Nach den getrennten Wirtschaftsgipfeln von Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner sprach FDP-Politiker Marcus Faber bei "Markus Lanz" offen über die wacklige Zukunft der Ampel. Der ZDF-Moderator ließ es sich dabei nicht nehmen, selbst gegen die Regierung zu schießen.
In einer Zeit, in der die Regierung Zusammenhalt ausstrahlen sollte, luden
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Dienstagnachmittag mehrere Unternehmen, Verbände und Gewerkschaften zu einem Industriegipfel nach Berlin eingeladen. Dabei sollte es gezielt um Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise gehen. Wenige Stunden vor dem Industriegipfel des Kanzlers fand derweil ein separates Spitzengespräch der FDP-Fraktion statt.
Das sind die Gäste
- Marcus Faber, FDP-Politiker: "Wir haben einen Herbst der Entscheidungen."
- Kristina Dunz, Journalistin: "Der Kanzler ist genervt von seinem Vizekanzler und dem Finanzminister - und umgekehrt."
- Stefan Bratzel, Autoexperte: "Wir reden im Prinzip in den nächsten Jahren über mindestens 200.000 Jobs, die zur Disposition stehen."
- Kai Ambos, Völkerrechtler: "Die Frage, ob sich Israel an der Grenze der Verhältnismäßigkeit bewegt, wird weltweit intensiv diskutiert."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Zu Beginn der Sendung sprach Markus Lanz die beiden Krisengipfel von Olaf Scholz und Christian Lindner in Berlin an. "Der Gipfel beim Finanzminister war eine Retourkutsche auf den Gipfel des Kanzlers. Der Wirtschaftsminister war auf keinem der beiden Gipfel eingeladen. Ist das noch Politik oder ist das schon Wahnsinn?", wollte Lanz wissen. Mit Blick auf die drohenden Werkschließungen bei VW warnte Journalistin Kristina Dunz, dass eine "Gefahr im Verzuge" sei, "nicht nur für VW, sondern auch für die Koalition".
Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: "Gehen Sie davon aus, dass es möglich ist, dass diese Regierung sich noch vor Jahresende zerlegt?" Dunz nickte: "Ja, ich halte es mittlerweile für möglich." Die Journalistin ergänzte, dass die Lage "wirklich richtig ernst" sei, denn: "Der Kanzler ist genervt von seinem Vizekanzler und dem Finanzminister - und umgekehrt. Und die beiden Gipfel heute sind der Gipfel der Zerrüttung." In dem Zusammenhang gab Dunz zu: "Ich habe die Stimmung so noch nicht erlebt. (...) Und ich habe den Kanzler auch so noch nicht erlebt. Es ist eine tiefe Frustration, er fühlt sich ungerecht behandelt."
"Von wem?", fragte Lanz prompt. Dunz antwortete: "Er fühlt sich manchmal von der ganzen Welt ungerecht behandelt - von den Journalisten, von den Kabinettskollegen." Die Journalistin erklärte weiter, dass der Kanzler seiner Ankündigung des Industriegipfels seine Koalitionskollegen überrascht habe. "Dann hören wir wieder, der Bundeskanzler habe versucht, Herrn Lindner zu erreichen, der aber nicht erreicht werden wollte." Eine Aussage, die den ZDF-Moderator schockierte: "Stopp!" Dunz fällte das knallharte Urteil: "Ja, das ist der Kindergarten, man muss ihn einmal so beschreiben!"
Lanz hakte dennoch irritiert nach: "Der deutsche Bundeskanzler - nicht irgendjemand - der deutsche Bundeskanzler versucht, den deutschen Bundesfinanzminister zu erreichen und kriegt ihn nicht?" Dunz nickte: "Von dieser Ankündigung des Industriegipfels ist Herr Habeck und ist Herr Lindner überrascht worden. (...) Und da ist natürlich erstmal Zoff in der Bude." Die Journalistin fügte hinzu: "Das ist im Moment die Non-Kommunikation dieser Regierung, und das ist in dieser Wirtschaftskrise ein großes Drama."
Lanz konterte: "Ehrlich gesagt ist das peinlich!" Der ZDF-Moderator wollte daraufhin von FDP-Politiker Marcus Faber wissen: "Gibt's die Koalition zu Weihnachten noch?" Faber antwortete vorsichtig: "Das hängt jetzt davon ab, welche Entscheidungen wir jetzt in den nächsten zwei Monaten treffen." Faber weiter: "Wir müssen in den nächsten zwei Monaten einen Haushalt auf den Weg bringen." Auch eine Wirtschaftswende müsse laut Faber dringend gemeinsam angestoßen werden: "Wenn wir hier noch etwas tun können, dann lohnt es auch, dass diese Koalition zusammenbleibt. Wenn wir das nicht mehr können, dann ist es besser, den Weg freizumachen. Das sind die Optionen, die auf dem Tisch liegen."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Im Gespräch mit FDP-Politiker Marcus Faber wurde es hitzig, als Lanz immer wieder nachhakte, ob das Verhalten von Lindner, Scholz und Habeck als respektlos bezeichnet werden könne. Faber reagierte zunächst nüchtern: "Ich habe erstmal bei jedem der Betroffenen das Gefühl, dass die Ernsthaftigkeit ausreichend angekommen ist. Das sind auch alles Menschen, die das nicht seit gestern machen."
