Die mit 75 Mitgliedern bisher größte Verhandlungsgruppe für Koalitionsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD arbeitet auf Hochtouren. Einigungen werden jedoch nur sehr schleppend erzielt. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Wähler immer ungeduldiger auf die zähen Verhandlungsfortschritte reagieren. Wir ziehen ein Zwischenfazit zu den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD.

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Das Ziel, Ende November zu einer Einigung zu kommen, war zwar bereits zu Beginn der Verhandlungen genannt worden - auch die Praxis, dass die wichtigsten Streitthemen erst am Ende der Verhandlungen von den Parteioberen direkt geklärt werden, ist üblich. Dennoch herrscht in der Bevölkerung immer mehr Unmut über den zaghaften Verhandlungsfortschritt.

Ob tatsächlich eine große Koalition zustande kommen kann, wird letztlich vor allem davon abhängen, ob in den großen Streitpunkten wie dem gesetzlichen Mindestlohn, der Pkw-Maut oder - ganz aktuell - der Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare eine Einigung erzielt werden kann - und ob sich die jeweilige Parteibasis damit abfinden kann. Weiter heftig umstritten sind zudem die Bereiche Rente, Steuern und Bildung.

Auch nach einer Einigung könnte die Koalition noch kippen. Am Ende der Verhandlungen lassen die Parteien den Koalitionsvertrag auf den Parteitagen absegnen. Während die Zustimmung der Unionsparteien als recht sicher gilt, ist die Lage bei den Sozialdemokraten weniger eindeutig: Die Möglichkeit einer linken Minderheitsregierung ist für manchen Genossen eine ernsthafte Option, eine große Koalition wird von vielen misstrauisch beäugt. Das Thema dürfte also noch eine ganze Weile die Nachrichten beherrschen. Schließlich hängt das Zustandekommen der "Groko" auch noch von der Zustimmung der SPD-Parteibasis ab.

In den Verhandlungsausschüssen bereits formulierte Ziele sind unter anderem eine bessere finanzielle Unterstützung von Künstlern, schnelleres Internet auf dem Land, die Bezahlung der Krankenhäuser nach Qualität, schärfere Dopinggesetze und eine Garantie für kurze Wartezeiten auf einen Arzttermin. Zudem soll künftig die Zwangsprostitution stärker bekämpft und Verbraucher besser geschützt werden.

In diesen Punkten wurde bereits eine Einigung erzielt:

Weniger Förderung für Windenergie

Um die Kostenexplosion bei den Strompreisen in den Griff zu bekommen, hat sich die Verhandlungsgruppe Energie auf Umstrukturierungen bei Förderung und Planung von Windenergie geeinigt. Demnach sollen in windstarken Regionen die Fördersätze deutlich gesenkt werden, der Ausbau soll auf ertragreiche Standorte fokussiert werden. In Bundesländern wie Hessen oder Bayern könnte sich der weitere Ausbau damit erledigt haben. Auch die Windparks in der Nord- und Ostsee sind betroffen: Hier soll die geplante Ausbeute und damit die Dimension der Anlagen deutlich reduziert werden. Am Atomausstieg bis 2022 soll festgehalten werden.

Mietpreisbremse

Besonders in Ballungsräumen will die große Koalition dem ungebremsten Anstieg der Mieten einen Riegel vorschieben. Bei der Neuvermietung einer bestehenden Wohnung soll der Mietpreis nicht mehr unbegrenzt nach oben gesetzt werden können: Die Miete darf dann nicht mehr als zehn Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen, so das SPD-Ziel. Im Gespräch ist zudem eine Deckelung bei den Bestandsmieten: Binnen vier Jahren dürften die Mieten dann um maximal 15 Prozent steigen. Die Bremse soll nur für Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten.

Vermieter zahlt Maklergebühren

Es war eines der Wunschthemen der SPD und hat auch die Vermittlungsgespräche überstanden: Die Maklergebühren sollen demnach nicht mehr auf den Mieter abgewälzt, sondern vom Vermieter beglichen werden. Frei nach dem Grundsatz "Wer bestellt, bezahlt".

Mehr Transparenz bei Rüstungsexporten

Die Genehmigungen von Rüstungsexporten sollen künftig einer strengeren demokratischen Kontrolle unterliegen. Darauf einigte sich die Arbeitsgruppe Außen- und Verteidigungspolitik. Entscheidungen müssten dann dem Bundestag vorgelegt werden und würden damit auch der Öffentlichkeit bekannt werden. Bisher unterlagen solche Verhandlungen der Geheimhaltung, die Öffentlichkeit wurde erst mit dem Erscheinen des Rüstungsexportberichts informiert.

