Deutschland befindet sich seit Beginn der Bauernproteste und dem Streik der Lokführergesellschaft im Ausnahmezustand. SPD-Politiker Ralf Stegner zeigte sich bei "Markus Lanz" verständnisvoll, während Journalistin Dorothea Siems eine Reformierung des Streikrechts forderte.

Eine Kritik
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Seit Montag streiken deutsche Bauern bundesweit mit kilometerweiten Traktorkolonnen gegen Subventionskürzungen der Regierung. SPD-Politiker Ralf Stegner äußerte sich bei "Markus Lanz" zur Wut der Bauern sowie zu dem Streik der Lokführer.

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Dabei lieferte er sich ein hitziges Wortgefecht mit Journalistin Dorothea Siems, die kein Verständnis für das Handeln der GDL hatte - und die Ampel heftig kritisierte.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Am Mittwoch ging der Streik der Lokführergesellschaft GDL offiziell los. Die Fronten im Tarifkonflikt sind seit mehreren Monaten verhärtet, nachdem die GDL bereits zwei Mal mit Warnstreiks große Teile des Bahnverkehrs in Deutschland lahmgelegt hatte.

Auch die deutschen Bauern sorgten diese Woche mit zahlreichen Protesten für Blockaden und Störungen. Der Frust der Landwirte kam zum Höhepunkt, nachdem die Ampelregierung verkündet hatte, unter anderem Vergünstigungen beim Agrardiesel abschaffen zu wollen. ZDF-Moderator Markus Lanz blickte am Mittwochabend auf die Ursachen der immer größer werdenden Wut auf die Politik.

Das sind die Gäste

  • Ralf Stegner, SPD-Politiker: "Es ist natürlich auch eine Belastungsprobe für die Gesellschaft."
  • Dorothea Siems, Journalistin: "Die Folge dieser deutschen Sozialpolitik ist, dass sich der Fleißige mittlerweile wie der Dumme fühlen muss."
  • Christian Böttger, Bahnexperte: "Die DB möchte der GDL keinen Erfolg gönnen."
  • Christian Lohmeyer, Landwirt: "Das größte Problem ist die unglaubliche Sprunghaftigkeit dieser Regierung."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Landwirt Christian Lohmeyer stellte im Gespräch mit Markus Lanz klar, dass die Bauernproteste nicht mit den streikenden Lokführern vergleichbar sind, da die deutschen Bauern nicht verhandeln konnten, sondern die Proteste "aus der Entscheidung heraus entstanden" seien. Der Landwirt sehe vor allem die Bundesregierung in der Schuld, denn: "Es ist einfach so, dass wir in der Landwirtschaft merken: Egal, wie viel wir akzeptieren (...), es hört einfach nicht auf! Es geht immer weiter. Es kommen immer mehr Dinge, die wir einfach nicht fassen können."

Der Niedersachse, der Mitorganisator der Bauernproteste ist, ergänzte wütend: "Jetzt hat diese Regierung wirklich das Fass zum Überlaufen gebracht." Der Bauer, der rund 200 Hektar bewirtschaftet, erklärte, dass er mittlerweile eine Perspektivlosigkeit in seiner Arbeit spürt: "Ohne die Agrarsubventionen und mit den jetzt geplanten Maßnahmen würde nichts überbleiben."

Daraufhin kritisierte Wirtschaftsexpertin Dorothea Siems ("Welt") die Abhängigkeit deutscher Landwirte von den Subventionen und sagte: "Inzwischen sind wir innerhalb der EU mit Abstand Subventionsmeister und unsere Wirtschaft wird schwächer. (...) Das ist doch nicht überzeugend." Auch Lohmeyer stimmte zu, dass es eine Abhängigkeit und damit "eine Erpressbarkeit" gibt. "Über einzelne Subventionen kann man vielleicht streiten. Das größte Problem ist die unglaubliche Sprunghaftigkeit dieser Regierung", so der Landwirt.

Ebenso kritisch beleuchtete Bahnexperte Christian Böttger den aktuellen Streik der Lokführergewerkschaft GDL. "Es geht um einen Machtkampf zwischen zwei Gewerkschaften", sagte Böttger. Das Verhältnis zwischen der Deutschen Bahn und der GDL sei "einigermaßen zerrüttet", wie der Experte offenbarte: "Die DB möchte eigentlich auch der GDL keinen Erfolg gönnen." Es werde daher "aus dem Hinterhalt" immer auf den GDL-Chef Claus Weselsky geschossen. Lanz fragte überrascht: "Ernsthaft? Auf dem Niveau läuft das? Und das auf dem Rücken von Millionen von Kunden?"

Böttger nickte und fügte hinzu: "Das Lobbying der DB hat also schon einen besonderen Ruf (...) - gilt als besonders intensiv und aggressiv." Während Lanz überrascht reagierte, stellte SPD-Politiker Ralf Stegner fest: "Das gibt es in so vielen Bereichen, wo es keinen Menschen stört."

