Am vergangenen Mittwoch wurde die Ampel-Regierung mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts konfrontiert, das die Umwidmung von 60 Milliarden Euro ungenutzter Mittel, die ursprünglich zur Bewältigung der Corona-Pandemie vorgesehen waren, für verfassungswidrig erklärte.

Eine Kritik
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Vor allem die Finanzplanung des Bundeswirtschaftsministers steht durch die Entscheidung auf der Kippe: Bei "Markus Lanz" sollte Vizekanzler Robert Habeck Stellung dazu beziehen, wich dem ZDF-Moderator aber bei mehreren wichtigen Fragen aus.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

In der vergangenen Woche erklärte das Karlsruher Bundesverfassungsgericht eine Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Haushalt der Ampel-Regierung aus dem Jahr 2021 für verfassungswidrig. Die Summe war einst zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden. Später wurde sie jedoch unter anderem für Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt.

Markus Lanz beleuchtete am Dienstagabend, inwieweit das Karlsruher Haushaltsurteil zur Gefahr für die weiteren Ziele der Ampel werden könnte. Zudem debattierte er über mögliche Steuererhöhungen für deutsche Bürger.

Das sind die Gäste

  • Robert Habeck, Vizekanzler: "Das Urteil ist ein Rückschritt für alle bereits unterschriftsreif gemachten Pläne."
  • Stephan Weil, SPD-Politiker: "Wir brauchen eine sinnvolle Reform der Schuldenbremse."
  • Veronika Grimm, Ökonomin: "Das Urteil ist ein finanzpolitischer Wendepunkt."
  • Helene Bubrowski, Journalistin: "Man kann nicht eine derart wichtige Sache auf so wacklige Füße stellen."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Markus Lanz. Stephan Weil
Im Gespräch mit Markus Lanz (l.) forderte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil "eine sinnvolle Reform der Schuldenbremse". © ZDF / Cornelia Lehmann

Der aus Berlin zugeschaltete Vizekanzler Robert Habeck musste sich zu Beginn der Sendung die Frage gefallen lassen, wie es überhaupt zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommen konnte. Markus Lanz spielte dem Politiker eine kurze Videosequenz vor, in der Habeck bereits im Juni eindringlich vor einer Klage der Union gewarnt hatte. Damals sagte er: "Das in der Tat würde bedeuten, dass uns der Fußboden weggezogen wird, auf dem wir versuchen, die wirtschaftliche Situation in Deutschland zu stabilisieren. (...) Das würde Deutschland wirklich wirtschaftspolitisch hart, hart treffen. Wahrscheinlich so hart, dass wir das nicht bestehen werden."

Markus Lanz reagierte fassungslos: "Das ist ein Wahnsinnssatz!" Robert Habeck blieb jedoch verhalten und sagte: "Dieser ganze Komplex der Schuldenbremse und ihrer Auslegung ist ja bisher noch nie durchgeklagt oder durchgeurteilt worden, insofern gab es verschiedene Stimmen, aber noch keine juristische Bezugsgröße. Die haben wir jetzt vom Bundesverfassungsgericht bekommen. Jetzt herrscht Klarheit, dass die Schuldenbremse im deutschen Grundgesetz sehr streng, sehr fundamental ist." Markus Lanz hakte nach: "Zu Recht?" Der Vizekanzler antwortete knapp: "Das hat das Bundesverfassungsgericht, unser höchstes Gericht, so entschieden. Und das Recht, das es spricht, ist das Recht in der Bundesrepublik Deutschland."

Habeck ergänzte mit ernster Miene, dass es neben dem "tiefen wirtschaftlichen Einbruch" aktuell auch eine "Energiekrise" sowie eine "instabile Weltlage" zu bewältigen gebe. "Wir sind in einer krisenhaften Situation", so der Politiker, der hinzufügte, dass die Industrie des Landes "massiv unter Druck" stehe. "Um in dieser Lage die wirtschaftliche Substanz Deutschlands zu schützen (...), haben wir diese Gelder gut gebrauchen können. Und das ist ja das Problem, vor dem wir jetzt stehen. Jetzt sind sie erst einmal weg und wir müssen an anderen Stellen andere Summen oder ähnliche Summen auftreiben", stellte Habeck klar.

