Die Unionsfraktion im Bundestag hat ihren Vorsitzenden Volker Kauder nach 13 Jahren im Amt gestürzt und Ralph Brinkhaus zu ihrem neuen Chef gewählt. Brinkhaus gewann am Dienstag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur und der "Welt" mit 125 zu 112 Stimmen überraschend die Kampfabstimmung gegen Kauder, den Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel.

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Große Überraschung in der Union: Erstmals nach 13 Jahren hatte Volker Kauder bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU mit Ralph Brinkhaus einen Gegenkandidaten - und verlor prompt die Wahl.

Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses wurde die Fraktionssitzung unterbrochen. Der Fraktionsvorstand zog sich zurück, um über die Konsequenzen aus der Wahl zu beraten.

Brinkhaus: Zurück an die Arbeit

"Ich freue mich riesig über das Wahlergebnis", sagte Brinkhaus am Dienstag nach der Abstimmung in der Fraktion in Berlin. Jetzt gehe es darum, schnell wieder an die Arbeit zu kommen. "Wir haben anspruchsvolle Projekte vor uns." Die Menschen erwarteten, an der Sache zu arbeiten.

Brinkhaus betonte, er habe großen Respekt vor der Leistung Kauders , der in der Sitzung anhaltenden Beifall bekommen habe. Kauder habe sich dies mit seiner langjährigen erfolgreichen Tätigkeit verdient.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gratulierte Brinkhaus zur Wahl und sagte, er freue sich auf gute Zusammenarbeit.

Kauder gilt als Intimus der Kanzlerin

Erfahrene Unionsabgeordnete hatten dem Kauder-Herausforderer und Stellvertreter im Vorfeld durchaus Stimmengewinne zugetraut, ein Wahlsieg galt aber doch eher als unwahrscheinlich.

Nach zwei Regierungskrisen innerhalb weniger Monate wurde die Wahl auch als Stimmungstest für den Rückhalt von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel in der Regierungsfraktion deklariert.

Schließlich gilt Kauder als Intimus und strategischer Strippenzieher der Kanzlerin. Er hatte es verstanden, auch in schwieriger Zeiten, wie etwa nach der sogenannten "Flüchtlingskrise" von 2015, immer wieder Mehrheiten für Merkel zu organisieren.

Folglich hatte sich die CDU-Vorsitzende, wie auch CSU-Chef Horst Seehofer und der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, für eine Wiederwahl Kauders ausgesprochen.

Dessen Niederlage wird nun auch als Niederlage für die Unionsspitze gewertet werden, allen voran von Kanzlerin Merkel. Von einer kleinen Palast-Revolution ist bereits die Rede, von einem Denkzettel für Merkel allemal.

Brinkhaus: "Kandidiere nicht gegen die Kanzlerin"

Brinkhaus hatte sich mit seiner Kandidatur zwar ausdrücklich nicht in persönliche Opposition zu Merkel gestellt, so aber doch inhaltlich, mit einer avisierten Kurskorrektur, die gerade auch den konservativen Flügel der Union ansprechen sollte - und darüber hinaus an die AfD abgewanderte Ex-Wähler von CDU/CSU.

Sein programmatischer Ansatz: Nach 13 Jahren Kauder brauche es neue Köpfe, Aufbruch, frischen Wind. "Ich kandidiere für neuen Schwung in der Fraktion, nicht gegen die Kanzlerin", betonte er vor der Wahl.

Brinkhaus hat sich als Finanz- und Haushaltspolitiker einen Namen gemacht, leise und freundlich im Ton, durchsetzungsstark in der Sache. In die CDU kam er schon zu Schulzeiten über die Junge Union.

Er meint, man müsse viel stärker für den Zusammenhalt im Land kämpfen - aber nicht mit immer höheren Sozialleistungen. "Wir können die Gräben in der Gesellschaft nicht mit Haushaltsmitteln zuschütten."

Anders als Kauder, der sich anfangs niemals mit AfD-Politikern in eine Talkshow setzen wollte, will Brinkhaus verstärkt "mit jenen ins Gespräch kommen, die sich von uns abgewandt haben".

Auch im Mittelstand gebe es immer mehr Protestwähler, "um die wir uns stärker als bisher kümmern müssen", so Brinkhaus.

Kümmern muss sich nun auch die Union - und zwar um die interne Gemengelage, ein erstes dickes Brett für den neuen Vorsitzenden Brinkhaus. Denn eines hat sein Wahlsieg zweifellos zur Folge: Er dokumentiert den schwindenden Rückhalt für Merkel in den eigenen Reihen, die Kanzlerin ist angezählt. (mwo/dpa)

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