Ein Gewinner stand einen Tag nach der US-Präsidentschaftswahl noch nicht fest. Trotzdem blickte Sandra Maischberger mit ihren Gästen in die Glaskugel, welche Folgen die Abstimmung für das Land und für die Welt haben könnte. Bemerkenswert war die scharfe Kritik von Donald Trumps früheren Sicherheitsberaters John Bolton. Und dass ein Demokrat und ein Republikaner völlig unaufgeregt diskutieren konnten.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die US-Bürger haben am 3. November gewählt. Doch einen Sieger hat die mit Spannung erwartete Abstimmung auch einen Tag später noch nicht hervorgebracht.

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Präsident Donald Trump, der sich am Dienstag zum Sieger erklärte, Wahlbetrug anprangerte und später einen Auszählungsstopp von Stimmen in Michigan forderte, und sein Herausforderer Joe Biden lieferten sich bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen ums Weiße Haus – mit besseren Aussichten für Biden.

Bei Maischbergers Gästen sorgte Trumps Verhalten für Empörung. Vor allem sein Ex-Sicherheitsberater John Bolton ließ kein gutes Haar an seinem Ex-Boss. Doch auch die positiven Errungenschaften von Trumps Präsidentschaft wurden nicht verschwiegen.

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Wer sind die Gäste?

  • Ansgar Graw: Der Herausgeber des "European" sagte zu Trumps Wahlsieger-Rede: "Wir müssen Trump mit anderen Maßstäben messen als die Staatsmänner, die vorher im Weißen Haus gesessen haben". Zugleich betonte er, dass Trump die Auszählungen natürlich nicht stoppen könne. Eine Erklärung für sein überraschend gutes Abschneiden am Wahltag sieht der Experte in Trumps guter Bilanz auf dem Arbeitsmarkt vor Corona. Und seiner Panikmache vor dem angeblichen Sozialismus der Demokratischen Partei.
  • Christian Hacke: Der Politikwissenschaftler kritisierte Trumps Behauptung, die Wahl sei gefälscht und seine vorzeitige Erklärung zum Wahlsieger scharf. "Das was er gemacht hat, ist völlig unamerikanisch." Damit komme er nicht durch, so Hacke. Für Deutschland konstatierte er: "Der größte Teil der politischen Klasse steht noch unter Schock." Hacke bemängelte auch die extreme Personalisierung der Wahlen in den USA. Schon in den Vorwahlen seien viele wichtige Themen seiner Meinung nach nicht thematisiert worden.
  • Gayle Tufts: Die deutsch-amerikanische Entertainerin machte aus ihrer Ablehnung gegen den Präsidenten keinen Hehl. Sie würde ihm die eigenen Worte aus seiner früheren Erfolgsshow "The Apprentice" gern entgegenwerfen: You're fired - Sie sind gefeuert! Angst vor dem Schreckensszenario eines Bürgerkriegs hat die Deutsch-Amerikanerin trotz eines Einspielers mit entsprechenden Aussagen von Trump-Unterstützern nicht. "Ich glaube an die Vernunft der amerikanischen Leute."
  • John Bolton: Trumps früherer Sicherheitsberater übte scharfe Kritik an dessen Missachtung der demokratischen Prozesse. Er könne den Supreme Court gar nicht anrufen und die Auszählung von Stimmen stoppen. Auch seine Behauptung, es habe Wahlbetrug gegeben, hielt Bolton ihm vor. "Das ist eine Schande, was er da zeigt. Das ist beschämend", sagte Bolton. "Es gibt keinerlei Beweise für seine Behauptungen." Der stramm konservative Republikaner hat übrigens das erste Mal in seinem Leben nicht für den republikanischen Kandidaten gestimmt, wie er zugab.
  • Sahra Wagenknecht und Alexander Graf Lambsdorff: Das Duo diskutierte mit Maischberger am Ende der Sendung über die außenpolitischen Folgen der Wahl. Die Linken-Politikerin rechnet damit, dass Biden "die rücksichtslose Außen- und Wirtschaftspolitik der USA" fortsetzen werde. Der FDP-Politiker hofft nach dem möglichen Wahlsieg des Demokraten auf eine Verbesserung des transatlantischen Verhältnisses.

Was war das Rededuell des Abends?

Es war ein Wortgefecht, dass es erfreulicherweise gar nicht gab. Kenton E. Barnes von den "Democrats Abroad Germany" und Ralph Freund ("Republicans Abroad Germany") diskutierten trotz teils unterschiedlicher Auffassungen völlig unaufgeregt über die Wahl.

Einig waren sich beide, dass die demokratischen Institutionen der USA funktionieren und dass es das Wahlergebnis zu respektieren gelte – egal wer gewinnt. In den USA können Demokraten und Republikaner oft gar nicht mehr miteinander reden. Bei Maischberger war das "No Problem"! Übrigens wollte sich nicht einmal Freund, der zumindest seine Wirtschaftspolitik lobte, als Trump-Fan outen.

Was war der Moment des Abends?

Der Moment des Abends gebührte Gayle Tufts, die sich über einen absurden Vergleich herrlich aufregen konnte: Trumps Behauptung, die Demokratische Partei oder Biden würden die USA Richtung Sozialismus führen. "Wenn Joe Biden ein Sozialist ist, dann ist Florian Silbereisen der nächste Sänger von Rammstein und ich bin Heidi Klum", sagte Tufts – und erntete damit einige Lacher in der Runde.

Was ist das Ergebnis bei "Maischberger. die Woche"?

An die ganz große Katastrophe, einen Bürgerkrieg oder wochenlange Unruhen, wollte keiner der Gäste trotz Trumps Reaktionen auf die Wahl so recht glauben.

Ralph Freund hält es für möglich, dass Trump nach seiner möglichen Niederlage schnell von der politischen Bildfläche verschwinden könnte. Und Christian Hacke war sich indes gar nicht sicher, was überhaupt vom Trumpismus bleiben werde. Womöglich ja die Erinnerung an einige Gerichtsverfahren, die ihm nach dem Ausscheiden aus dem Amt blühen. Doch noch ist die Wahl nicht entschieden – auch wenn Biden zum Ende der Sendung die deutlich besseren Chancen auf eine Sieg zu haben schien und sich später in einer Rede diesbezüglich zuversichtlich äußerte.
Gayle Tufts liebäugelt sogar schon mit einer Präsidentin Kamala Harris, die Vizepräsidentschaftskandidatin der Demokraten. "In ein paar Jahren, wenn es Joe nicht mehr so gut geht, dann haben wir sie. Und sie spricht ganze Sätze und sie bewegt sich", witzelte die Deutsch-Amerikanerin.

Ansgar Graw traut Biden zu ein passabler Präsident zu werden. Der sei "ein netter Großvater", der das Land eine und nicht weiter spalte. Und damit genau das Gegenteil vom aktuellen Amtsinhaber.

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