Angesichts der umstrittenen Pläne zum Umbau der Justiz in Israel hat der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, die Wahl des Zeitpunkts für den Staatsbesuch von Regierungschef Benjamin Netanjahu in Deutschland scharf kritisiert. "Wenn ein israelischer Ministerpräsident die gemeinsamen demokratischen Werte abschaffen will, dann ist heute der denkbar schlechteste Zeitpunkt, ihn nach Berlin einzuladen", sagte Mendel am Mittwoch dem Bayerischen Rundfunk.
Die Bundesregierung hätte dem Büro
Die Bundesregierung hätte sich dabei an den USA orientieren sollen: Trotz Netanjahus Bitten um einen Staatsbesuch habe US-Präsident Joe Biden "immer klar gemacht: nein, unter diesen Umständen ist Netanjahu kein willkommener Gast". Es müsse bei der Bundesregierung "endlich mal ankommen", dass mit einer "rechtsextremen israelischen Regierung keine Geschäfte gemacht werden" könnten.
Netanjahu steht derzeit in Israel wegen umstrittener Gesetzespläne seines rechts-religiösen Kabinetts für eine Justizreform sowie einer Verschärfung des Konflikts mit den Palästinensern erheblich unter Druck. Gegen die angestrebte Justizreform gibt es seit Wochen heftige Proteste. Nach Ansicht der Demonstranten gefährdet das geplante Gesetz die Gewaltenteilung und damit die Demokratie im Land.
Auch in Berlin riefen dort lebende Israelis am Mittwoch in Online-Netzwerken zu Protesten gegen Netanjahus Besuch auf. Unter dem Motto "Verteidigt Israels Demokratie" kündigten Aktivisten für Donnerstagnachmittag eine Demonstration am Brandenburger Tor an.
Am Montag hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit angesichts der Kritik an Netanjahus Besuch gesagt, dieser sei der "gewählte Premierminister Israels und damit auch normaler Gast in Deutschland".
Nach Angaben aus Jerusalem werden bei dem Treffen von Netanjahu und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor allem sicherheitspolitische Aspekte im Fokus stehen, insbesondere die Bedrohung durch den Iran. Auch die Beschaffung des Raketenschutzsystems Arrow 3 dürfte Thema sein.
Nach Ansicht des Nahost-Experten Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hat der Besuch aber auch einen weiteren Hintergrund. "Er soll den politisch enorm unter Druck geratenen Netanjahu entlasten und ihm eine Bühne bieten, auf der er strahlen kann", schrieb Lintl in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" (Mittwochsausgabe).
Dass dessen Regierung international an Ansehen verliere, führt Lintl auf Netanjahus "rechte, antiliberale" Koalition zurück. Sie verfolge "eine Politik, die den Staat Israel grundlegend verändern soll", treibe eine Politik "maximaler Konfrontation gegenüber den Palästinensern" voran und wende sich "nachdrücklich von einer Zweistaatenlösung ab".
© AFP
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