Im Osten nichts Neues? Am Jahrestag der deutschen Einheit untersucht Dunja Hayali in ihrer gleichnamigen Talkshow den Zustand der deutschen Seele. Wie vereint sind wir? Die Analyse ist ein wilder Ritt durch alles, was dazu gehört: Heimat, Patriotismus, Osten und Westen. Das Fazit: Es ist kompliziert.

Eine Kritik

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28 Jahre Wiedervereinigung – da kann man ruhig einmal danach fragen, wie es um den Zusammenhalt in der Gesellschaft bestellt ist. Erst recht, wenn gerade wieder Rechte durch die Straßen ziehen und bestimmen wollen, wer dazu gehört und wer nicht.

Dunja Hayali fragt am Tag der Deutschen Einheit: "Ost-West gestresst – wie einig sind wir uns?"

Mit diesen Gästen sprach Dunja Hayali

  • Valerie Schönian, Journalistin für die "Die Zeit" und 1990 in Magdeburg geboren
  • Thomas de Maizière (CDU), ehemaliger Bundesinnenminister
  • Leander Haußmann, Regisseur, in Sachsen-Anhalt geboren
  • Claudia Roth (Die Grünen), Bundestagsvizepräsidentin
  • Eva Schulz, Journalistin und Moderatorin
  • Alfred Bax, Heimatbund Thüringen

Darüber sprach Dunja Hayali mit ihren Gästen

Das Verhältnis zwischen Osten und Westen

Zum Erstaunen ihrer Eltern verspürt Valerie Schönian eine starke ostdeutsche Identität. Schönian wiederum ist erstaunt, wie vorurteilsbelastet Westdeutsche immer noch gegenüber Ostdeutschen sind.

Dass "der Osten" sich in den vergangenen 28 Jahren stark entwickelt hat, scheinen viele im Westen nicht wahrzunehmen: "Ostdeutschland ist mehr als die DDR."

Thomas de Maizière empfindet die Wiedervereinigung als Erfolgsgeschichte, sieht aber zwei große Fehler, die damals gemacht wurden.

Zum einen habe man seinerzeit die falsche Vorstellung gehabt, man müsse die innere Einheit vollenden: "Ich weiß gar nicht, was das ist, innere Einheit." Zum anderen habe nach 1990 Wertschätzung und Respekt gefehlt. Der Glaube, dass eine Angleichung stattfinde, habe viele verletzt.

Für Leander Haußmann kam der Rechtsruck in manchen Gebieten nicht überraschend. "Das hat sich schon 1990 angekündigt, dass dort ein großes Potenzial an Leuten ist, die erniedrigt wurden und beleidigt sind."

Der Regisseur ist stark von seinen Erlebnissen in der DDR und ihren Parteifunktionären und Sympathisanten geprägt: "Ich kenne die, die da auf der Straße sind. Die mochte ich damals nicht und heute natürlich auch nicht."

Trotzdem gibt Haußmann an diesem Abend immer wieder zu bedenken, dass die Dinge komplizierter sind: "Ich könnte unendlich monologisieren mit widersprüchlichen Ansichten."

Patriotismus

Hier war sich die neu zusammengesetzte Runde aus Roth, de Maizière und Schulz einig, dass sich in Bezug auf das Tragen der Nationalsymbole Einiges in Richtung Unbefangenheit getan habe.

Trotzdem sei durch das Zurschaustellen der Nationalsymbole von Rechten in der jüngsten Vergangenheit das Unbeschwerte aus dem Sommer 2006 kaputt gegangen.

David Roth, Mode-Blogger und Designer, hat Kleidung mit Deutschlandflagge entworfen und erklärt die Wirkung der Nationalsymbole: "Ich würde sagen, dass die AfD, Pegida und all der rechte Rand tatsächlich ein Rand sind. Das ist eine Minderheit, aber sie benutzen eine Symbolik, die für eine Mehrheit steht, die sie aber nicht wirklich sind. Das ist extrem smart, weil man sich größer macht, als man eigentlich ist."

Claudia Roth erklärt hierzu: "Mir geht es nicht darum, eine Fahne zurückzuerobern, sondern dass hier Leute unterwegs sind, die die Fahne missbrauchen und sagen, sie könnten entscheiden, wer dazu gehört. Das sind keine Patrioten, sie grenzen aus." Die Runde ist sich einig: Patriotismus – ja, aber ohne Ausgrenzung.

Diese Erkenntnisse konnte der Zuschauer mitnehmen

Drei große Botschaften konnte der Zuschauer aus der jüngsten Ausgabe von "Dunja Hayali" mitnehmen. Was das Verhältnis zwischen Westen und Osten und vor allem den Blick auf den Osten betrifft, hat jeder seine ganz eigene Perspektive.

Es gibt nicht Diese und Jene, sondern vielmehr Teilmengen der Gesellschaft, die einen bestimmten Erfahrungsschatz gemeinsam haben oder auch nicht: Ost und West, Jung und Alt, Mann und Frau, Künstler und Angestellte, und so weiter.

Auf die zweite Botschaft machte Thomas de Maizière aufmerksam. In der Nationalhymne stehe nicht Einheit, sondern Einigkeit. "Wir brauchen ein Grundmaß an Zusammenhalt, aber nicht Einheit in dem Sinn, dass wir alle das Gleiche fühlen und denken", erklärte der ehemalige Innenminister.

Demnach ist Deutschland nicht erst dann wirklich vereint, wenn der Osten so ist wie der Westen. Vielmehr ist ohnehin jeder Landstrich in Deutschland anders als der andere.

Einigkeit sollte aber auf jeden Fall bei den Werten herrschen, die wir teilen und hier ist die Verfassung der Mindestmaßstab. Eine Verfassung, deren Werte auch gelebt und nicht nur befolgt werden, sei das Ziel. Dann erst könne man Patriot sein, ohne auszugrenzen.

Das Fazit

Es war eine zum Teil vogelwilde Diskussion, bei der man gerade am Anfang den Eindruck hatte, dass nicht etwa ein roter Faden fehlt, sondern dass es Dutzende rote Fäden gibt.

Erst, wenn man für sich erkannte, dass hier nicht der eine Recht und der andere Unrecht hat, sondern dass einfach jeder aus einer ganz anderen Perspektive spricht, ergab die Diskussion irgendwann einen Sinn.

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