Vor knapp einem Jahr gab es noch 300 Medikamentenengpässe, dieses Jahr liegt die Zahl bereits bei rund 500. Bei "Markus Lanz" versprach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine schnelle und nachhaltige Korrektur.
Müssen Patientinnen und Patienten in Deutschland auch in diesem Winter wieder um ihre Medizin bangen? Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
"Die Chinesen brauchen gar keine Atombombe. Sie liefern einfach keine Antibiotika (...), dann erledigt sich Europa von ganz allein." Mit diesem Statement schockte Pharmazeutin Ulrike Holzgrabe im März 2020 die Zuschauer des ZDF-Magazins "Zoom". Da sich Lieferengpässe von Medikamenten weiter verschärft zu haben scheinen, beleuchtete Markus Lanz die immer stärker werdende Abhängigkeit der EU von Ländern wie China und Indien. Zudem sprach der ZDF-Moderator über die Kritik an der deutschen Enthaltung bei der Gaza-Resolution.
Das sind die Gäste
Karl Lauterbach , SPD-Politiker: "Wir haben große Qualitätsunterschiede von Krankenhaus zu Krankenhaus."- Mariam Lau, Journalistin: "Das iranische Regime hat vermutlich gar kein Interesse am ganz großen Krieg."
- Kai Joachimsen, Chef des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie: "Gesundheit muss uns auch was wert sein wieder."
- Ulrike Holzgrabe, Pharmazeutin: "Wenn ich in eine Apotheke gehe, dann sehe ich lauter leere Regale."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Im Gespräch mit "Markus Lanz" versprach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, mit aller Kraft den Lieferengpässen wichtiger Medikamente entgegensteuern zu wollen. "Wir haben eine Gesundheitsreform vor uns, die ganz grundsätzlicher Natur ist. Deutschland hat in Europa das mit Abstand teuerste Gesundheitssystem überhaupt, wir haben aber nur mittelmäßige Ergebnisse", monierte Lauterbach.
Der SPD-Politiker gab zu, dass viele Medikamente in Deutschland "knapper als in anderen Ländern" seien, "weil wir weniger bezahlt haben. Das heißt, wenn es knapp wurde, dann hat man zuerst in Deutschland nicht mehr verkauft". Ein inakzeptabler Zustand für Pharmazeutin Ulrike Holzgrabe, die bemängelte: "Wenn ich in eine Apotheke gehe, dann sehe ich lauter leere Regale." Sie rief die Politik auf, mehr Geld für sogenannte Generika auszugeben. Dabei handelt es sich um Arzneimittel, die identische Wirkstoffe wie ehemals patentgeschützte Präparate enthalten und genauso wirken. "Wir brauchen mehr Medikamente", forderte Holzgrabe und gab zu, dass sie mit Blick auf den kommenden Winter Angst habe, "dass wir zu wenig Antibiotika haben".
Auch vor der enormen Abhängigkeit von China warnte Ulrike Holzgrabe: "Wir müssen davon wegkommen, dass wir nur noch ein Land in der Welt haben, das so eine große Macht hat." Zwar gebe es laut der Medizin-Expertin noch "Produzenten in Europa", doch diese "werden immer weniger".
Karl Lauterbach stimmte nickend zu und ergänzte: "Wir brauchen eine Kurzfrist- und eine Langfristlösung." Laut des Politikers sei eine kurzfristige Lösung das Lieferengpassbekämpfungsgesetz, denn "dann haben wir erst mal eine Lagerhaltung da". Zwar würden Produkte laut Lauterbach dann teurer werden, "aber damit komme ich erst mal relativ schnell ins Spiel zurück". Eine neue Pharmastrategie und das neue Medizinforschungsgesetz würden laut Lauterbach zudem noch im November vorgestellt. Die Strategie fokussiere sich vor allem darauf, den Standort für Medikamentenforschung und -Produktion wieder nach Deutschland zu holen.
