In vielen Städten und Regionen sind Mieten und Immobilienpreise kaum noch erschwinglich. Die Suche nach bezahlbarem Wohnraum gleicht dort der Suche nach dem Heiligen Gral. "Wenn Wohnen arm macht" ist deswegen das Thema der Sendung "Hart aber fair". Wie lässt sich die Wohnungsnot wirksam bekämpfen? Auf eine schnelle Lösung des Problems können die Mieter jedoch nicht hoffen.

Eine Kritik

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Wohnen betrifft alle: Studenten, Unternehmer, Arbeitnehmer, Familien, Rentner. Doch in vielen Orten in Deutschland können sich Gering- bis Normalverdiener wie Krankenschwestern oder Busfahrer keine bezahlbare Wohnung mehr in der Nähe ihres Arbeitsplatzes leisten.

Gleichzeitig werden Rentner aus ihren Wohnungen gedrängt und die Familiengründung stürzt junge Städter in Existenzängste.

In der ARD-Sendung "Hart aber fair" am Montagabend versucht Moderator Frank Plasberg den Ursachen dieser Entwicklung auf den Grund zu gehen. Es ist ein hoch aktuelles Thema: Auf der einen Seite steht der Glaube an die Kraft des Marktes, dem der Staat möglichst wenig Hürden bereiten soll.

"Die Vorschriften müssen entrümpelt werden", meint FDP-Politikerin Katja Suding. Es müsse mehr für alle gebaut werden, doch die Baukosten in Deutschland seien zu hoch.

Wenn Wohnen zur Ware wird

Für Justizministerin Katarina Barley (SPD) darf sich dagegen der Staat nicht zurückziehen: "Wir haben eine Niedrigzinsphase. Wir müssen es derzeit nicht attraktiver machen, in Immobilien zu investieren."

Sie kritisiert, dass viele Bundesländer vor Jahren ihre Wohnungen verkauft haben: "Die öffentliche Hand hat ihr Eigentum zum Teil verschleudert."

Grünen-Politiker Florian Schmidt ist Baustadtrat in Berlin und kennt die Situation am eigenen Leib: Noch immer wohnt er mit Frau und zwei Kindern in seiner Berliner Studentenbude.

Sein Schreibtisch steht im Kinderzimmer, zeigt er in der WDR-Doku "Ungleichland". Nicht nur die Höhe der Mieten selbst seien in Berlin ein Problem, sondern schlicht ein mangelndes Angebot: "Der Markt ist leergefegt."

Christine Hannemann ist Professorin für Wohnsoziologie an der Universität Stuttgart. Sie hat in ihrem Beruf in den vergangenen Jahrzehnten eine "dramatische Entwicklung der Wohnkosten" verfolgt.

Besonders stört sie, dass "Wohnen als Ware" gehandelt wird. In London würden ganze Straßenzüge als Investment gebaut oder luxussaniert. "Bei hohen Quadratmeterpreisen wird das gebaut, was wir nicht brauchen", sagt die Wohnsoziologin. "Das macht unsere ganze Stadtgesellschaft kaputt."

Normalverdiener werden verdrängt

Doch Wohnungen sind nicht nur "begehbare Investmentfonds", sie sind Lebensgrundlage. Was passiert, wenn diese nicht mehr finanzierbar ist, zeigen zwei Fälle in der Sendung: Eine Krankenschwester kann sich die Mieten in München nicht mehr leisten und zieht deswegen weg.

Dabei werden in München Krankenpfleger, wie auch Busfahrer und andere Berufsgruppen, dringend gesucht.

Eine Rentnerin aus dem Hamburger Süden will einen Umzug gerne vermeiden. Die Vorstellung, ihre Wohnung und das gewohnte Umfeld verlassen zu müssen, macht ihr Angst. Doch ihr Wohnhaus wird aufwendig saniert - und lässt ihre Miete fast um die Hälfte steigen. Im schlimmsten Fall muss sie Hartz IV beantragen.

Unklar ist für die Rentnerin, ob die baulichen Maßnahmen in dem alten Gebäude wirklich der Modernisierung dienen. Oder ob sie nicht einfach für die Instandhaltung nötig sind und sich daher eigentlich nicht auf die Miete auswirken dürften.

Der Eigentümer des Wohnhauses ist der börsennotierte Immobilienkonzern Vonovia. Moderator Plasberg stellt daher die provokante Frage, ob die Hamburger Rentnerin somit nicht die Dividende von Vonovia bezahlt.

Klaus-Peter Hesse, Geschäftsführer des Zentralen Immobilien-Ausschusses, will seine Branche nicht an den Pranger gestellt sehen. "Vonovia ist kein schwarzes Schaf", betont er. Die vielen staatlichen Vorschriften, wie Umweltauflagen oder Barrierefreiheit, müssten auch alle bezahlt werden.

Und die Modernisierung, zum Beispiel neue Fenster, senke schließlich auch die Betriebskosten der Mieter. Als einige Zuschauer daraufhin lachen, erwidert Plasberg: "Das Publikum lacht, weil jeder weiß, dass solche Einsparungen nicht die Mieterhöhung decken."

Was bringt die neue Mietpreisbremse?

Doch was lässt sich tun, um die Wohnungsnot tatsächlich wirksam zu bekämpfen? Und vor allem: schnell?

Die Große Koalition hat sich eine überarbeitete Mietpreisbremse überlegt. Die erste Version zeigte kaum Wirkung, weil sie für die Mieter zu große Risiken bedeutete. Diese will Barley nun beseitigt wissen, dank einer "einfachen Rüge", die der Mieter bei Wucherpreisen auch nach der Unterschrift unter den Mietvertrag einreichen könne.

Keine gute Voraussetzung für die Beziehung zwischen Mieter und Vermieter kritisieren dagegen Plasbergs übrige Gäste. "Psychologisch belastend", findet Wohnsoziologin Hannemann und Grünen-Politiker Schmidt glaubt nicht an eine durchschlagende Wirkung: "Da suchen sich die Vermieter doch diejenigen aus, bei denen das Gehalt stimmt."

Unternehmensvertreter Hesse hält die Mietpreisbremse für Populismus, es sei "Opium fürs Volk". Er behauptet, dass auch hochpreisige Immobilien den Wohnungsmarkt entlasten würden, da die Gutverdiener dorthin abwandern und somit Wohnungen für Normalverdiener frei würden. Im BWL-Jargon wird das "Durchsicker-Effekt" genannt.

Das regt Barley auf: "Ganz Berlin ist voll von diesen riesigen Luxusimmobilien!", wettert die SPD-Politikerin. "Die gehören aber Investoren aus dem Ausland, da sickert nichts!" Die Besitzer seien nur zwei Wochen im Jahr in ihren Wohnungen.

Ob gierige Investoren, die anhaltende Niedrigzinsphase, eine zunehmende Verstädterung oder fehlender sozialer Wohnungsbau: Die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt hat viele Ursachen. Doch sie sind zu komplex, als dass die Betroffenen auf eine schnelle Lösung hoffen könnten.

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