AfD-Chefin Alice Weidel hat im Wahlkampfmodus den Sonntagabend-Talk in der ARD besucht. Im Gedächtnis blieben ihre patzigen Antworten auf kritische Fragen – und ein Augendreher an einer verräterischen Stelle.
Das Thema der Runde
Seit der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD im Deutschen Bundestag zum Antrag der Union zur Begrenzung der Migration befürchten manche, dass das Türchen zu einer künftigen schwarz-blauen Koalition geöffnet wurde. Aber wie regierungsfähig ist die selbst ernannte Alternative für Deutschland eigentlich? Wie will sie abseits ihrer Pläne zur Verschärfung der Migrationspolitik Deutschland aus der Krise führen? Das Thema bei Caren Miosga: "Welches Deutschland wollen Sie, Frau Weidel?"
Die Gäste
- Alice Weidel: Die Bundessprecherin der AfD ist gleichzeitig Kanzlerkandidatin ihrer Partei für die Bundestagswahl. Im Gespräch zeigte sich die 45-Jährige häufig dünnhäutig. Kritische Nachfragen brachten sie immer wieder aus dem Konzept. Statt inhaltlich zu antworten, beschwerte sie sich, dass ihr "diese ganze Diskussion zu dumm ist" oder sie wies Gegenargumente als "falsch" zurück. Hängen blieb, dass Weidel einen Richtungswechsel in der Migrationspolitik will, einen echten Wettbewerb am Energiemarkt ohne Subventionen für Erneuerbare und einen stärkeren Dialog mit Russland, um den Ukraine-Krieg zu beenden.
- Robin Alexander: Der stellvertretende Chefredakteur der "Welt" wies AfD-Sprecherin Alice Weidel, die die Nord-Stream-Röhren reparieren und die Gasimporte aus Russland wieder aufnehmen will, auf einen unmöglichen Spagat hin. Die AfD wolle "auf Donald Trumps und Wladimir Putins Seite stehen. Bei den Röhren können Sie nur eins haben".
- Hildegard Müller: Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie hält die wirtschaftspolitischen Vorschläge der AfD für unausgegoren. "Die Rückkehr zur D-Mark wäre ein großer Schaden für die Bundesrepublik Deutschland." Weidel sieht in Müllers Augen "das große Bild nicht", sondern nur deutsche Partikularinteressen.
Das Wortgefecht des Abends
Weidel benutzte im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Nationalsozialismus in der Vergangenheit mal das Wort "Schuldkult". Sie erklärte, "dass die deutsche Politik nicht aus einer Schuld heraus getrieben sein sollte, sondern aus einem Selbstbewusstsein heraus, aus einer Verantwortung in die Zukunft".
Miosga wollte ihr erklären, woher der Begriff "Schuldkult" stammt. Weidel: "Es interessiert mich nicht." Miosga: "Es ist aber wichtig zu wissen. Ich sag's Ihnen gerne." Weidel will schließlich nicht gewusst haben, dass es ein Begriff der neurechten Szene sei. Sie tat das als mediales "Framing" ab. Miosga wolle mit der Debatte von den wahren Zielen der AfD ablenken: Deutschlands Probleme in der Migrationsfrage zu lösen.
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Am Ende wirkte es eher so, als habe Weidel einfach keine Lust, über kritische Themen zu reden. Ein Mann, der sich als das "freundliche Gesicht des NS" nannte, wird Bundestagsdirektkandidat in NRW. Weidel sagte dazu: nichts.
Die Offenbarung des Abends
Als Miosga von der Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag redete, reagierte Alice Weidel leicht genervt. "Warum verdrehen Sie die Augen?", fragte die Gastgeberin. Weidel antwortete: "Mach’ ich nicht." Miosga: "Ach so, dann hab ich das nur gesehen?"
Zwar distanzierte sich Weidel von den Taten der Nationalsozialisten und betonte, dass die AfD im Bundestag applaudiert habe, als den Opfern des Holocaust gedacht wurde. Doch ihre Reaktion im Interview mit Miosga passte nicht so recht zu dieser vermeintlich klaren Haltung.
Der Erkenntnisgewinn
Ist die AfD schon bereit, in Deutschland Regierungsverantwortung zu übernehmen? Robin Alexander brachte auf den Punkt, warum die CDU nicht mit ihr zusammenarbeiten könne: Er führte die EU-Feindlichkeit der Partei als Hauptargument ins Feld. "Die Union hat immer auf Europa gesetzt." Und die AfD setze derzeit auf ein Personal und Programm, mit dem ihr nach dem 23. Februar nur eine Rolle in der Opposition bleiben wird.
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