Der Umgangston ist nicht nur in der Gesellschaft, sondern längst auch in der Regierung rauer geworden. Bei "Markus Lanz" warnte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vor den Ausmaßen und erklärte, dass sich die Bürger mittlerweile schon von dem Verhalten vieler Regierenden abgestoßen fühlen.
Nicht nur innerhalb der Ampel, sondern auch im Parlament wird die Sprache immer aggressiver. Bundestagspräsidentin
Das war das Thema bei "Markus Lanz"
Nach dem Bruch der Ampelkoalition zog Bundeskanzler
Markus Lanz nahm dies zum Anlass, am Mittwochabend über die "Krise der Demokratie" zu debattieren. Gleichzeitig wollte er auch wissen, ob es gerechtfertigt ist, dass Olaf Scholz nach dem Scheitern seiner Regierung wieder als Kanzlerkandidat antreten darf.
Das war die Gästin
Bärbel Bas, Bundestagspräsidentin: "Die Polarisierung wächst, die Ordnungsrufe steigen, übrigens auf allen Seiten."
Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Als Bundestagspräsidentin bekleidet Bärbel Bas das zweithöchste Amt im Staat. Markus Lanz wollte zunächst wissen, wie kalt sie das Ampel-Aus erwischt habe. Bas gab offen zu: "Ganz kalt nicht." Laut der SPD-Politikerin habe man das Ende "fühlen" können, da die Zusammenarbeit "drei Jahre lang anstrengend" gewesen sei. Dennoch stellte Bärbel Bas klar, dass sie sich gewünscht hätte, dass die Koalition "sich zusammenrauft und die Herausforderungen tatsächlich auch angeht".
"Dass es jetzt auseinanderbricht mit einer vorgezogenen Wahl, gefällt mir nicht. Aber auf der anderen Seite gab es auch, gebe ich offen zu, eine gewisse Erleichterung", so Bas weiter. Lanz reagierte überrascht und wollte wissen, woher die Erleichterung komme. Daraufhin offenbarte Bärbel Bas, dass die Ampel stets neue Gesetze auf den letzten Drücker verabschieden wollte - ohne dem Parlament die nötige Beratungszeit zu gewähren. "Das ist alles immer schnell, schnell, schnell", so die Politikerin genervt.
Sie erklärte weiter, dass sie die Kritik bereits offen bei Bundeskanzler Olaf Scholz angebracht hatte "und alle haben Besserung gelobt". Dennoch sei es immer wieder passiert, dass die Gesetze "schnell durchs Parlament" gejagt wurden. "Das kann man mal machen in Krisensituationen. Da muss ein Parlament auch schnell sein und das kann es auch, aber es ist kein Dauerzustand", stellte Bas klar.
Markus Lanz reagierte überrascht: "Das war mir so nicht klar, dass das dieser Dauerzustand war." Bas nickte nachdenklich: "Das war fast gefühlt ein Dauerzustand (...) Und daran merkte man einfach, dass es in dieser Koalition schwieirg war, eine Einigung zu finden. Deshalb gab es so eine gewisse Erleichterung." Markus Lanz sprach daraufhin die "Krise der Demokratie" an und hakte bei der Bundestagspräsidentin nach, ob sie eine Veränderung bei ihrer Arbeit spüre. Bas gab offen zu, dass die Stimmung nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Parlament durchaus "aggressiver geworden" ist.
Laut der Politikerin sei es daher wichtig, darüber nachzudenken, "wie wir Politik machen" und "wie wir miteinander umgehen". Man könne sich zwar "in der Sache auch richtig heftig streiten", dies dürfe jedoch nicht ständig in "persönlichen Angriffen" und "Diffamierungen" enden. "Die Polarisierung wächst, die Ordnungsrufe steigen, übrigens auf allen Seiten", so Bas über ihren Arbeitsalltag. Sie fügte mit ernster Miene hinzu, dass die Ordnungsrufe mittlerweile "als Trophäen im Internet benutzt werden".
"Es ist wie eine Spirale, die irgendwie eskaliert. Die einen diskriminieren, die anderen lassen sich das nicht gefallen. Und im Moment ist es wirklich so sehr anstrengend, diese Sitzungen zu leiten", sagte Bas. Die Bundestagspräsidentin betonte dabei, dass sich sogar viele Bürger von dem Umgangston im Parlament "abgestoßen" fühlten. "Sie nehmen nur wahr, die beschimpfen sich gegenseitig, die haben keinen Respekt mehr untereinander, und ich krieg ganz viele Bürgerbriefe, wo drinsteht, ich guck mir das nicht mehr an, das ist kein Parlament, das ist schlimmer als im Kindergarten, schlimmer als auf dem Schulhof." Bas finde das "dramatisch", da es wichtig sei, dass die Menschen die Debatten auch sehen, "dass auch sichtbar wird, wo die Unterschiede zwischen den Parteien sind."