Gleicher Lohn für Männer und Frauen

Nach wie vor verdienen Frauen in vielen Berufen deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen im selben Beruf. Die Arbeitsgruppe Frauen, Familie und Gleichstellung ist nun übereingekommen, dass dieser Missstand abgeschafft werden soll. Durch eine größere Transparenz innerhalb eines Unternehmens sollen die Lohnunterschiede offengelegt werden. Unternehmen sollten unter anderem anonymisierte Entgeltberichte vorlegen und dokumentieren müssen, was sie gegen die Ungleichbezahlung tun.

Keine Einigung gibt es bisher bei folgenden Themen:

Homo-Ehe

Als einer der Punkte mit der meisten Sprengkraft erweist sich derzeit die bessere Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Medienberichten zufolge hatten die Verhandlungen über die sogenannte Homo-Ehe und das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare in der Nacht zum Dienstag in einem Eklat geendet: Die Verhandlungsrunde wurde vonseiten der SPD abgebrochen. SPD-Vizechefin Manuela Schwesig stellte klar, dass sie unter den derzeitigen Umständen empfehlen werde, einer Koalitionsvereinbarung nicht zuzustimmen. Dennoch soll es einen weiteren Anlauf geben.

Pkw-Maut

Es ist vielleicht eines der meistdiskutierten Themen der Verhandlungen: Ganz oben auf dem Wunschzettel der bayerischen CSU stand die Einführung einer Pkw-Maut. Während die CSU auf die Einhaltung ihres Wahlversprechens drängt, von ausländischen Autofahrern eine Abgabe zu verlangen, lehnt die SPD eine Maut ab. Die CDU sucht derweil nach einem Mittelweg. Ob sich eine Senkung der Kfz-Steuer als Ausgleich für eine bundesweite Mautplakette durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung wurde vertagt.

Mindestlohn

Beim gesetzlichen Mindestlohn sind die Fronten bisher ebenfalls verhärtet. Die SPD war mit der Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro in den Wahlkampf gegangen. Die Union setzt hingegen auf Mindestlöhne, die Arbeitgeber und Gewerkschaften miteinander aushandeln. Die Kompromissfindung gilt als schwierig.

Doppelte Staatsbürgerschaft

Die doppelte Staatsbürgerschaft entzweit SPD und Union ebenfalls zutiefst. Im Mittelpunkt: Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Einwanderer-Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können und in welchen Fällen eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich ist. Während die SPD die aktuelle Regelung, dass Einwandererkinder sich zwischen ihrem 18. und 23. Geburtstag für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen, abschaffen möchte, will die Union allenfalls eine Ausweitung der Entscheidungsfreiheit bis zum 30. Lebensjahr dulden.

Energiewende

Einig sind sich die Parteien darin, dass es eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes geben muss. Allein an der Umsetzung scheiden sich die Geister: Die SPD will zur Entlastung der Verbraucher die Stromsteuer möglichst senken. Die Unionsparteien sehen darin nicht die richtige Lösung. Auch die Strompreisrabatte für energieintensive Unternehmen sind weiter hart umkämpft. Um die Folgen des Preisanstiegs für Verbraucher abzufedern, ist zudem eine Art Vorkasse-System für Stromlieferungen im Gespräch.

Volksentscheide

Aktuell im Gespräch ist derzeit eine weitreichende Neuerung: Medienberichten zufolge könnten erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Volksentscheide auf Bundesebene möglich werden. Die Volksvertreter von CSU und SPD wollen so dem Wunsch der Bevölkerung nach stärkerer Beteiligung an politischen Fragen entgegenkommen. Die CDU hat sich dagegen ausgesprochen. Eine Entscheidung soll in der großen Koalitionsrunde am Mittwoch fallen.

Hintergrund zu den Koalitionsverhandlungen:

Seit dem 23. Oktober wird in Berlin über die Ausgestaltung eines Koalitionsvertrages einer schwarz-roten Koalition verhandelt. Kompromisse und Streitthemen werden in zwölf Arbeitsgruppen mit insgesamt vier Untergruppen erörtert. Zu Beginn der Gespräche war Ende November als Einigungsziel vorgegeben worden, nach bisherigem Stand wird es bis zu einer Einigung mindestens so lange dauern. Aus den Bundestagswahlen am 22. September 2013 waren Union (41,5%) und SPD (25,7%) als stärkste Fraktionen hervorgegangen. Die Kanzlerwahl ist für Mitte Dezember vorgesehen.

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