Eine Aussage, die Lanz stutzig machte: "Wenn es alle machen, wird es ja nicht bessser." Dorothea Siems nickte und ergänzte, dass vor allem die Politik hier Mitschuld am Chaos habe: "Es ist halt ein hundertprozentiges Staatsunternehmen. Da merkt man halt, dass die Politik da eben die entscheidende Rolle spielt." Daher sei laut der Journalistin "eine gewisse Entfernung der Politik aus diesem Unternehmen" nötig.

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Markus Lanz wollte von SPD-Mann Ralf Stegner wissen, ob er generell Verständnis für die Bauern und Lokführer habe. Der Politiker antwortete vorsichtig: "Ich habe schon für beide Verständnis, dass man demonstriert und protestiert gegen Dinge, die man nicht richtig findet. Aber es ist natürlich auch eine Belastungsprobe für die Gesellschaft." Gerade deshalb hoffe Stegner, "dass man sich am Verhandlungstisch einigt - und zwar möglichst bald".

Wirtschaftsjournalistin Dorothea Siems zählte daraufhin die Forderungen der Lokführer auf: "550 Euro mindestens mehr und dann eben eine volle Inflationsprämie von 3.000 Euro zusätzlich und (...) sie wollen eine Arbeitszeitverkürzung durchsetzen." Die Arbeitszeit solle zunächst von 38 auf 35 Stunden verkürzt und laut Siems perspektivisch in eine "Vier-Tage-Woche" umgewandelt werden.

Als Lanz lachend reagierte, stellte Siems klar: "Es ist ein ganz schwieriges Paket. Was mich aber vor allem ärgert: Wie schnell hier gestreikt wird. Wir hatten Warnstreiks schon (...) im Dezember." Laut der Journalistin seien Millionen Bürger bereits "von der Bahn hochgradig genervt", da sie "ständig zu spät" komme. "Das ist für die Bürger eigentlich nicht zu tolerieren, die am Ende ja auch für die Mehrkosten aufkommen sollen", so die Journalistin weiter. Siems forderte daher eine Reformierung des Streikrechts, da die Leidtragenden "immer die Bürger" seien.

Dem widersprach Ralf Stegner vehement: "Bei allem, was uns ärgern mag daran, aber das Streikrecht ist in der Verfassung und ich muss ehrlich sagen, manche Dinge werden auch nur über lange Streiks erkämpft. (...) Das ist ein Fortschritt, dass wir das Streikrecht haben. Ich möchte nicht, dass es eingeschränkt wird."

Siems konterte: "Und das Anrecht darauf, dass wir eine Bahn haben?" Stegner wehrte sich: "Das ist wichtig, aber Arbeitnehmerrechte, (...) die sind nicht zu stark in Deutschland. Und das ist eine Stärke unseres Standorts, dass wir sie haben und ich bin dagegen, sie einzuschränken." Als Siems weiter diskutierte, schoss Stegner gegen die Journalistin: "Sie tun so, als ob die Arbeitnehmerrechte zu stark wären. Sie sind zu schwach!" Darauf reagierte Siems wütend: "Ich bin eben aufseiten der Bürger und auch der Wirtschaft. Der Güterverkehr ist ja auch massiv betroffen. (...) Das hat was von einem Selbstbedienungsladen. Die Boni, die gezahlt werden. Dann, dass man streiken kann ohne jedes Arbeitsplatzrisiko (...). Also das ist mir zu heftig, was da an Folgen inzwischen ertragen werden muss!"

Der SPD-Politiker reagierte bestürzt: "Ich bin froh, dass Sie nicht entscheiden, wer streiken darf. Das ist gut so!" Nachdem die Journalistin erneut deutlich gemacht hatte, dass es "nicht zumutbar" sei, dass "immer die Bürger" getroffen werden, sagte Ralf Stegner schließlich plump: "Das muss man hinnehmen, weil die Dinge geregelt werden müssen!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz gelang eine ausgeglichene, wenn auch hitzige Sendung, in denen sowohl die Bauernproteste als auch der Lokführerstreik prominent und ausführlichst diskutiert wurden. Der ZDF-Moderator musste daher amüsiert feststellen: "Diese Runde hier, man merkt, da ist ordentlich Dampf auf dem Kessel!"

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Die Unzufriedenheit im Land ist in fast allen Bereichen spürbar. Bei "Markus Lanz" musste vor allem die Bundesregierung jede Menge Kritik einstecken, als es um den Lokführerstreik sowie die Bauernproteste ging. Die Kritik wollte Ralf Stegner nur ungern annehmen und konterte: "In der Demokratie entscheiden die Bürger alle paar Jahre, wen sie sich wählen." Der SPD-Politiker ergänzte: "Ich akzeptiere die Kritik, aber ich finde das Übermaß, zu sagen, 'Das ist alles Mist, der Staat funktioniert nicht mehr', wird dem nicht gerecht, welche Schwierigkeiten momentan gelöst werden. (...) Es ist nicht so, dass alles schlecht ist."

Ein Argument, auf das Dorothea Siems wütend reagierte: "Wir dümpeln seit Jahren herum! (...) Also Herr Stegner, es läuft nicht gut!"  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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