Das war das Rede-Duell des Abends
Obwohl sich Bärbel Bas innerhalb der Sendung so neutral wie möglich verhielt, forderte sie Markus Lanz heraus, als er wissen wollte, wie sie die persönlichen Angriffe des Kanzlers gegen Ex-Finanzminister Christian Lindner bewertete. "War die Reaktion des Kanzlers in Ordnung?", fragte Lanz. Bas reagierte schwammig: "Ich stecke da ja nicht in diesen drei Herren drinnen, dass ich insofern nicht weiß, was da so über Wochen vorgegangen ist."
Lanz konterte daraufhin, dass die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel das Verhalten von Scholz und Lindner mit dem simplen Wort "Männer!" verurteilte. "Ist das ein Ego-Thema, über das wir hier reden?", hakte Lanz interessiert nach. Die SPD-Politikerin antwortete schmunzelnd: "Ich habe auch kurz genickt." Eine Steilvorlage für den ZDF-Moderator, der irritiert fragte, wie es sein könne, dass man sich nach dem Scheitern der Ampel wieder als Kanzlerkandidat aufstellen lassen könne. "Wo ist die Konsequenz?", fragte Lanz streng.
Bas konterte prompt: "Die Konsequenz ist ja, dass diese Ampel gescheitert ist und wir jetzt eine Neuwahl haben." Als Lanz erneut fragte, ob sich Olaf Scholz "zurecht" erneut als Kanzlerkandidat aufstellen lasse, antwortete die Bundestagspräsidentin knapp: "Das ist nicht meine persönliche Entscheidung." Sie könne durchaus "nachvollziehen", dass "vielleicht die Bürgerinnen und Bürger sagen: Wie kann das sein?". Dennoch könne sie es auch "menschlich" nachempfinden, dass Politiker wie Scholz, Habeck und Lindner ihre politischen Ziele weiter verfolgen wollen. Sie nehme den Dreien ab, "dass sie für ihre Parteiprogrammatik glaubhaft stehen. Insofern können sie auch kandidieren."
Ähnlich verhalten reagierte Bärbel Bas, als es um den Konflikt im Nahen Osten ging. Nachdem der Internationale Strafgerichtshofes kürzlich einen Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erlassen hatte, wollte Lanz wissen: "Sollte
Netanjahu sei immerhin "der Repräsentant eines demokratischen Staates, der permanent angegriffen wird". Auf der anderen Seite gebe es natürlich die Frage der Menschenrechtsverletzungen. "Wir haben eine wertebasierte Außenpolitik und die finde ich auch richtig. (...) Völkerrecht muss gelten", so Bas deutlich. Sie stellte gleichzeitig klar, dass man Haftbefehle anerkennen muss, "wenn man den Gerichtshof anerkennt". Lanz stichelte daraufhin: "Müsste sich der Kanzler da klar äußern? Wer bei mir Führung bestellt, der bekommt sie?" Eine Frage, auf die Bas erneut schwammig konterte: "Das muss der Kanzler entscheiden."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz schaffte es, mit Bärbel Bas nicht nur über das Scheitern der Ampel, sondern auch über ihren Arbeitsalltag als Bundestagspräsidentin zu sprechen. Am Ende der Sendung musste der Moderator zugeben: "Nichts für schwache Nerven - Politik in diesen Zeiten."
Das war das Fazit bei "Markus Lanz"
Auch wenn sich Bärbel Bas mit der Frage schwertat, ob die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz gerechtfertigt sei, hakte Lanz im Laufe der Sendung unbeirrt weiter nach: "Wie haben Sie das Hickhack in Ihrer eigenen Partei wahrgenommen um die Frage der Kanzlerkandidatur?" Bas räusperte sich auffällig und sagte nach einer kurzen Pause: "Ich glaube, das war für alle kein erfolgreicher Prozess, dass das so lange gedauert hat."
Sie stellte sich dennoch entschlossen hinter Scholz und stellte klar, dass man die K-Frage früher hätte entscheiden sollen. "Wie sehr hat das Scholz beschädigt?", wollte Lanz daraufhin wissen. Bas antwortete besonnen und bezog sich auch auf SPD-Politiker Boris Pistorius, als sie sagte: "Ich hoffe, dass beide nicht beschädigt sind, weil beide wirklich herausragende Sozialdemokraten sind." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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