"Wir Kreuzfahrer und Billigflieger – wer zahlt den Preis für den Massentourismus?": Angesichts überfüllter Urlaubsorte eine mehr als berechtigte Frage - wobei die Antwort aufgrund der Faktenlage eigentlich hinlänglich bekannt ist. Das ist zumindest das Ergebnis des "Hart aber fair"-Talks. Überraschend an der Diskussionsrunde war deshalb in erster Linie die Selbstkritik eines Gastes.

Christian Vock
Eine Kritik

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"Ich möchte zu Anfang gleich was klären: Es geht nicht darum, Ihnen Ihren Sommerurlaub nachträglich mies zu machen. Wir wollen nur offen aussprechen, was Sie wahrscheinlich heimlich schon denken: So kann es eigentlich nicht weitergehen."

Frank Plasberg beginnt die Diskussionsrunde mit einem Satz, der symptomatisch ist für Diskussionen um mehr Nachhaltigkeit.

Ja, man müsste mehr tun. Ja, eigentlich weiß jeder, was auf dem Spiel steht. Aber daran erinnert werden wollen wir nicht, schon gar nicht, wenn es um Urlaub, jene Wochen im Jahr, die wir uns hart erarbeiten.

Doch Frank Plasberg ließ uns das Verdrängen einmal weniger durchgehen.

Mit diesen Gästen diskutierte Frank Plasberg:

  • Dirk Schümer, Journalist für "Die Welt", lebt teilweise in Venedig
  • Manuel Andrack, Autor, Moderator und begeisterter Wanderer
  • Sweelin Heuss, Sprecherin von Greenpeace Deutschland
  • Matthias Distel, Party-Sänger, bekannt als Ikke Hüftgold
  • Karl Born, ehemaliges Vorstandsmitglied von TUI und Professor für Tourismusmanagement
  • Matthias Morr, testet auf seinem Youtube-Kanal Kreuzfahrtschiffe

Darüber wurde bei "Hart, aber fair" gesprochen:

Massentourismus: Bilder von überlaufenen Städten, Stränden und Sehenswürdigkeiten hat Frank Plasberg reichlich zu bieten. Sie alle sagen: Spaß macht das nicht. Weder für die Anwohner noch für die Touristen selbst.

Vor allem Dirk Schümer, der in Venedig lebt, weiß davon zu berichten, wie der Massentourismus die Menschen, die in den Urlaubsorten leben, beeinträchtigt.

Tourismusexperte Born erkennt dabei ein Dilemma: "Städte wollen das Geld der Touristen, aber die müssen das ja nicht persönlich vorbeibringen." Hier sieht Born die Städte in der Pflicht, den Tourismus zu regulieren.

Billigflieger und Billigurlaub: Fliegen ist zu billig, sagt vor allem Sweelin Heuss. Das müsste jedem klar sein, der sieht, dass man für 29 Euro von Köln/Bonn nach Mallorca fliegen kann. "Dieser Preis könnte nicht sein, wenn man die Umweltfolgekosten in dem Gesamtpreis berücksichtigen würde."

Die Verantwortlichen würden die Gewinne einstreichen, die Kosten für die Schäden aber der Allgemeinheit überlassen, kritisiert Heuss.

Born wundert sich hingegen über die Naivität von Billigurlaubern. Die würden zwar die günstigsten Angebote haben wollen, vor Ort beschwerten sie sich aber, wenn die Leistung nicht stimmt: "Wie kann man so wenig misstrauisch sein bei so einem Angebot?", so Born über Schnäppchenpreise.

Kreuzfahrten: "Schwimmende Müllverbrennungsanlagen", nennt Greenpeace-Sprecherin Heuss Kreuzfahrtschiffe und meint damit zum einen den unglaublichen Kraftstoffverbrauch und gleichzeitig die gesundheitsschädlichen Emissionen der Schiffe.

Bis auf Kreuzfahrtliebhaber Morr ist niemand in der Runde von Kreuzfahrten angetan.

Das waren die Erkenntnisse:

Selten herrschte so viel Einigkeit bei einer "Hart, aber fair"-Ausgabe. Schließlich sprechen die Fakten eine klare Sprache. Die Städte und Sehenswürdigkeiten sind überlaufen, die Anwohner genervt, die Umwelt leidet.

