• Erst auf den US-Stützpunkt Ramstein, dann in die Ukraine: Das hat Polen für die Lieferung von MiG-Kampfjets angeboten. Die USA haben das Angebot zurückgewiesen.
  • Man fürchte, Russland könne das als Eingriff der Nato in den Krieg ansehen. Außerdem spricht das Pentagon von "logistischen Herausforderungen".
  • Ein Sicherheitsexperte erklärt im Interview, was noch dahinterstecken könnte.
Ein Interview

Die USA haben Polens Angebot zur Lieferung von MiG-29-Kampfjets an die Ukraine mit Zwischenstopp auf einem amerikanischen Stützpunkt in Deutschland zurückgewiesen. Pentagon-Sprecher John Kirby äußerte Bedenken hinsichtlich "logistischer Herausforderungen" und einer schwierigen "geopolitischen Dimension". Ist die Idee nun also wieder vom Tisch?

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Gustav Gressel: Das ist schwierig zu beurteilen. Es kann auch sein, dass man das ganze Theater nur macht, um Verwirrung zu stiften. Lieferungen von Kampfflugzeugen sind und bleiben enorm wichtig, aber es sollte unter der Hand darüber gesprochen werden und nicht in der Öffentlichkeit. Der Westen hat das Recht, die Ukraine als Staat – wie wir ihn anerkennen – mit Rüstungsgütern zu beliefern. Das muss Russland hinnehmen. Eine politische Symbolwirkung gibt es aber dennoch, deshalb sollte man so etwas hinter geschlossenen Türen besprechen. Dann wären die Russen auch mal überrascht, wenn solche Dinge im Krieg auftauchen.

Was glauben Sie hat die Polen überhaupt zu dem Vorschlag bewogen?

Die Polen wollten sich politische Rückversicherung für den Fall russischer Repressalien oder Drohungen verschaffen. Polen ist als Nachbarland sehr daran interessiert, dass die Ukraine militärisch verteidigungsfähig ist. Es ist gleichzeitig auf den Rückhalt aus dem Nato-Bündnis, vor allem von den USA, angewiesen. Sie wollen also dazu beitragen, Russland von irgendwelchen Abenteuern abzuschrecken.

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Die USA waren in ihrer Erklärung ungewöhnlich deutlich. Es hieß, das Thema werde mit Warschau und den Nato-Verbündeten zwar weiter besprochen, aber man glaube nicht, dass der Vorschlag Polens "haltbar" sei. Warum haben die Amerikaner so schnell und deutlich abgewinkt?

In den USA gibt es unterschiedliche Stimmen, was man in einem solchen Konflikt wagen kann und was nicht. Meiner Ansicht nach ist Washington zu vorsichtig. Aber wie bereits angedeutet, kann es sich derzeit auch um eine Verschleierungsdiskussion handeln. Die polnischen MiG-Flugzeuge wurden allerdings im Vergleich zum Urzustand auch verändert und neu ausgestattet. Es kann auch sein, dass die Amerikaner Bedenken haben, dass vielleicht verbaute Teile aus den USA über der Ukraine abgeschossen würden. Vielleicht will man Russland auch einfach im Unklaren lassen, was mit diesen Flugzeugen nun passiert.

Für Pentagon-Sprecher Kirby wirft die Vorstellung, dass Kampfflugzeuge, die dem US-Militär übergeben wurden, von einem US- beziehungsweise Nato-Stützpunkt in Deutschland aus in den umkämpften ukrainischen Luftraum fliegen, "ernsthafte Bedenken für das gesamte Nato-Bündnis auf". Würden die Russen den Schritt als "offiziellen" Kriegseintritt der USA oder der Nato werten?

Nein, das müssen sie hinnehmen. Russland stellt auch verschiedenen Kriegsparteien Flugzeuge und Piloten zur Verfügung und manchmal kämpfen sie direkt gegen Parteien, die wiederum der Westen unterstützt. In Syrien hat der Westen beispielsweise auch Rebellen mit Waffen unterstützt, die diese dann gegen die Russen gerichtet haben. Das ist nichts Neues, das machen sie mit uns in Libyen oder Syrien auch. Deshalb würde ein solcher Schritt keine Einmischung in den Krieg bedeuten. Ein Kampfflugzeug ist nichts anderes als eine Rüstungslieferung.

Es gibt also keinen Unterschied zu anderen Waffenlieferungen?

Rechtlich ist es egal, ob es sich bei einer Waffenlieferung um eine Panzerfaust oder ein Kampfflugzeug handelt. Aber ein Kampfflugzeug ist ein komplexeres und prestigeträchtigeres Waffensystem. Deshalb erregt es auch gerade jetzt viel mehr Aufmerksamkeit.

Das heißt für die Ukraine aber unter dem Strich, dass es ihr weiter an Ausrüstung mangelt, oder?

Die Unterstützung der ukrainischen Luftabwehr ist etwas sehr Dringliches. MiG-Kampfjets sind aber nicht das Einzige, was man liefern könnte. Einige EU-Staaten haben beispielsweise noch S300-Munition in ihren Beständen. Die Ukraine bräuchte sie enorm dringend. Die Staaten sollten diese Munitionsbestände liefern, ohne es breit in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Für den Abschreckungswert ist es besser, wenn Russland vor diesen Dingen doppelt Angst hat.

Was heißt das?

Zum einen die Angst, dass die Systeme in der Nato und in den Nachbarstaaten existieren und zum anderen die Angst, dass sie in der Ukraine existieren. Wenn der Gegner nicht weiß, was alles geliefert wird, kann er sich kein klares Bild machen. Der russische Sicherheitsapparat ist paranoid und übertreibt die Stärke der Nato oft.

Kann man sich das zunutze machen?

Ja, um einen stärkeren Eindruck zu erwecken. Das Ziel bleibt schließlich nach wie vor, Russland dazu zu bringen, an der Fortsetzung des Krieges kein Interesse mehr zu haben. Wenn den Russen der Krieg nicht mehr vorteilhaft erscheint, er offenbar nicht den geplanten politischen Nutzen generiert, stellen sie ihn vielleicht ein.

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Über den Experten: Gustav Gressel ist Experte für Sicherheitspolitik, Militärstrategien und internationale Beziehungen. Er absolvierte eine Offiziersausbildung und studierte Politikwissenschaft an der Universität Salzburg. Schwerpunktmäßig befasst sich Gressel mit Osteuropa, Russland und der Außenpolitik bei Großmächten.

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