Mit der Zahl der Flüchtlinge steigt auch die Zahl der rechtsradikalen Gewalttaten in Deutschland. Frank Plasbergs Polit-Talk "Hart aber fair" wollte den Ursachen des rechten Hasses auf den Grund gehen, bot dann aber vor allem der Parteichefin der AfD eine Plattform.

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Es geschah an einem ganz gewöhnlichen Wochentag: Im niedersächsischen Salzhemmendorf sitzen drei junge Leute zusammen, zwei von ihnen betrinken sich, sie hören rechtsradikale Musik, dann bauen sie einen Molotowcocktail und werfen ihn in eine Flüchtlingsunterkunft. Davor huldigen sie mit ihren Freunden in Whats-app-Gruppen Adolf Hitler. Aber Nazis? Sind sie nicht, und rassistisch sind sie auch nicht. Sagen sie selbst, sagen ihre Verwandten. Sind doch eigentlich "nette Kerle".

Der Einspieler, mit dem "Hart aber fair" beginnt, lässt einen erst mal sprachlos zurück. Georg Mascolo vom Reportage-Pool des NDR, des WDR und der Süddeutschen Zeitung hat versucht, eine Erklärung für die steigenden Zahlen solcher Gewalttaten gegen Flüchtlinge zu finden: Steckt eine rechtsradikale Struktur dahinter? In Salzhemmendorf war dies nicht der Fall, die Täter waren nicht organisiert - wie auch in fast zwei Dritteln aller anderen Fälle, in denen die Täter bekannt sind.

In Deutschland brennen also wieder Flüchtlingsheime. 776 Gewalttaten gegen Asylbewerberheime sind 2015 bereits registriert worden. Keine schlechte Idee, das als Thema für eine Sendung wie "Hart aber fair" zu wählen und die Gründe für diese Taten untersuchen zu wollen. Doch die Talkrunde verrennt sich schnell.

Frauke Petry lenkt die Diskussion

Das liegt vor allem an AfD-Parteichefin Frauke Petry, die es immer wieder schafft, die Diskussion zu lenken. Schon bei der ersten Frage nach der Ursache des Hasses zieht sie eine gefährliche Verbindung: Dass der Fremdenhass in Deutschland gestiegen sei, müsse statistisch erst noch bewiesen werden - schließlich sei ja auch die Zahl der Flüchtlinge gestiegen. Als zögen mehr Flüchtlinge auch ganz selbstverständlich mehr Gewalttaten mit sich. Als wäre die Beobachtung, dass die absoluten Zahlen dieser Taten gestiegen sind, irgendwie inkorrekt.

Von solchen Situationen wird es noch viele geben in dieser Sendung: Frauke Petry zieht abenteuerliche Querverbindungen und stellt nassforsch Behauptungen auf, ohne sich nennenswertem Gegenwind ausgesetzt zu sehen. Sie zeichnet das Bild einer Polizei, die so mit der Flüchtlingssituation beschäftigt ist, dass sie im Notfall nicht mehr schnell genug herbeigerufen werden könne. "Die Bürger merken das." Eine Behauptung, die so nicht zu belegen ist - aber das muss Petry hier auch nicht. Lieber nutzt sie die Gelegenheit, die Mantren ihrer Partei zu wiederholen.

Irgendwann fällt dann auch dem Moderator auf, dass die Diskussion sich verlagert hat. "Das ist hier keine AfD-Sendung", sagt Frank Plasberg - um sich dann aber gleich wieder an Petry zu richten: Ob sie nicht fürchte, dass unter den Anhängern ihrer Partei auch solche "unbescholtenen Bürger" wie die drei Salzhemmendorfer seien, die Gewalttaten verüben? Petry beteuert, sie dulde keine feindlichen Parolen.

"Ich wünsche dir einen qualvollen Tod"

Über feindliche Parolen kann Dunja Hayali einiges erzählen: Die Moderatorin, die sich öffentlich für Flüchtlinge einsetzt, erhält täglich Hass- und Droh-Mails. "Ich wünsche dir und deiner Familie einen qualvollen Tod", heißt es darin zum Beispiel. "Ich frage mich manchmal, ob bald wirklich mal jemand vor meiner Tür steht", sagt die Journalistin.

Das ist das Stichwort für Joachim Lenders, den Vorsitzenden der Hamburger Polizeigewerkschaft: Auch von Linksradikalen gebe es Drohbriefe. Frauke Petry ist entzückt - und stellt gleich mal das Thema der ganzen Sendung infrage: Warum wird hier überhaupt nur über Gewalt von rechts geredet?

Wirklich interessant könnte es nach einem Videomitschnitt werden, in dem ein Wachmann in einer Flüchtlingsunterkunft die Wiederinbetriebnahme von Konzentrationslagern als Lösung für die Flüchtlingssituation vorschlägt. Plasberg fragt: Wenn die AfD das Bild von lügenden Medien zeichnet, trage sie damit nicht zur Radikalisierung bei? Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) wirft der AfD vor, Ängste zu schüren und sie politisch zu instrumentalisieren. Doch Petry dreht das Blatt einfach um: Die AfD sei ja nicht verantwortlich für die Asylpolitik.

Nur fair, aber nicht hart

Genau hier wäre der Punkt gewesen, an dem Plasberg, aber auch die Gäste mit Petry hätten diskutieren können: Darüber, dass unser reiches Deutschland auch bei zehn Milliarden Euro Ausgaben für Flüchtlinge nicht Gefahr läuft, am Hungertuch zu nagen. Darüber, dass Länder wie Libanon, Türkei und Jordanien weitaus mehr Flüchtlinge aufnehmen als wir. Und darüber, dass sich keine alte Dame hierzulande sorgen muss, dass ihre Rente wegen der vielen Syrer gekürzt werden wird.

Einfach wäre das nicht gewesen, denn wenn Frauke Petry spürt, dass sie argumentativ ins Schwimmen kommt, wird sie schnippisch bis zeternd. Dunja Hayali sei vergönnt, dass sie irgendwann resigniert fragt: "Sind Sie überhaupt noch für irgendwas zugänglich?" Doch Frank Plasberg hätte versuchen müssen, nicht nur fair, sondern auch hart zu sein. Dann hätte Petry vielleicht auch mal erklären müssen, wie sie sich eigentlich eine Lösung der Flüchtlingssituation im Detail vorstellt.

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