwa zwei Drittel davon Frauen und Kinder.

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk sprach während einer Reise in die Region von einem "Monat des Massakers, des unaufhörlichen Leides, des Blutvergießens, der Zerstörung, Empörung und Verzweiflung". Am Dienstag hielt sich Türk zu Gesprächen in Ägypten auf, am Mittwoch wollte er den ägyptischen Grenzübergang Rafah besuchen, am Donnerstag Jordanien.

Am Dienstag warteten hunderte Palästinenser mit ausländischen Pässen weiter auf ihre Ausreise nach Ägypten. Am Montag hatten erneut mehr als 30 Menschen mit einem deutschen Pass über Rafah ausreisen können. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einem "kleinen Hoffnungsschimmer in dieser Situation". Der Grenzübergang war am vergangenen Mittwoch erstmals seit Beginn des Krieges für die Ausreise von Ausländern und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft sowie Verletzte geöffnet worden. (afp/jst)

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