• Marco Wanderwitz, Ostbeauftragter der Bundesregierung, hat Menschen im Osten eine stärkere Neigung zur Wahl rechtsradikaler Parteien attestiert.
  • Dafür erntet der CDU-Politiker nun auch aus der eigenen Partei Kritik.
  • Man dürfe die Menschen im Osten nicht so "pauschal beschimpfen", meint etwa Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schulze.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Seit Februar 2020 hat der CDU-Politiker Marco Wanderwitz das Amt "Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer" inne, kurz: Ostbeauftragter der Bundesregierung. Zum Amtsantritt hatte er in einem Interview mit der "Freien Presse" recht genau beschrieben, was er in dem Job von sich selbst erwartet: "Der Ostbeauftragte muss ein Brückenbauer zwischen neuen und alten Ländern sein."

Ganz so diplomatisch, wie das klingt, hat Wanderwitz es aber nicht gemeint, denn er hat auch gesagt: "Ich sehe einen Teil der Aufgabe dieses Amtes darin, Leuten den Spiegel vorzuhalten." Das hat Wanderwitz nun mit Blick auf die hohen Umfragewerte der AfD in vielen ostdeutschen Bundesländern versucht.

Er sehe bei Menschen in Ostdeutschland eine stärkere Neigung zur Wahl rechtsradikaler Parteien als im Westen, sagte Wanderwitz im "FAZ-Podcast für Deutschland". "Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind." Ein Teil der Bevölkerung habe "gefestigte nichtdemokratische Ansichten".

Damit spielt der 45-Jährige besonders auf Bundesländer wie Sachsen-Anhalt oder Sachsen - Wanderwitz' Heimat - an, wo die AfD Wahlergebnisse deutlich jenseits der 20 Prozent erreicht. Nach seiner Einschätzung sei ein geringer Teil der AfD-Wähler "potenziell rückholbar". Es bleibe nur Bildungsarbeit und das Hoffen "auf die nächste Generation". Seiner CDU gab Wanderwitz den Rat, sich nicht von der AfD treiben zu lassen und sich auf den politischen Wettbewerb mit anderen Parteien zu fokussieren.

Für den Ratschlag interessiert man sich in der CDU aber erst einmal weitaus weniger als für die Aussagen über einen Teil der Menschen in Ostdeutschland - die wollen Wanderwitz' Parteifreunde nicht so stehen lassen. Der Landesvorsitzende der CDU von Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, etwa sagte der "Bild", die Politik dürfe die Menschen im Osten nicht so "pauschal beschimpfen". "Es wäre ein Armutszeugnis der Bundesregierung, wenn das die Antwort aus Berlin auf die teils erschreckend hohen Wahlergebnisse der AfD ist."

Auch der Spitzenkandidat der CDU in Thüringen, Mario Voigt, kritisierte die Aussagen von Wanderwitz: "Ein belehrender Ton und Besserwissertum hat im Osten noch nie geholfen."

Gerade für die CDU in Sachsen-Anhalt kommen Wanderwitz' Aussagen zur Unzeit. Am Sonntag wird dort ein neuer Landtag gewählt, Ministerpräsident Reiner Haseloff kämpft nicht nur mit der dortigen AfD darum, wer danach die stärkste Fraktion im Magdeburger Parlament stellt. Die CDU kämpft insbesondere darum, dass nach der Wahl überhaupt eine stabile Mehrheit gegen die AfD gebildet werden kann. Streitbare Aussagen über das Wahlverhalten der Ostdeutschen sind da bei den Wahlkämpfern wenig willkommen.

Denn natürlich haben die Mitbewerber Wanderwitz' Thesen bereits aufgenommen. Katja Pähle, Spitzenkandidatin der SPD in Sachsen-Anhalt, sagte, das Problem seien mitnichten die Ostdeutschen, die angeblich "nicht in der Demokratie angekommen" seien. "Das Problem sind die, die unser Land gezielt aus der Demokratie wieder herausführen wollen!"

Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler, twitterte: "Ein Ostbeauftragter, der meint, dass Ostdeutsche nicht demokratiefähig und lediglich ein geringer Teil 'potenziell rückholbar' sei und nur Bildungsarbeit und das Hoffen auf die nächste Generation helfe, ist tatsächlich eine Beleidigung - und zwar für uns Ostdeutsche!"

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.