- Lange hatte sich die Bundesregierung gegen die Lieferung von Schützenpanzern gestemmt.
- Der Schützenpanzer ist seinen Pendants auf russischer Seite in einigen Punkten überlegen.
- Die Zusage, Schützenpanzer zu liefern, könnte erst der Anfang sein.
Lange hieß es aus dem Umfeld des Kanzlers, die Lieferung von sogenannten Offensivwaffen – zu denen die Regierung neben den "Leopard"-Kampfpanzern auch die "Marder"-Schützenpanzer zählt – sei ein Schritt hin zu einer weiteren Eskalation des Krieges, den man nicht gehen wolle. Vergangene Woche wurde dann von Frankreichs
Nun sollen einige Panzer durch die Industrie geliefert werden, einige müssen wohl aber auch aus Bundeswehr-Beständen bereitgestellt werden. Insgesamt 40 Schützenpanzer soll die Ukraine erhalten. Das Training der ukrainischen Panzergrenadiere soll so schnell wie möglich beginnen und wahrscheinlich im niedersächsischen Munster stattfinden. Das Ziel ist klar: Bis zum Frühjahr sollen die Waffensysteme für die Ukraine einsatzbereit sein. Dann wird nach dem Ende des Winters eine neue Offensive der russischen Armee erwartet. Gleichzeitig scheint es so, als ob der Westen die Ukraine auch für eine eigene Offensive wappnen möchte. Denn dafür sind Schützenpanzer gedacht.
Bewaffnung und Panzerung
Der Schützenpanzer "Marder" wurde Anfang der 1960er-Jahre entwickelt und seither mehrfach aufgewertet. Für die Bundeswehr war der ungefähr 33 Tonnen schwere Panzer die letzten 50 Jahre das Hauptwaffensystem der Panzergrenadiere. Seit 2015 soll er mit dem neuen Modell "Puma" ersetzt werden. Somit wären zahlreiche Modelle für die Ukrainische Armee "übrig". Und die könnte die Panzer gut gebrauchen. Der Schützenpanzer hat neben drei Personen Besatzung die Kapazität, sechs Soldaten durch das Kampgebiet zu transportieren. Die Panzerung hält leichten Waffen stand und kann auch Beschuss aus Maschinenkanonen und Panzerabwehrwaffen widerstehen. Zuletzt hatte die ukrainische Armee schwere Verluste erlitten bei dem Versuch Truppen an die Front zu bringen. Hierfür wäre der Schützenpanzer eine ideale Ergänzung.
Die Bezeichnung Panzer ist allerdings ein wenig irreführend. Zwar hat der "Marder" eine 20mm-Maschinenkanone, kann damit aber anderen Panzern nur bedingt Paroli bieten. Lediglich andere Truppentransporter wie der sowjetische BMP, der nach wie vor von der russischen Armee genutzt wird, können mit der Hauptbewaffnung effektiv bekämpft werden. Zur Vernichtung feindlicher Kampfpanzer werden in der Regel die Panzergrenadiere abgesetzt, um ihre Panzerabwehrraketen einzusetzen. Zusätzlich können vom Turm des "Marder" Panzerabwehrraketen abgefeuert werden. Dabei ist allerdings noch nicht klar, ob diese Funktion auch bei den an die Ukraine gelieferten Panzern enthalten sein wird. Außerdem muss hierfür aus der Kommandantenklappe gelugt werden, was bedeutet, dass der Operateur des Raketenwerfers die Sicherheit des gepanzerten Fahrzeugs verlässt.
Überlegenheit im offenen Gelände
Seine wirkliche Stärke entfaltet der "Marder" beim Kampf im offenen Gelände. Im Gegensatz zu seinen sowjetischen Pendants verfügt er nämlich über mehrere Rückwärtsgänge und ist damit im Gefecht wendiger. Ein Vorteil, der über Leben und Tod entscheiden kann. "Man kann sehr viel schneller Positionswechsel durchführen, denn der Marder ist auch in der Rückwärtsfahrt schnell. Wenn das gut geübt ist, kann er im Verbund mit anderen Waffen sehr effektiv eingesetzt werden", so Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr gegenüber unserer Redaktion. Gegnerischem Beschuss kann damit ausgewichen werden, Truppen können schnell in Sicherheit gebracht werden. Außerdem ist der Schützenpanzer deutlich einfacher in Stand zu halten als die BMPs der russischen Streitkräfte. Das macht ihn langlebiger und erhöht die Einsatzbereitschaft.
Einen weiteren Vorteil hat die Lieferung der Schützenpanzer außerdem für die Ukraine: Sie lässt auf Kampfpanzer wie den "Leopard" hoffen. Das Tabu, keine schweren Offensivwaffen westlicher Bauart zu liefern, welches lange besonders von der SPD angeführt wurde, ist mit der aktuellen Lieferung gebrochen. "Konzipiert ist es so, dass der 'Marder' im Verbund mit dem 'Leopard' eingesetzt wird. Die beiden Panzer sind gleich schnell", so Politikwissenschaftler Sauer. Zwar könne der "Marder" auch alleine operieren, aber der Einsatz mit Kampfpanzern ergebe eben deutlich mehr Sinn. Eine Lieferung von "Leoparden" scheint damit also nicht mehr ausgeschlossen. Oder wie es die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf Twitter formuliert: "Nach dem Marder kommt der Leopard."
Kommen jetzt Kampfpanzer?
Die Bedenken des Bundeskanzlers, Deutschland könnte durch Waffenlieferungen weiter in den Krieg hineingezogen werden, hält Sauer für unbegründet: "Völkerrechtlich gesehen wird Deutschland durch Waffenlieferungen keine Kriegspartei. Es gibt hier keinen Konflikt mit internationalem Recht, solange wir nicht völkerrechtlich verbotene Waffen liefern, was Kampfpanzer natürlich nicht sind." Und politisch sei es so, dass wir von Russlands Präsident Wladimir Putin ohnehin als Kriegspartei angesehen werden. Gegenüber der eigenen Bevölkerung stellt der russische Präsident den Angriff auf die Ukraine bereits seit März als Krieg gegen die NATO dar. Die Angst vor einer weiteren Eskalation durch Waffenlieferungen scheint also nur vorgeschoben.
Andere NATO-Verbündete sind hier bereits weiter. So soll Großbritannien laut "Spiegel"-Informationen planen, den "Challenger 2"-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Am 20. Januar soll die offizielle Bekanntgabe erfolgen.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Frank Sauer
- Spiegel.de: Panzertrio für die Ukraine – was Marder, Bradley und AMX können
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