- Während des Telefoninterviews über ihre Pläne für Sachsen-Anhalt beaufsichtigt Eva von Angern ihre tobenden Kinder auf dem Spielplatz.
- Mit dem Thema Kindeswohl will die Linke-Spitzenkandidatin auch im Wahlkampf punkten (hier geht's zu unserem Live-Ticker zur Landtagswahl 2021 in Sachsen-Anhalt!).
- Außerdem wünscht sich die 44-Jährige, dass künftig mehr Ostdeutsche in Sachsen-Anhalt in Führungspositionen kommen.
Frau von Angern, Sie kandidieren in einem Bundesland, in dem Studien zufolge besonders niedrige Löhne bezahlt werden. Obwohl der Kampf für Lohngerechtigkeit eine Kernkompetenz der Linke ist, sind die Umfragewerte Ihrer Partei schwach. Warum erreicht die Linke potenzielle Wähler nicht?
Eva von Angern: Ich sehe zwei Gründe. Durch Corona wird, man muss es so sagen, seit 16 Monaten durchregiert. Wir haben im Landtag immer wieder Druck gemacht, damit über die Maßnahmen zum Umgang mit der Pandemie und zur Unterstützung der Menschen transparent diskutiert und entschieden wird. Es gab von der Koalition kein Entgegenkommen, die Opposition und auch das Parlament fanden quasi nicht mehr statt. Das war höchst undemokratisch und hat das Signal ausgesendet, dass es keines Parlamentes und keiner offenen Debatte bedarf.
Und der zweite Grund?
Bundespolitisch hat die Linke in den letzten Wochen und Monaten nicht das allerbeste Bild abgegeben. Corona-bedingt haben wir den Bundesparteitag mehrfach verschieben müssen, in der Folge haben wir ungeplant lange mit der Kür unserer Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gebraucht.
Ihnen fehlt Rückenwind von der Bundespartei?
So allgemein würde ich es nicht sagen. Klar ist, solange ein Machtvakuum besteht, ist eine Partei für die Wählerinnen und Wähler einfach nicht attraktiv. Das hat sich ja auch bei der Union gezeigt. Ich habe jedenfalls mehrfach darauf gedrungen, dass wir uns mit der Spitzenkandidatenfrage beeilen und bin nun sehr froh, dass uns mit
Zusätzlich zur Suche nach den Spitzenkandidaten hat
Ich habe nach der Veröffentlichung den Kontakt zu ihr gesucht. Ich schätze ihre Wahlkampfunterstützung sehr und wünsche mir zukünftig eine andere Art des Umgangs innerhalb der eigenen Partei.
Im Interview mit unserer Redaktion hat Sahra Wagenknecht zur Migrationspolitik gesagt: "Es sollte keine Stadtviertel geben, wo die Einheimischen in der Minderheit sind." Passt eine solche Aussage zu Ihrer Partei?
Natürlich, warum denn nicht? Als Linke stehen wir für die dezentrale Unterbringung von Menschen, die zu uns kommen, damit Integration besser funktionieren kann. Ich finde das Zitat vielleicht erklärungsbedürftig, aber nicht falsch.
Das sieht die AfD in Sachsen-Anhalt scheinbar auch so und hat auf einem Plakat mit Frau Wagenknechts Konterfei Wahlwerbung gemacht. Dort hieß es: "Sahra hat recht. Zuwanderung begrenzen."
Das mag sein, aber ich würde der AfD trotzdem nicht mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen, als unbedingt nötig.
Von welchen Parteien wollen Sie denn Wähler abwerben, wenn nicht von der AfD?
Erstmal wollen wir natürlich alle Wähler für linke Politik begeistern, egal, wen sie bisher gewählt haben. Da wir mit einer hohen Wahlbeteiligung rechnen, will ich besonders den Menschen ein gutes Angebot machen, die zuletzt gar nicht mehr gewählt haben. Zudem beobachten wir den Hype um die grüne Politik sehr genau: Bei aller Konzentration auf Klima und Umweltschutz kommt mir bei den Grünen die soziale Gerechtigkeit viel zu kurz. Ich bin mir sicher, dass es gerade vielen langjährigen Grünen-Wählern auch so geht, und die Linke für sie eine gute Alternative sein kann.