Dirk Schümer bringt es auf den Punkt: "Die Leute, die eine andere Stadt bereisen und sehen wollen, sehen am Ende nur noch andere Touristen."

Wie kann man das ändern? Zu Plasbergs Erstaunen sind seine Gäste für eine politische Regulierung des Massentourismus.

Born ist der Meinung, dass die Politik den Tourismus steuern könne, sie müsse sich nur fragen: "Was will ich? Erfolg oder etwas für meine Anwohner tun?"

Heuss von Greenpeace sieht einen Lösungsansatz darin, zum Beispiel Kerosin zu besteuern, was derzeit nicht der Fall ist. Andere Länder wie Holland seien hier weiter. Sänger Matthias Distel forderte zudem einen Ökologie-Unterricht bereits in den Schulen.

Das Rededuell des Abends:

Fiel aus wegen zu großer Einstimmigkeit. Es gab niemanden in der Runde, der bezweifelte, dass der Weg, den man mit Massentourismus, Kreuzfahrten und Billigflügen eingeschlagen hat, in die Sackgasse führt.

Dementsprechend fiel auch der Hinweis Plasbergs auf den obligatorischen Faktencheck seiner Sendung aus: "Weiß gar nicht, ob es da so viel zu checken gibt."

Merkwürdigster Auftritt des Abends:

Matthias Morr ist begeistert von Kreuzfahrten. Auf seinem Youtube-Kanal testet er Kreuzfahrtschiffe und erreicht damit nach eigenen Angaben 200.000 Menschen im Monat. Umso erstaunlicher war dann sein Auftritt, bei dem er keinen einzigen Grund nennen konnte, warum man denn eine Kreuzfahrt unternehmen sollte.

Im Gegenteil: Auf Nachfragen Plasbergs zählte Morr eine Reihe von Gründen auf, die gegen Kreuzfahrten sprechen: Tausende Menschen auf einem Schiff, keine Möglichkeiten, Länder wirklich kennenzulernen oder der fehlende Nutzen für die Leute vor Ort, wegen der Vollpension der Kreuzfahrer.

So schlug sich Frank Plasberg:

Durchwachsen. Zwar stellte er hin und wieder die richtigen Fragen, etwa danach, wie man die realen Kosten denn berechnen könne.

Dann aber schien ihm die eigene Talkrunde wiederum weniger wichtig, als es das Thema vermuten ließ. Er unterbrach an den wichtigen Stellen seine Gäste und schien statt an einer seriösen Diskussion eher Gefallen an belanglosen Kleinigkeiten zu finden.

So amüsierte er sich beispielsweise an der Axt, die auf dem Bild eines eingeblendeten Userfotos zu sehen war oder interessierte sich dafür, wie Sänger Icke Hüftgold auf seine Texte kommt.

Negativer Höhepunkt war der Moment, als Hüftgold seine charakteristische Perücke hervorholen sollte, damit die Zuschauer ihn auch erkennen.

Das Fazit:

Massentourismus macht keinen Spaß. Diese Form des Reisens übersteigt die Kapazitäten von Mensch und Umwelt. Oder wie es Sweelin Heuss ausdrückt: "Weltweit 3,5 Milliarden Touristen im Jahr – da ist die Völkerwanderung ein Klassenausflug gewesen."

Ein Ansatz, die Dinge wieder ins Gleichgewicht zu bringen, ist, da ist sich die Runde einig, politische Regulierung.

Eine andere Lösung zeigt Matthias Distel. Der Ballermann-Barde gibt sich mehr als selbstkritisch an diesem Abend, gibt zu, dass er in der Vergangenheit Fehler gemacht, den Massentourismus auf Mallorca mit gefördert hat.

Inzwischen lebe er in mancherlei Hinsicht bewusster: "Man braucht mal einen Punkt, bei dem man mit Umdenken anfängt." Über seine frühere Vielfliegerei sagt er: "Ich habe mich gefragt: Hätte das eigentlich sein müssen?"

Dass er es ernst mit seinem neuen Bewusstsein meint, zeigt Distel im Lauf der Diskussion. Als Heuss Youtuber Morr auffordert, bei seinen Kreuzfahrttests doch auch einmal ökologische Aspekte zu testen, vertröstet der auf die Zukunft, wenn sich die Menschen mehr für Nachhaltigkeit interessieren würden. Distel grätscht dazwischen: "Das ist mir zu lasch. Damit können wir morgen anfangen."

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