Tag zwei der Münchner Sicherheitskonferenz startet im Zeichen des Kriegs in der Ukraine. Während Kanzler Scholz sich um Zuversicht bemüht, skizziert Präsident Selenskyj eine düstere Zukunftsaussicht.
Kurz vor dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffskrieges hat der ukrainische
Selenskyj mit düsterem Zukunftsszenario
Selenskyj sprach unmittelbar nach dem Auftritt von Kanzler
"2024 erwartet eine Reaktion von uns allen", sagte Selenskyj laut offizieller Übersetzung. 724 Tage habe sich die Ukraine nun bereits gegen die russische Bedrohung gestellt. "Unser Widerstand hat die Zerstörung der regelbasierten Welt verhindert." Mit Blick auf eine Zukunft ohne Krieg müsse Russland aber der Vergangenheit angehören, weil sich das Land nicht an die Regeln halte. Noch könne die internationale Gemeinschaft dies gelingen, "wenn wir alles tun". Die Frage sei aber, "wie lange erlaubt die Welt es Russland noch so zu handeln?"
Warnung vor Langzeitfolgen des Kriegs in der Ukraine
Selenskyj dankte für die am Freitag unterzeichneten Sicherheitsvereinbarungen mit Deutschland und Frankreich, die eine Zusage langfristiger Unterstützung und weiterer Waffenlieferungen ist. Er warnte aber auch eindringlich vor den Folgen des Krieges: Je länger dieser dauere, desto größer sei die Gefahr einer Ausweitung sowie einer weiteren Beschädigung der internationalen Ordnung.
"Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es Putin gelingen, die nächsten Jahre zur Katastrophe zu machen", sagte Selenskyj, der in seiner Rede auch vor Gefahren für andere europäische Länder warnte: "Wir müssen gemeinsam in einem Team agieren. Wenn die Ukraine alleine dasteht, dann werden Sie sehen, was passiert: Russland wird uns zerstören, das Baltikum zerstören, Polen zerstören - es ist dazu in der Lage."
Scholz warnt: Beistandsgarantie nicht relativieren
Zuvor hatte Scholz in seiner Rede angesichts der russischen Bedrohung eindringlich davor gewarnt, den Willen zur gemeinsamen Verteidigung in der Nato aufzuweichen. "Lassen Sie mich auch klar sagen: Jegliche Relativierung der Beistandsgarantie der Nato nützt nur denen, die uns – so wie Putin – schwächen wollen", sagte er.
Scholz reagierte damit offenkundig auf Aussagen des US-Präsidentschaftsbewerbers
Aufruf zu deutlich mehr Finanzhilfe für die Ukraine
Scholz rief die EU-Partner zugleich eindringlich zu mehr Finanzhilfe für die von Russland angegriffene Ukraine auf - im Interesse der eigenen Sicherheit. Für das laufende Jahr habe Deutschland seine Militärhilfe auf mehr als sieben Milliarden Euro nahezu verdoppelt, Zusagen für die kommenden Jahre in Höhe von sechs Milliarden kämen hinzu, sagte er. Er wünsche sich sehr, "dass ähnliche Entscheidungen in allen EU-Hauptstädten getroffen werden".
"Wir Europäer müssen uns sehr viel stärker um unsere eigene Sicherheit kümmern – jetzt und in Zukunft", forderte Scholz. Er betonte, die deutsche Unterstützung für Kiew sei "breit und umfangreich, vor allem aber ist sie langfristig angelegt". Der Frage, ob Deutschland vielleicht doch noch Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern wird, wich Scholz in einem Interview nach seiner Rede aber aus. Er versicherte nur, dass Deutschland immer genug tun werde, um die Ukraine zu unterstützen.
Die Ukraine hatte die Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern und einer hohen Treffsicherheit bereits im vergangenen Mai offiziell von der Bundesregierung erbeten. Im Oktober hatte Scholz erklärt, dass Deutschland sie vorerst nicht liefern würde. Dahinter steckt die Befürchtungen, dass die Marschflugkörper russisches Territorium treffen könnten.
Desinformationskampagnen aus Russland
Trotz enormer eigener Verluste seien wesentliche Teile der russischen Streitkräfte intakt, so Scholz. "Russland hat seine Armee seit vielen Jahren auf diesen Krieg vorbereitet und auf allen Ebenen neue, gefährliche Waffensysteme entwickelt. Die russische Volkswirtschaft arbeitet längst im Kriegsmodus." Putin schicke auch immer mehr Soldaten an die Front. Zwei Jahre nach Kriegsbeginn müssten sich alle fragen, ob genug getan werde, um Putin zu signalisieren, dass man für eine lange Krisenzeit bereit sei. Zudem sagte er: "Wir müssen uns mehr denn je darum kümmern, dass unsere Abschreckung modernen Anforderungen gerecht wird."
Wie in anderen Ländern gebe es auch in Deutschland "kritische Stimmen, die fragen: Sollten wir das Geld nicht für andere Zwecke ausgeben", räumte der Kanzler an. Moskau befeuere solche Zweifel mit gezielten Desinformationskampagnen und Propaganda in den sozialen Medien. "Geld, das wir jetzt und in Zukunft für unsere Sicherheit ausgeben, fehlt uns an anderer Stelle. Das spüren wir", räumte Scholz ein. "Ich sage aber auch: Ohne Sicherheit ist alles andere nichts." (dpa/lag)
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