- Die durch Sachsen-Anhalt blockierte Erhöhung der Rundfunkgebühren muss nichts Schlechtes heißen.
- Jenseits des politischen Parteien-Geplänkels gibt es endlich die Gelegenheit, überfällige Reformen von ARD und ZDF in Angriff zu nehmen.
- Die öffentlich-rechtlichen Sender haben ihre tiefe Akzeptanzkrise letztlich selbst verursacht: Sie sind zu teuer, altmodisch, seicht und einseitig.
Deutschland leistet sich den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt. Mehr als 8 Milliarden Euro müssen die Bundesbürger jedes Jahr an Zwangsgebühren zahlen. Alleine im vergangenen Jahr sind die Einnahmen um 60 Millionen gestiegen, der "Beitragsservice" hat eine halbe Million neue Beitragszahler aufgespürt und zwangsverpflichtet. Nun sollte es mitten in der Coronakrise eine zusätzliche allgemeine Beitragserhöhung um 86 Cent pro Monat geben, hieße: ab 1. Januar 2021 hätten wir alle 18,36 Euro im Monat zahlen müssen.
Dem hat das Land Sachsen-Anhalt, allen voran die dort regierende CDU, einen Riegel vorgeschoben. Und da ein Bundesland reicht, um die Erhöhung zu blockieren, gibt es nun erst einmal keine Zusatzmilliarden für ARD und ZDF. Nun zanken die politischen Parteien darüber, die Regierungskoalition in Magdeburg könnte sogar zerbrechen.
Reform der Öffentlich-Rechtlichen längst überfällig
Doch jenseits des Parteiengerangels bietet der Vorgang für Deutschland die große Chance, den teuren, verkrusteten Apparat der Öffentlich-Rechtlichen endlich zu reformieren. Denn das ist überfällig. Das Publikum von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist völlig überaltert, die Sender sind zu politisiert, parteien-verfilzt, staatsnah und im Internet-Zeitalter irgendwie aus der Zeit gefallen. Neben Netflix & Co. sehen ARD und ZDF schlichtweg alt aus.
Vor allem aber verlieren ARD und ZDF zusehends an Akzeptanz. Immer breitere Teile der Bevölkerung fühlen sich von den öffentlich-rechtlichen Sendern übergangen, bevormundet, politisch erzogen oder mit endlosen Krimischleifen billig unterhalten.
Eigentlich müssten sich ARD und ZDF selbst überdenken, eine große Reformdebatte anstoßen, sich für das Internet-Zeitalter modernisieren und ums Publikum werben. Doch man hört aus den Sendezentralen von ARD und ZDF keine Selbstkritik – wohl aber neue Finanzforderungen. Da die Parlamente die Gebührenerhöhung nun nicht bewilligen, wollen ARD und ZDF vor Gericht ziehen.
Der Beitragsservice ist wie eine mediale Planwirtschaft
Das ist ihr gutes Recht, aber klug ist es nicht. Denn ein Gutachten aus dem Bundesfinanzministerium hat schon vor einiger Zeit den Finger in die Wunde gelegt: ARD und ZDF leiden - weit über Sachsen-Anhalt hinaus - unter einem schweren Legitimationsdefizit. Sie sind überbezahlt und unter Niveau unterwegs. Die Rundfunkgebühr ist zudem ungerecht und gierig, weil sie Bürger und Unternehmer zwangsweise zum Zahlen verpflichtet, und zwar unabhängig davon, ob sie das Angebot überhaupt nutzen.
Das Verfahren, an den Bedürfnissen der Menschen vorbei Bedarf anzumelden, es von der Politik abzusegnen und dann zwangseinzutreiben, ist mediale Planwirtschaft. Und die Rundfunkgebühr wirkt wie der neue Fünfjahresplan dazu. 400.000 Betriebe und 200.000 Kraftfahrzeuge sind zusätzlich "in den Bestand gehoben". Von 800.000 Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen befreit waren, werden jetzt zwei Drittel zur Kasse gebeten. Blinde zahlen, Gehörlose und Schwerbehinderte auch, Unternehmen werden stärker belastet, Firmen mit vielen Filialen oder Fahrzeugen müssen doppelt und dreifach löhnen. Die Wut vieler Menschen über den "Beitragsservice" (früher GEZ) hat also gute Gründe.
