Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva wurde für seine Äußerungen zum Krieg in der Ukraine international kritisiert. Der Brasilien-Experte Günther Maihold sieht eine Strategie hinter Lulas öffentlichem Statement.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Die USA müssen aufhören, den Krieg zu schüren und anfangen, über Frieden zu reden." Das sind nicht etwa die Worte der russischen Regierung oder ihres Präsidenten Wladimir Putin, sondern die des brasilianischen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva – kurz Lula. Der 77-Jährige hatte bei seinem Staatsbesuch in Peking vor einigen Tagen die Rolle der USA und des Westens im Ukraine-Krieg kritisiert und damit selbst heftige internationale Kritik auf sich gezogen.

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Zwar erklärte die brasilianische Regierung, sie wolle als Friedensvermittler auftreten, jedoch war das Ergebnis der Äußerungen ein anderes: Die USA warfen Brasilien vor, die Propaganda Russlands im Ukraine-Krieg übernommen zu haben. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, reagierte am Montag verärgert: "In diesem Fall plappert Brasilien russische und chinesische Propaganda nach, ohne sich überhaupt die Fakten anzuschauen." Er bezeichnete derartige Äußerungen zum Ukraine-Konflikt als "zutiefst problematisch".

Doch handelt es sich dabei wirklich um unbedachte Äußerungen oder steckt mehr hinter Lulas öffentlichem Statement? Welche Interessen verfolgen Brasilien und der Präsident?

Experte: Hinter Lulas Äußerungen steckt eine Strategie

Günther Maihold ist stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin und Experte für Lateinamerika. Er sieht hinter Lulas Äußerungen eine Strategie: "Das Hauptinteresse ist, Brasilien wieder als internationale und weltpolitische Macht zu positionieren", erklärt Maihold gegenüber unserer Redaktion. Die jüngsten Äußerungen seien Ausdruck von Lulas Politikverständnis: "Das ist der alte Lula von 2003 bis 2010. Zu dieser Zeit ist das Konzept von BRICS als Gegenmacht zu den USA entstanden."

Diese Strategie habe auch wirtschaftliche Gründe: "Lula versucht mit der Gründung der New Development Bank im Rahmen der BRICS-Staaten ein alternatives Instrument zu etablieren zu den westlich dominierten Finanzmärkten." Das sei auch einer der Gründe für den Besuch Lulas in China und die enge Zusammenarbeit der beiden Regierungen: "Lula versucht, die Rolle des US-Dollar als Leitwährung im bilateralen Handelsverhältnis zwischen China und Brasilien zu reduzieren, indem man die direkten Wechselkurse zugrunde legt", so Maihold.

Brasilien ist ökonomisch der wichtigste Partner Chinas in Lateinamerika. Andersherum ist China Brasiliens wichtigster Handelspartner und entsprechend eine wichtige Stütze für die dortige Wirtschaft.

Lula rudert zurück

Nach einiger Kritik vor allem aus den USA hatte Lula zuletzt zurückrudern müssen und verurteilte den Angriff Russlands auf die Ukraine nun öffentlich. Am vergangenen Dienstag erklärte er bei einem Besuch des rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis in Brasilia: "Während wir die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine verurteilen, tritt meine Regierung weiterhin für eine politisch ausgehandelte Konfliktlösung ein."

Auch das sei Ausdruck von Lulas Politikverständnis, so Maihold: "Lula hat eine Neigung zum Volkstribun." Er sei eben auch besorgt um seine Zustimmung innerhalb der Bevölkerung und würde seine Meinung entsprechend anpassen, wenn nötig. Das sei nun offenkundig aufgrund der internationalen Kritik der Fall gewesen.

Über den Experten: Prof. Dr. Günther Maihold ist stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Lateinamerika.

Verwendete Quellen:

  • Faz.net: Lula bekräftigt Kritik an Russlands Ukraine-Invasion
  • Stuttgarter-zeitung.de: Lula in China: Unterstützung der Ukraine beenden
  • FR.de: Putin-Propaganda "nachgeplappert"? Lula lenkt ein – in einem Nebensatz
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