Klatsche für die Ampel: Das Bundesverfassungsgericht hat das Heizungsgesetz gestoppt. Ein Politikwissenschaftler sagt, was das für die Koalition bedeutet.

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Um 21.48 Uhr meldet sich am Mittwochabend das Bundesverfassungsgericht zu Wort. Die SPD-Bundestagsfraktion feiert da gerade ihr traditionelles Hoffest mit allerlei Prominenz, als die Nachricht aus Karlsruhe eintrifft: Deutschlands höchstes Gericht stoppt das umstrittene Heizungsgesetz. Genauer gesagt: das Verfahren, in dem die Ampel es durch den Bundestag bringen wollte.

Mit dem Heizungsgesetz will die Koalition die Wärmewende vorantreiben. Es sieht unter anderem vor, dass von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben wird. Eigentlich sollten die Abgeordneten am Freitag, dem letztmöglichen Termin vor der Sommerpause, darüber abstimmen. Wochenlang hatten SPD, Grüne und FDP hinter den Kulissen über das Gesetz verhandelt. Ende vergangener Woche lag dann ein Entwurf vor – wenige Tage vor der Entscheidung.

Jun: Grüne "erleiden den stärksten Verlust"

Aus Sicht der Opposition ging das zu schnell. Für die Abgeordneten, so ihre Kritik, blieb nicht genug Zeit, um wesentliche Passagen des Gesetzestextes zu erfassen. Der CDU-Politiker Thomas Hellmann rief das Bundesverfassungsgericht an, das den Ampel-Zeitplan über den Haufen warf.

Für die Koalition, um deren Bild es ohnehin nicht gut bestellt ist, ist der Rüffel aus Karlsruhe ein erneuter Rückschlag. Einer, der mit Ansage kam?

Uwe Jun findet: ja. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität Trier und sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: "Es hat mich nicht verwundert, dass das Bundesverfassungsgericht so geurteilt hat." Für die Abgeordneten sei es nun mal essenziell, Debatten über kritische Gesetze zu führen. Das benötige Zeit. Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) habe die Koalition in der Vergangenheit ermahnt, dem Bundestag nicht erst in letzter Minute Gesetzesentwürfe vorzulegen. Das Urteil des Politik-Kenners: "Die Ampel war zu schnell unterwegs."

Das dürfte an den Grünen gelegen haben. Sie wollten das Gesetz noch vor der Sommerpause durchs Parlament bringen, damit es zum 1. Januar in Kraft treten kann. Die Öko-Partei sieht ihre ehrgeizigen Klimaziele in Gefahr – auch, weil sich die FDP immer wieder querstellt. Das Heizungsgesetz ist dafür das beste Beispiel. Sukzessive rückten die Liberalen davon ab, eine Gruppe um den Abgeordneten Frank Schäffler trieb die ganze Koalition vor sich her.

Und nun?

Politikwissenschaftler Jun sieht vor allem einen Verlierer: die Grünen. "Sie erleiden den stärksten Verlust, da sie immer darauf gedrängt hatten, das Gesetz vor der Sommerpause zu verabschieden", sagt er.

Politik-Experte: Vertrauen zwischen Grünen und FDP erodiert

Für die Zukunft der Ampel insgesamt heißt das nichts Gutes. Sie dürfte weiter mit Kontroversen beschäftigt sein, glaubt der Politologe. Es zeige sich immer stärker, dass drei sehr unterschiedliche Parteien miteinander regieren. "Wir wussten von Anfang an, dass es große programmatische Differenzen gibt", sagt Jun. Inzwischen sei aber das Vertrauen zwischen Grünen und FDP ziemlich erodiert.

Und mit der Kindergrundsicherung wartet bereits der nächste Knackpunkt auf die Koalitionäre. Noch im Sommer soll darüber entschieden werden. Vor allem FDP und Grüne sind sich über die Höhe der Sozialleistung uneinig.

Immerhin: Beim Heizungsgesetz lenkt die Ampel ein. Auf ein Hau-Ruck-Verfahren und eine Sondersitzung des Bundestags will die Koalition verzichten. Am Mittag erklärten die drei Fraktionsvorsitzenden der Ampel-Parteien in einer gemeinsamen Erklärung, dass man Respekt vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe. Und erst Anfang September, wenn der Bundestag aus der Sommerpause kommt, wieder über das Gesetz berate.

Zur Person: Uwe Jun ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Westliche Regierungssysteme: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die Parteien- und Koalitionsforschung sowie Politische Kommunikation.
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