Drei Jahre nach dem Diesel-Skandal müssen Diesel-Besitzer immer noch auf das finanzielle Entgegenkommen der Konzerne hoffen. Grünen-Politiker Cem Ödzemir fand dafür bei Maybrit Illner kein Verständnis. VW-Vorstand Herbert Diess zeigte sich zwar reumütig, wollte aber keine konkreten Versprechungen machen.

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Dieseldrama und kein Ende: Vor drei Jahren kam der Diesel-Skandal ans Licht, seit drei Jahren bangen Diesel-Besitzer um eine adäquate Entschädigung für den Wertverlust ihrer Autos.

Was ist das Thema bei Maybrit Illner?

Anstatt die Automobilindustrie bei der Entschädigung der Verbraucher unter Druck zu setzten, schlug das Kanzleramt vor der Landtagswahl in Hessen die Senkung von Stickoxid-Grenzwerten vor, um Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge in Innenstädten zu verhindern.

Aus Sicht vieler Geschädigter tritt die Bundesregierung immer noch als Bittsteller auf, weil sie sich mit den angekündigten Softwareupdates begnügt, statt Hardwarenachrüstungen einzufordern. VW-Vorstand Herbert Dies entschuldigte sich bei "Maybrit Illner" für die Fehler seines Unternehmens. Auf konkrete Entschädigungen angesprochen blieb er schmallippig.

Wer sind die Gäste?

Cem Özdemir: Der frühere Grünen-Chef sieht in den geplanten Senkungen der Stickoxid-Grenzwerte eine "Panikreaktion vor der Landtagswahl". Die bisherige Politik des Wegschauens habe sich nicht geändert. Kanzleramtsminister Helge Braun forderte er auf, für "saubere Autos" zu sorgen. "Die Chinesen bauen die emissionsfreie Mobilität, die Amerikaner machen die Software", kritisierte Özdemir. "Und wir diskutieren hier über Fahrverbote, über Diesel-Skandal. So werden wir die deutsche Automobilindustrie kaputt machen." Ödzemir fordert eine Kfz-Steuer, die sich am CO2-Verbrauch orientiert.

Cerstin Gammelin: Die Wirtschaftsjournalistin warf die entscheidende Frage auf: "Warum muss der Steuerzahler für Probleme zahlen, die eindeutig den Autobauern zugeordnet werden können?" Sie forderte die Konzerne auf, beim Bau von Pkw künftig die ökologischen Aspekte mehr zu beachten. "Dann würde sich Produktion von Elektrofahrzeugen mehr lohnen."

Helge Braun: Der Kanzleramtsminister will Fahrverbote in deutschen Innenstädten unbedingt verhindern. Abgasmessungen finden in Zukunft nur noch "im realen Verkehrsbetrieb" statt, um Manipulation zu vermeiden, kündigte er an. Von VW-Vorstand Diess forderte er: "Jedem Dieselfahrer muss das Auto in den perfekten Zustand gebracht werden, in dem es verkauft wurde." Oder sie müssten durch Zusatzangebote entschädigt werden. Etwa durch Gebrauchtwagen, die es ihnen erlauben, in die Städte zu fahren.

Matthias Schmitz: Der VW-Geschädigte muss trotz Updates mit einem Wagen leben, der die Abgaswerte deutlich überschreitet – 360 Milligramm Stickoxide statt 180 Mikrogramm. "Ich habe einen Realverlust von 20.000 bis 23.000 Euro trotz dieser Prämie. Das ist nicht einzusehen", klagte er. Vor Gericht will er VW dazu bringen, die Fahrzeuge sauber zu machen.

Claudia Traidl-Hoffmann: Die Medizinerin wies auf die Gefahren der Abgasausstöße hin: Stickoxide machen krank, verursachen Asthma und Allergien. Für die Gesundheit seien Fahrverbote kurzfristig nicht hilfreich. "Wir müssen langfristige Maßnahmen ergreifen", forderte die Medizinerin. Sie sprach sich angesichts von rund 6000 Toten durch Stickoxide im Jahr für eine Senkung der Grenzwerte aus. Menschen seien für die Belastung unterschiedlich empfänglich. "Wir müssen auch die empfindlichen Menschen schützen."

Herbert Diess: Der VW-Vorstand behauptete: "Unsere Fahrzeuge sind 100 Prozent gesetzeskonform nach dem Softwareupdate." Eine Aussage, die der Geschädigte Matthias Schmitz kurz darauf widerlegte. Überhaupt habe Volkswagen schon "viel gemacht" und "eine Menge getan", so Diess. Beispielsweise die Fahrzeuge upgedatet, in einen Fond eingezahlt und Elektromobilität gefördert. Hardwarenachrüstungen erklärt er zu "Unsinn" und nicht praktikabel. "Man könnte die Probleme viel leichter entspannen" - mit Maßnahmen wie besser getakteten Ampelschaltungen und Emissionseinsparungen im ÖPNV.

Was war das Rededuell des Abends?

Als Kanzleramtsminister Braun die Dieseltechnologie wegen des geringen CO2-Ausstoßes verteidigte, widersprach Grünen-Politiker Özdemir vehement. Braun entgegnete: "Deswegen haben wir die Technologie gefördert." Mit der neuen Euro-6d-Temp-Norm habe der Diesel eine Zukunft. Man brauche ihn "fürs Weltklima noch eine ganze Weile". Özdemir wollte das Argument überhaupt nicht gelten lassen. "Das Klima retten Sie mit emissionsfreier Mobilität. Darauf sollten sie sich konzentrieren."

Was war der Moment des Abends?

Die Entschuldigung des VW-Bosses. "Volkswagen hat sicherlich einen Riesenfehler gemacht", sagte Diess. "Das tut uns sehr leid und sehr weh. Es tut uns leid, was wir Ihnen antun.“ Neben der Reue hätten sich die Geschädigten aber sicher auch über ganz konkrete Aussagen gefreut, wie sie beim Kauf eines adäquaten Ersatzfahrzeuges nicht auf einem Großteil ihrer Kosten sitzen bleiben.

Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?

Illner jonglierte mit Leichtigkeit mit Begriffen wie Euro-6d-Temp-Norm und NOx-Grenzwerten und fragte im Sinne der Verbraucher immer wieder kritisch bei VW-Vorstand Diess nach. Der tätschelte sie, wenn er unter Druck geriet, auffällig am Arm. Nach dem Motto: Lass mal gut sein! Das tat Illner aber nicht. Ein guter Auftritt der Gastgeberin.

Was ist das Ergebnis?

Drei Jahre nach dem Diesel-Skandal steht das Thema immer noch ganz weit oben auf der Agenda. Für Özdemir und Gammelin ein Fehler der Politik, die sich viel zu lange von der Automobilindustrie in Schach halten ließ. Nun müsse sie endlich im Sinne der Verbraucher tätig werden und Hardwarenachrüstungen durchdrücken.

Immerhin fand Kanzleramtschef Braun etwas deutlichere Worte gegenüber den Autobauern, als es in der Vergangenheit von Vertretern der Bundesregierung oft der Fall war. Ob daraus konkrete Erleichterungen für die Verbraucher entstehen, ist offen.

Dass die Elektromobilität in Deutschland mit viel mehr Nachdruck gefördert werden muss, darüber waren sich alle Diskutanten einig. Den Diesel-Fahrern hilft das freilich wenig. Nach jetzigem Stand müssen sie die Fehler der Industrie ausbaden.

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