Kai Joachimsen, Chef des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, äußerte in dem Zusammenhang jedoch Zweifel: "Wir müssen so schnell wie möglich geopolitisch unabhängiger werden. Um das zu erreichen, braucht es aber nicht nur dieses eine Gesetz. Wir müssen da weiter gehen." Der Gesundheitsminister konterte daraufhin mit einem Versprechen: "Wir werden das Problem in den Griff bekommen." Eine Aussage, die Lanz aufhorchen ließ: "Wann?" Lauterbach antwortete, dass die Produktion von Kinderarzneimitteln bereits "deutlich gesteigert worden" sei und hier "ein deutlich besserer Winter als im letzten Jahr" erwartet werden dürfe.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Nicht nur die Knappheit von Arzneimitteln erhitzte die Gemüter. Auch die Enthaltung Deutschlands bei der UN-Abstimmung einer Resolution, die die sofortige Waffenruhe im Gazastreifen forderte, sorgte für eine rege Debatte. Zunächst kritisierte Karl Lauterbach die aus seiner Sicht fehlende Empathie und die enorme Kälte gegenüber den getöteten israelischen Zivilisten, die vor allem seitens der progressiven Linken zu spüren sei.
"Es hat ja nur wenige Stunden angehalten, und dann ist das Thema schon gedreht, und das ist bestürzend, traurig und furchtbar", klagte Lauterbach über die anti-israelische Haltung vieler Bürger. Er ergänzte: "Es gibt in linken, intellektuellen Kreisen massive Vorbehalte gegen Israel, weil Israel dort gesehen wird als der Apartheid- und Unterdrückerstaat, der gerade jungen Palästinenserinnen und Palästinensern die Lebensqualität wegnimmt."
Lanz nickte und erklärte, dass aufgrund dieser Fehleinschätzungen nun "der Kampf ums Narrativ" beginne. Dazu sagte Journalistin Mariam Lau wütend: "Wenn ich mir die UN-Abstimmung ansehe, wo wir uns leider Gottes enthalten haben, da kann man nur sagen: Ein Großteil der Weltöffentlichkeit steht gegen Israel."
Dem wollte Karl Lauterbach nicht zustimmen. Er machte deutlich, dass "die Schuldfrage" zwar ganz klar sei, aber dennoch müsse "im Hintergrund auch Diplomatie stattfinden können". Laut Lauterbach müsse es zudem "im Hintergrund auch möglich sein, dass man versucht, das Ganze zu deeskalieren". Die Kritik an der deutschen Enthaltung verstehe er daher nicht: "Es muss ein Mindestvertrauen da sein, dass die Enthaltung auch einen Zweck hat." Der SPD-Politiker ergänzte: "Ich glaube, dass Olaf Scholz (...) da mit einer enormen Verantwortungshypothek unterwegs ist. Er hält uns raus, aber ist trotzdem aktiv. Der versucht, das runterzufahren. Die Hetzerei bringt niemanden weiter."
Ein Argument, das Mariam Lau nicht akzeptieren wollte. Sie wählte US-Präsident Joe Biden als gutes Beispiel dafür, in beide Richtungen die Kommunikationswege offenzuhalten, "aber der hat diese Resolution natürlich abgelehnt - zu Recht." Karl Lauterbach konterte aufgebracht: "Die Haltung der Bundesregierung ist da absolut klar - glasklar! (...) Und trotzdem müssen wir helfen, dass Israel nicht Fehler macht in einer berechtigten Antwort." Die Journalistin reagierte nüchtern: "Wie die Amerikaner, die aber dagegen gestimmt haben!" Lanz stichelte abschließend: "Und die Österreicher auch ..."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz schaffte es, sowohl tiefer in den Nahost-Konflikt als auch in die Lieferengpässe von Arzneimitteln einzutauchen. Er fokussierte sich dabei nicht nur auf den Bundesgesundheitsminister, sondern ließ auch seinen weiteren Gästen genügend Zeit, ihre Argumente zum Ausdruck zu bringen.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
"Wird dieser Winter besser als der letzte?", wollte Lanz wissen. Kai Joachimsen erklärte mit Blick auf Karl Lauterbach hoffnungsvoll: "Ich sehe mit dem aktuellen Gesetzentwurf, (...) dass da sicherlich ein erster Schritt gemacht worden ist in die richtige Richtung." Gleichzeitig mahnte der Arzt: "Gesundheit muss uns auch was wert sein, wieder. Das gibt es alles nicht für sechs Cent!" © 1&1 Mail & Media/teleschau
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