Er fügte hinzu: "Die Summe, die der deutschen Volkswirtschaft fehlt, ist viel größer als die 60 Milliarden. Die sind ja nur sozusagen der Kick-off (...) für weitere Investitionen." Umso irritierter sei er über das "Frohlocken in der Union", wie er offen zugab: "In der Tat, was ich nicht angemessen finde, (...) ist der Umgang mit dem Urteil." Laut Habeck müsse man sich klarmachen, "was sich damit verbindet" und bestenfalls "einen Modus finden (...), wo wir uns gegenseitig helfen oder stützen". Im Gespräch mit Lanz appellierte er daher abschließend dafür, "dass in Deutschland die Politikerinnen und Politiker belohnt werden, die eine Lösung herstellen wollen und keine Lösung verhindern".

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Beim Stichwort Lösung wurde Markus Lanz hellhörig und merkte an: "Man hat das Gefühl, Sie sind kalt davon erwischt worden. Gibt es einen Plan B?" Der Vizekanzler hielt sich bedeckt und erklärte, dass die Lösung nicht in Talkshows, sondern hinter den Kulissen vorbereitet werden müsse. Lanz wollte kurz darauf wissen, ob Habeck Steuererhöhungen für die deutschen Bürger ausschließe. Doch auch darauf antwortete der Politiker schwammig: "Das ist jetzt alles Spekulation und ich möchte mich daran nicht beteiligen."

Der ZDF-Moderator stichelte jedoch unbeirrt weiter: "Aber Sie schließen sie nicht aus?" Eine Unterstellung, die Habeck nicht unkommentiert ließ: "Das ist unfair, Herr Lanz, wenn Sie jetzt sagen (...): 'Aha, dann habe ich eine Äußerung gehört'. Es ist jetzt tatsächlich eine sensible Phase." Eine Phase, in der das Geld für wichtige Investitionen fehle. Markus Lanz fragte deshalb, ob in Zukunft "Wirtschaft vor Klima" komme. Habeck schüttelte energisch mit dem Kopf: "Nein, das wäre der falsche Gegensatz!" Der Grünen-Politiker ergänzte: "Die Interpretation, 'Jetzt ist dem Klimaschutz der Zacken aus der Krone gebrochen worden', die ist im besten Fall ein Viertel richtig."

Da sich Robert Habeck nicht so leicht aus der Reserve locken ließ, hakte der ZDF-Moderator weiter kritisch nach: "Im Juni haben Sie schon geahnt, was auf Sie zukommt. Wie kann es sein, dass man so dermaßen nicht vorbereitet ist auf dieses Szenario?" Habeck antwortete: "Der politische Modus vivendi ist von Anfang an, eine Krise nach der anderen zu bestehen und abzuarbeiten." Lanz unterbrach den Politiker erneut: "Aber Sie haben die Krise geahnt, Herr Habeck!"

Der Moderator wollte zudem wissen, inwieweit Finanzminister Christian Lindner Mitschuld an der Krise habe, indem er die Schuldenbremse einhalten wollte. Habeck wiegelte jedoch ab: "Wir treffen Entscheidungen als Regierung gemeinsam." Dass der Notstand 2023 nicht ausgerufen wurde, sei demnach "eine gemeinsame Entscheidung der Regierung gewesen". "Eine Entscheidung, hinter der Sie gestanden haben?", wollte Lanz wissen. Eine Steilvorlage, auf die Habeck vielsagend antwortete: "Ich will jetzt nicht den Bundeskanzler zitieren, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern." Lanz reagierte lachend: "Das sagt ja alles."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz verbrachte einen Großteil der Sendung damit, Vizekanzler Robert Habeck aus der Reserve zu locken und ihn mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu konfrontieren. Dies gelang dem ZDF-Moderator größtenteils gut, auch wenn sich Habeck bei den wichtigen Fragen bedeckt hielt.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Wie es jetzt nach dem Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts weitergeht, konnte auch Robert Habeck bei "Markus Lanz" nicht ganz beantworten. "Im Moment kommen wir gerade aus einer Phase heraus, die vielen Menschen sehr viel zugemutet hat", so Habeck nachdenklich. Deswegen sei es laut des Grünen-Politikers wichtig, nicht im sozialen Bereich den Druck noch einmal zu erhöhen. Gleichzeitig machte Habeck deutlich, dass die 60 Milliarden "nicht einfach so zusammenzukratzen" seien und es jetzt darum gehe, "schnell Lösungen zu finden".

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde Robert Habeck indirekt mit den Worten zitiert, es sei "eine gemeinsame Entscheidung der Regierung gewesen", für das Jahr 2021 keinen Notfall auszurufen (und also die Schuldenbremse einzuhalten). Stattdessen ging es dabei aber um das Haushaltsjahr 2023. Wir haben die Passage entsprechend korrigiert.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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Teaserbild: © ZDF/Cornelia Lehmann