Nach den Ergebnissen der letzten Pisa-Studie ist klar: Deutschland hat ein Bildungsproblem. Bei "Markus Lanz" zoffte sich Schüler Florian Fabricius mit CDU-Politikerin Karin Prien, als er skizzierte, welche Probleme an deutschen Schulen herrschen.
Experten warnen schon lange, dass sich die deutsche Bildungskrise zu einem echten Standortrisiko entwickeln kann. Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Erst vor wenigen Wochen wurde verkündet, dass deutsche Schüler im internationalen Leistungsvergleich Pisa im Jahr 2022 das bisher schlechteste Ergebnis erzielt haben.
Besonders in Mathematik, im Lesen und in den Naturwissenschaften schnitten deutsche Jugendliche deutlich schlechter ab als noch im Jahr 2018. ZDF-Moderator Markus Lanz nahm das am Donnerstagabend zum Anlass, genauer auf die verfehlte Bildungspolitik in Deutschland zu blicken.
Das sind die Gäste
Bettina Stark-Watzinger , FDP: "Wenn Bildung bröckelt, steigt das Misstrauen in Institutionen."- Karin Prien, CDU-Vizevorsitzende: "Die Föderalismusreform im Bildungsbereich ist ein krasser Fehler gewesen."
- Eva Quadbeck, Journalistin: "Wir haben in der Bildungspolitik vor allen Dingen ein Umsetzungsproblem."
- Florian Fabricius, Schüler: "Die Schüler von heute, das sind die Wähler von morgen."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Mit Blick auf den monatelangen Ampelstreit um die Kindergrundsicherung stellte Journalistin Eva Quadbeck klar: "Manchmal wär's auch besser, mehr in das Bildungssystem zu investieren und den Kindern aus armen Familien auch dort zu helfen. Und nicht immer nur die Debatte zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag zu so einer Neiddebatte zu machen."
Auch der 18 Jahre alte Schüler Florian Fabricius zeigte sich enttäuscht von der deutschen Bildungspolitik und bemängelte: "Politik beginnt da, wo die Mittel knapp werden. Und auch gerade sehen wir wieder: Der Bildungsetat wird gestrichen um 1,2 Milliarden Euro. (...) Da läuft irgendwas schief." Dagegen konterte FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger prompt: "Es ist nicht so, dass 1,2 Milliarden Euro in der Bildung gekürzt werden. Dem muss ich wirklich widersprechen! Es kommt eine Milliarde dazu!"
Davon ließ sich Florian Fabricius jedoch nicht überzeugen. Der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz wetterte weiter: "Wir haben das Gefühl, wir werden ein bisschen alleingelassen von der Politik auch als Schüler, auch als junge Menschen." Florian Fabricius sehe darin ein "großes Muster, das wir haben, dass wir Entscheidungen treffen in der Politik, ohne die Betroffenen einzubeziehen".
Laut des 18-Jährigen hätten deutsche Schüler zwar keine große Lobby, "aber wir sind mindestens genau so bedeutend. Nicht zuletzt auch, weil wir in einer Demokratiekrise stecken. Und die Schüler von heute, das sind die Wähler von morgen." Lanz reagierte lachend: "Das klingt jetzt wie eine Drohung!" Florian Fabricius erklärte dennoch weiter: "Wenn wir Schüler heute in die Politik mit einbezogen werden und wir merken, wir können die Demokratie mitgestalten, (...) wir haben Gestaltungsspielräume - dann sendet das natürlich auch das Signal, dass die Demokratie versucht, Leute zu beteiligen. Wenn wir das aber nicht tun, dann schießt die Politikverdrossenheit durch die Decke!"
Als Lanz den Schüler weiter nach seinem Schulalltag fragte, platzte es aus Florian heraus: "Wir werden bevormundet, wir werden belehrt." Der 18-Jährige ergänzte: "Wenn ich mit einem Politiker zum Beispiel rede, dann merke ich ganz oft, dass ich da sitze, nicht weil mir zugehört werden soll, sondern, weil es heißt: 'Ich erklär dir mal was'." Laut Florian Fabricius sehe die Politik nicht, dass auch junge Menschen "Impulse setzen", "Prioritäten setzen" und "auf Dinge aufmerksam machen" können.
In dem Zusammenhang kritisierte er, dass Probleme mit Schultoiletten ignoriert werden würden, weil das Thema "nicht so sexy" sei wie "KI an Schulen": "Oft sind die Prioritäten in der Politik (...) anders als das, was wirklich da draußen passiert." Markus Lanz fragte fassungslos: "Ist es nicht traurig, (...) das wir immer noch über solche Banalitäten sprechen?" Eva Quadbeck nickte zustimmend: "Wir haben in der Bildungspolitik vor allen Dingen ein Umsetzungsproblem."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Die CDU-Vorsitzende Karin Prien wehrte sich gegen die Vorwürfe und erklärte mit ernster Miene, dass sich die deutsche Schülerschaft seit 2012 "massiv verändert" habe: "Wir haben einen deutlich ansteigenden Anteil an Kindern mit Zuwanderungshintergrund. Wir haben aber auch insgesamt bei dem Nachwuchs, den wir in Deutschland haben, eine Veränderung mit Blick auf die soziale Schichtung. (...) Und wir haben ein völlig verändertes Elternverhalten." Lanz hakte überrascht nach: "Was heißt das?" Prien antwortete schwammig: "Das fängt an mit dem Zugang zu sozialen Medien und zu digitalen Endgeräten."
