Eine Kolumne in der "taz" über Polizisten sorgt weiterhin für Aufregung. Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte nun an, Anzeige zu erstatten.

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Bundesinnenminister Horst Seehofer will wegen einer umstrittenen Kolumne über die Polizei in der "taz" Strafanzeige erstatten. "Ich werde morgen als Bundesinnenminister Strafanzeige gegen die Kolumnistin wegen des unsäglichen Artikels in der "taz" über die Polizei stellen", sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung am Sonntagabend.

"Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen, genauso wie wir es jetzt in Stuttgart gesehen haben. Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen."

Ministerium: Entscheidung ist noch nicht getroffen

Über die von Seehofer angekündigte Strafanzeige ist indes noch nicht entschieden. Das sagte ein Sprecher seines Ministeriums am Montag in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei darüber mit Seehofer im Gespräch.

Der Sprecher des Innenministeriums sagte: "Die Presse- und Meinungsfreiheit, sie werden nicht schrankenlos gewährleistet." Er erklärte: "Sie finden zum Beispiel ihre Grenzen in den Strafgesetzen."

Am vergangenen Montag war der Text einer "taz"-Mitarbeiterin in der Tageszeitung erschienen. Es ging darum, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht.

Darin wurde auch die Option der Mülldeponie aufgegriffen. Aus der Berufsgruppe heraus und von Politikern kam danach viel Kritik. Polizeigewerkschaften kündigten an, mit Strafanzeigen dagegen vorzugehen.

Beim Deutschen Presserat - die freiwillige Selbstkontrolle der Presse - gingen bereits bis Dienstag rund 50 Beschwerden ein.

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Kritik an Seehofer für "Angriff auf die Pressefreiheit"

Für seine angekündigte Strafanzeige erntete Bundesinnenminister Horst Seehofer heftige Kritik. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, schrieb auf Twitter: "Das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit, unabhängig ob man den Meinungsbeitrag gut oder schlecht findet."

Mit Blick auf den ungarischen Ministerpräsidenten und den Chef der polnischen Regierungspartei, denen jeweils Illiberalismus vorgeworfen wird, fügte er hinzu: "Ein Innenminister, der eine Journalistin anzeigt, klingt nach Orban oder Kaczyński."

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz äußerte Verständnis für Kritik an der Kolumne. Aber Seehofer "überschreitet eine Grenze", schrieb Notz in dem Kurznachrichtendienst.

Seine Fraktionskollegin Renate Künast nannte Seehofers Vorgehen dort "ungeheuerlich" und fragte: "Das soll eine Botschaft sein!? Gegen Pressefreiheit!? Seehofer am Ende."

Auch der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz befand Seehofers Ankündigung für falsch. "Natürlich führen Hassreden zu Gewalt. Aber es geht nicht um Zensur, sondern um (Selbst)Verantwortung der Redenden und Schreibenden", twitterte er.

Der Fernsehsatiriker Jan Böhmermann schrieb: "Wir sind hier nicht in der Türkei, in Russland oder im Jahr 1962! Mit dieser gefährlichen Effekthascherei beschädigt Horst Seehofer nicht nur das Vertrauen in den Staat. Welche Autorität hat ein Minister noch, der so eine Axt aus seinem Amt heraus an die Debatte setzen muss?"

Der Chefredakteur der "Welt"-Gruppe, Ulf Poschardt, sieht das eigentliche Problem aber nicht bei Seehofer: "Wie gerne hätte der Elfenbeinturm jetzt, dass sich alle über Seehofer empören anstatt über das "taz"-Elend oder die rechtsfreien Räume in Stuttgart. Mal sehen, ob‘s klappt, twitterte er.

Chefredakteurin äußert Bedauern

"taz"-Chefredakteurin Barbara Junge hatte zuletzt wegen der Kolumne ihr Bedauern geäußert. Junge schrieb in der Zeitung (Samstag) an die Leserinnen und Leser über den Artikel: "Eine Kolumne, so satirisch sie auch gemeint gewesen sein mag, die so verstanden werden kann, als seien Polizisten nichts als Abfall, ist daneben gegangen. Das tut mir leid."

Zudem schrieb Junge, das Ringen in der Redaktion über den Text und darüber, was gesagt werden soll, darf und muss, lege aber auch "einen tieferen Konflikt in der "taz"" offen.

"Wir streiten darum, wie stark der subjektive Blick, wie stark Diskriminierungserfahrung den Journalismus prägen soll oder darf." Die Chefredakteurin des Blattes mit Sitz in Berlin kündigte zudem an, dass es Debattenbeiträge mit unterschiedlichen Perspektiven in der Zeitung geben werde. (dpa/thp/br/ank)

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