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Abseits der traditionellen Themen Ihrer Partei wie Armutsbekämpfung und Vermögensabgabe: Womit wollen Sie persönlich im Wahlkampf punkten?
Die Kinder in meiner Heimat sind ein absolutes Herzensthema für mich und deshalb engagiere ich mich seit Jahren, um Kinder vor der Armutsspirale zu bewahren. Weil insbesondere die CDU in den vergangenen 20 Jahren die Digitalisierung sowie eine vernünftige Ausstattung der Schulen verschlafen hat, haben sie durch die Corona-Pandemie große Lernrückstände angehäuft. In Sachsen-Anhalt haben wir keine Bodenschätze, wir haben nur unsere Menschen. Ich kämpfe dafür, dass die kommende Generation keine verlorene wird. Dazu gehört bessere Bildung durch mehr Lehrkräfte an unseren Schulen, aber auch eine Kindergrundsicherung sowie Kinderrechte im Grundgesetz.
"Nehmt den Wessis das Kommando" steht auf einem Linke-Wahlplakat in Sachsen-Anhalt. Dafür haben Sie viel Kritik, aber auch viel Aufmerksamkeit bekommen. Braucht es ein wenig Populismus, um gehört zu werden?
Ja, auch wenn ich es eher Zuspitzung nennen würde als Populismus.
Woher wissen Sie denn, dass diese Debatte bei den Wählern eine große Rolle spielt? Im aktuellen Kabinett von Reiner Haseloff sitzen auch nur zwei in Ostdeutschland geborene Minister – gestört hat sich daran in der Legislaturperiode kaum jemand.
Das sehe ich gar nicht so. Wenn man hier bei den Menschen Themen wie Lohn- oder Rentenungleichheit anspricht, dann merkt man erst, dass es zwischen Ost und West auch gut 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch tiefe Gräben gibt. Die aktuelle Landesregierung sieht das leider noch immer quasi als Naturgesetz an. Nach dem Motto: "Da ist in der DDR vieles falsch gelaufen, das mit der Angleichung an den Westen dauert eben noch eine Weile." Ich finde, die Menschen im Osten verdienen eine bessere politische Vertretung.
Dann eine ganz konkrete Frage für den Fall, dass Ihre Partei bei der Wahl ein gutes Ergebnis erzielt und danach mehr zu sagen hat: Wie wollen Sie den Wessis das Kommando nehmen?
Als Regierungspartei würden wir nur Minister mit sachsen-anhaltischer, in jedem Fall aber mit ostdeutscher Sozialisation nominieren. Dazu werben wir dafür, dass grundsätzlich bei der Besetzung von Posten – auch in der freien Wirtschaft - genauer hingeschaut wird: Warum nicht bei ähnlicher Qualifikation den Job der Hallenserin geben statt der Hannoveranerin? Die Vielfalt, die wir hier in Sachsen-Anhalt haben, muss sich auch im Führungspersonal widerspiegeln.
In Ihrem Nachbarland Thüringen regiert Ihr Parteifreund Bodo Ramelow, ein Wessi aus Niedersachsen.
Der sehr stolz darauf ist, dass in seinem Kabinett nur zwei Menschen aus Westdeutschland kommen. Ich habe mit ihm über das Plakat gesprochen und er fand es hervorragend. Er weiß aus eigener Erfahrung sehr genau, wie schwierig es ist, gegen einen westdeutschen Ministeriumsapparat ostdeutsche Fachkräfte durchzusetzen. Im Endeffekt wünschen wir uns beide ein stärkeres ostdeutsches Selbstbewusstsein.
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