Der ZDF-Moderator ließ jedoch nicht locker und sagte: "Sprechen Sie es einfach gerade aus!" Die Politikerin erklärte energisch: "Zum Beispiel lesen immer weniger Eltern ihren Kindern etwas vor. (...) Das hat massive Auswirkungen!" Das fehlende Vorlesen sei zwar keine Entschuldigung für die deutsche Bildungsmisere, aber dennoch sei es gepaart mit der massiven Mediennutzung der Kinder und Eltern "eine dramatische Entwicklung".
Florian Fabricius konterte wütend: "Der Vorwurf ist, mit Verlaub, komplett absurd. Wir haben eine Digitalisierung, die ist nicht nur zu langsam, sondern wir digitalisieren auch einfach schlichtweg falsch!" Laut des Schülers sei es "komplett naiv", Handys aus Schulgebäuden zu verbannen, denn: "Wir sollten uns nicht die Frage stellen, ob wir digitalisieren (...). Wir sollten uns eher die Frage stellen, wie digitalisieren wir."
Der 18-Jährige forderte von der Politik eine "proaktivere Medienbildung" und sagte: "Diese Medienbildung, die fällt nicht vom Himmel. Aber dieses Mindset herrscht gerade in der Politik." Karin Prien konterte wütend: "Nein, das bestreite ich! Also in dieser Pauschalität stimmt das einfach nicht. Wir hängen in Deutschland hinterher (...), aber wir haben wahnsinnig aufgeholt in den letzten Jahren."
Florian Fabricius schüttelte mit dem Kopf und sprach gleichzeitig die strukturellen Mängel innerhalb des Bildungssystems an: "Es gibt so viele Lösungen für den Lehrkräftemangel da draußen. Man kann pensionierte Lehrkräfte wieder zurückholen, man kann mehr Quereinsteiger haben. (...) Aber es kann doch nicht sein, dass, wenn wir jetzt schon Klassen haben mit zum Teil 25 bis 30 Schülern, dass wir das noch mehr hochschrauben und noch mehr wegkommen vom individuellen Lernen!"
Auch dagegen wehrte sich Karin Prien entschieden: "Nein! Von 16 auf 18 Kinder pro Klasse - nicht 25 oder 30." Markus Lanz stichelte dennoch gegen die CDU-Politikerin: "Aber ist das der Anspruch, den wir an uns selber haben?" Prien schoss prompt zurück: "Ich habe Tausende von zusätzlichen Lehrerstellen geschaffen und auch besetzt, aber wir kommen an unsere Grenzen. Da können Sie jetzt sagen 'Das ist nicht unser Anspruch', aber es ist so!"
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Zu Beginn der Sendung versprach Lanz eine "Konfrontations-Therapie" zwischen Karin Prien und Bettina Stark-Watzinger, aber in der Sendung war vor allem Prien im Fokus und stellte sich der Kritik des Moderators und Schüler Florian Fabricius.
Stark-Watzinger meldete sich nur hin und wieder zu Wort und kritisierte abschließend: "Sobald Bund und Länder nebeneinander stehen, wird einer gegen den anderen ausgespielt. Ich glaube, das hilft keinem in diesem Land. Das wollen die Eltern nicht, das wollen die Kinder nicht. Sondern sie wollen, dass wir zusammenarbeiten."
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
In Bezug auf die alarmierenden Pisa-Ergebnisse deutscher Schulkinder zeigte sich Eva Quadbeck verwundert über den fehlenden Aufschrei in der Politik: "Ich nehme nicht wahr, dass Bildungspolitiker (...) sagen würden: 'Wir müssen das System echt vom Kopf auf die Füße stellen'." Statt einer "Aufbruchsstimmung" nehme die Journalistin "eher so ein Schulterzucken" wahr. Florian Fabricius stimmte zu: "Pisa war eine Woche in den Medien und danach war's vorbei!"
Bettina Stark-Watzinger reagierte empört: "Wir legen ganz bestimmt nicht die Hände in den Schoß - haben wir nicht nach den Pisa-Ergebnissen und auch nicht vor den Pisa-Ergebnissen!" Als Karin Prien sich ebenfalls gegen den Vorwurf wehrte, hakte Florian Fabricius nach: "Was ist jetzt die große Trendwende, die kommt, nach den katastrophalsten Ergebnissen seit 20 Jahren?"
Prien versprach abschließend: "Wir werden uns ganz verstärkt auf die basalen Kompetenzen konzentrieren. Es muss mehr geübt werden, es muss mehr gelesen werden." Das seien laut Prien "die entscheidenden Stellschrauben", an denen nun gearbeitet werden müsse. © 1&1 Mail & Media/teleschau
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