Lanz zeigte sich unbeeindruckt: "Wenn man Sorge um das Land hat, dann erwarte ich ehrlich gesagt, diese Drei setzen sich zusammen, stellen die Partei-Interessen hinten an." Laut Lanz müsse es um die Frage gehen, "wie helfen wir jetzt ernsthaft diesem Land? (...) Das ist das Mindeste, was sie dem Land jetzt schulden". Faber nickte mit ernstem Blick: "Ganz genau." Lanz redete sich daraufhin weiter in Rage und fragte: "Aber warum setzt man sich dann nicht zusammen?"
Der FDP-Mann erklärte nüchtern: "Es gibt, glaube ich, viele Aspekte im Bereich Industriepolitik, im Bereich VW, die man beleuchten kann. Und wenn man darüber zwei Gipfel macht, ist mir das lieber, als wenn man darüber keinen Gipfel macht." Eine Aussage, die Lanz schockierte: "Herr Faber, nicht Ihr Ernst!" Als der Politiker weiter klarstellte, dass es jetzt darum gehe, dass die Menschen bei VW ihren Job nicht verlieren, konterte der ZDF-Moderator: "Gerade aus Sorge um diese Leute kann man das doch nicht so machen. Entschuldigung!"
Lanz weiter: "Sie verlieren doch die Leute, das merken Sie doch jeden Tag!" Faber sah darin jedoch einen anderen Grund, denn: "Der Diskursprozess dieser Koalition wird ja nicht erst seit gestern sehr öffentlich ausgetragen. Das ist vielleicht auch etwas, was dem Ansehen sehr geschadet hat." Journalistin Kristina Dunz sah gerade deshalb keine Zukunft für die Ampel. Im Gespräch mit Lanz prognostizierte sie: "Es müsste ja ein Wunder geschehen, wenn sie jetzt plötzlich sagen: 'Jetzt machen wir's aber richtig'. Das ist erledigt in dieser Koalition."
Marcus Faber sah dies jedoch anders und stellte klar: "Frau Dunz, ich glaube, Sie reden seit drei Jahren darüber, dass diese Koalition am Ende ist." Die Journalistin schüttelte entschieden mit dem Kopf: "Nein, nein! (...) Wir reden über die Gefahr des Bruchs seit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts." Der FDP-Mann ließ sich davon jedoch nicht beirren und sagte abschließend: "Ich hoffe, dass wir das in den nächsten Wochen hinbekommen."
Markus Lanz ließ jedoch nicht locker und fragte erneut: "Und wenn nicht, dann ist diese Koalition zu Ende?" Faber antwortete genervt: "Wir haben einen Herbst der Entscheidungen. Wenn Entscheidungen zustande kommen, dann kann es weitergehen. Wenn Entscheidungen nicht zustande kommen, dann kann es nicht weitergehen." Ein Satz, auf den Lanz amüsiert reagierte: "So nüchtern, so trocken, so einfach."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Als Markus Lanz von Völkerrechtler Kai Ambos wissen wollte, ob durch das Verhalten der Ampel die Demokratie in Gefahr sei, sagte der Völkerrechtler trocken, dass man besser über die Sachprobleme als die "Ego-Probleme in der Koalition" sprechen sollte. "Das finde ich auch Kindergarten", so Ambos streng. Lanz reagierte sichtlich irritiert und sagte, dass er es "seltsam" finde, die Debatte als "Boulevard-Niveau" abzutun, denn: "Da geht's ja um etwas!"
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
ZDF-Moderator Markus Lanz sprach innerhalb seiner Sendung immer wieder von dem "katastrophalen Image-Verlust der Regierung". "Das fördert doch die Politikverdrossenheit in diesem Land", stellte er fest. Faber stimmte teilweise zu und erklärte erneut, dass im Herbst wichtige Entscheidungen getroffen werden müssten "und ich hoffe, dass alle drei Partner in dieser Koalition dafür noch die Stärke haben".
Faber wetterte weiter: "Die Menschen wollen, dass Entscheidungen getroffen werden. Wer da wen wann einlädt, wer da wen wann anruft und wer wann zurückruft, das ist ein Niveau, ich glaube, da sind alle Erwachsenen ein Stück weit darüber hinaus." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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