Und beim Blick auf das Programmangebot wird diese nicht kleiner. Denn in Wahrheit drohen die Sender an ihrem finanziellen Erfolg zu ersticken, und zwar in Seichtigkeit. Immer häufiger drängeln sich öffentlich-rechtliche Sender bei billigen Massen- und Sportspektakeln mit ihren vollen Taschen in die erste Reihe der Volksbelustigung. Vom manischen Beschäftigen mit Krimis ganz zu schweigen. Das ZDF zeigt inzwischen so viele Krimis wie ein Landregen Tropfen. Sind 70 Morde, die das deutsche Fernsehen pro Tag lustvoll aussendet, nicht genug?
Das peinliche Forderungsspiel um neue Milliarden sollte aufhören, ARD und ZDF sollten vom hohen Ross des Überversorgungsmüßiggangs herunterkommen. Das zahlende Volk sollte endlich nach seiner Meinungen gefragt werden, denn die sind bunter als es die linksgeneigten Sender gerne hätten.
Das Vertrauen in die Medien ist gesunken
Die Vertrauenskrise der Republik hat in nicht geringem Maße damit zu tun, dass bei ARD und ZDF seit Jahren politische Bevormundung gepflegt wird. Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Journalist" berichtet von einer Untersuchung, dass 92 Prozent der ARD-Volontäre Grün-rot-rot wählen. Die bürgerliche Mitte findet sich kaum mehr wieder in den Redaktionen.
Wenn aber die größte Medienmachtkonzentration Deutschlands derart einseitig links formiert ist, dann wächst in der Gesellschaft Misstrauen gegenüber Medien insgesamt. Wenn linksverschrobene Verschwörungstheoretiker oder rechtsextreme Dumpflinge Deutschlands Medien als kollektive "Lügenpresse" diffamieren, dann ist das natürlich demagogisch und eine Lüge in sich selbst. Gleichwohl spaziert die Vokabel so verdächtig erfolgreich durchs Land, weil sie ein weiträumiges und wachsendes Misstrauen der Bevölkerung zu ARD und ZDF direkt anspricht.
Nach einer Studie von infratest dimap (im Auftrag der Zeit) hat mittlerweile die klare Mehrheit der Deutschen, insgesamt 60 Prozent, wenig (53 Prozent) oder gar kein (7 Prozent) Vertrauen in die Medien. Auch das Allensbacher Institut für Demoskopie misst, dass sich nur ein knappes Drittel der Bevölkerung in den Medien "ausgewogen" informiert sieht, fast die Hälfte der Bevölkerung empfindet die Berichterstattung als "einseitig".
Sind die Öffentlich-Rechtlichen zu staatsnah?
Sehr viele Bundesbürger (44 Prozent) halten heute ernsthaft unsere Medienlandschaft sogar für "von oben" gesteuert. Das wirft die Frage auf, in welchen Teilen unseres Medienbetriebes das womöglich in Teilen der Fall ist. Ist unser öffentlich-rechtliches Mediengeflecht, das die Meinungsbildung im Land maßgeblich bestimmt, vielleicht zu mächtig, dominant und bevormundend? Ist dieses System aus politischen Partei-Interessen nicht schlichtweg zu staatsnah, wie es das Verfassungsgericht bereits angemahnt hat?
Ist es für die Meinungsvielfalt nicht schädlich, wenn dieses super-alimentierte System jedes Jahr mehr als 8 Milliarden Euro an Zwangsbeiträgen erhält, hingegen freie, unabhängige Medien wie die FAZ oder die Süddeutsche Zeitung wirtschaftlich schwer leiden? Sollten wir das ZDF nicht besser privatisieren und aus den Fängen der Parteien endlich befreien? Verstehen sich unsere Öffentlich-Rechtlichen zu sehr als bevormundende Volkserzieher und Super Nannys eines rot-grünen Zeitgeistes? All diese Fragen können nun in einer offenen Debatte über die Zukunft von ARD und ZDF diskutiert werden. Das Stoppschild von Magdeburg ist womöglich heilsam.
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