Seit nunmehr einer Woche verhandeln Union und SPD über eine mögliche Koalition. Langsam wird klar, wo die Schnittmengen, aber auch die Unterschiede zwischen den Parteien liegen. Ein Überblick über die fünf größten Themen im Koalitionspoker.

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Kommt ein flächendeckender Mindestlohn?

Es ist die SPD-Bedingung überhaupt: Ohne einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn werden die Sozialdemokraten wohl keine große Koalition bilden. Zwar entscheidet darüber am Ende die SPD-Basis. Doch ohne einen verbindliche Lohnuntergrenze scheint ein positives Abstimmungsergebnis ausgeschlossen.

Schon beim ersten Treffen der Arbeitsmarktexperten beider Parteien ist die Union der SPD entgegengekommen. Künftig solle mehr Branchen der Weg zu einer tariflichen Lohnuntergrenze nach dem sogenannten Arbeitnehmer-Entsendegesetz geebnet werden, waren sich die amtierende Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles einig. Doch der Weg zu einem bundesweiten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro sei damit noch lange nicht geebnet, schränkte Nahles ein.

Unterstützung könnte die SPD von CSU-Chef Horst Seehofer bekommen. Der hat zwar bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass er einem Mindestlohn-Modell nur dann zustimmen wird, wenn es keine Arbeitsplätze gefährdet. Doch der bayerische Ministerpräsident hat ebenfalls programmatische Wünsche. Und um die in einem Koalitionsvertrag unterzubringen, braucht er wiederum die Sozialdemokraten.

Pkw-Maut als Kardinalforderung der CSU

Da ist zum Beispiel die Pkw-Maut, die Seehofer zur Bedingung für seine Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag gemacht hat. Laut "Focus" haben sich die möglichen Koalitionspartner grundsätzlich auch schon darauf geeinigt – auch wenn die SPD mit Chefunterhändler Florian Pronold immer wieder betont, dass deutsche Autofahrer nicht weiter belastet werden sollen.

Sicher ist bislang lediglich, dass sowohl die Sozialdemokraten als auch die Union mehr Geld für Infrastrukturmaßnahmen bereitstellen wollen. Demnach sollen in den kommenden 15 Jahren rund 40 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Nach dem ersten Treffen der Verhandlungsgruppe „Verkehr“ sagte Pronold, dass die Finanzierung von mehr Investitionen in die Verkehrswege "in irgendeiner Form" gelöst werden müsse.

Europarechtliche Bedenken verhindern aber eine schnelle Einigung. Die CSU-Idee, dass deutsche Autofahrer eine Vignette nach Zahlung der Kfz-Steuer kostenlos erhalten sollen, während sie Ausländer bezahlen müssten, hält vor allem die SPD für nicht vereinbar mit EU-Recht. Auch die CDU hat Zweifel an einem solchen Modell.

Doppelte Staatsbürgerschaft: Lenkt die CSU ein?

Um die SPD beim Thema Pkw-Maut auf seine Seite zu ziehen, hat CSU-Chef Seehofer noch einen Trumpf in der Hinterhand: Die Zustimmung zur doppelten Staatsbürgerschaft. Die fordern die Sozialdemokraten schon seit Jahren, bislang lehnten die Konservativen das kategorisch ab.

Doch nun scheint es die Möglichkeit für einen Konsens zu geben. Dafür könnten auch arbeitsmarktpolitische Argumente sorgen. "Auch die Union kann ja nicht verkennen, dass wir qualifizierte Einwanderer in Deutschland brauchen", sagte Oppermann nach dem ersten Treffen mit dem amtierenden Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Gesetzlich festgeschriebene Frauenquote kommt

Auch in der Familienpolitik gibt es anscheinend mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes. Schon in der ersten Verhandlungsrunde soll es zu einer Einigung beim Thema Frauenquote gekommen sein und soll für Frauen in den Führungsetagen der Wirtschaft gesetzlich festgelegt werden. Fraglich ist lediglich, ob es eine sogenannte Flexi-Quote, die Unternehmen einen Spielraum lässt, oder eine starre Regelung geben wird.

Bei anderen Knackpunkt-Themen liegen die Verhandlungspartner (noch) weit auseinander, wie etwa beim Betreuungsgeld und Kita-Ausbau sowie dem Kindergeld und Ehegattensplitting.

Was passiert in der Steuerpolitik?

Gerade letzteres Thema dürfte auch die Verhandlungsgruppe "Finanzen" beschäftigen. Die Sozialdemokraten sind mit einem umfassenden Steuerkonzept in die Wahl gegangen, doch davon dürfte am Ende nicht mehr viel übrig bleiben.

Der CDU-Wirtschaftsflügel schloss Steuererhöhungen kategorisch aus. Auch der amtierende Finanzminister Wolfgang Schäuble bleibt bei diesem Thema hart: "Die Zusage der Union, dass es keine Steuererhöhungen geben soll, gilt auf jeden Fall", sagte er noch vor der ersten Verhandlungsrunde am Montag dem Magazin "Focus".

Die SPD-Linke bringt sich dagegen bereits in Stellung und fragt sich, wie die zahlreichen und milliardenschweren Wahlversprechen bezahlt werden sollen. "SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte: "Für die Dinge, die uns wichtig sind, wie zum Beispiel die Finanzierung der Infrastruktur, werden wir schon einen hohen Grad an Verbindlichkeit einfordern müssen."

Schuldenabbau und Wachstumspolitik

Eine Kompromiss könnte sein, dass sich Finanzminister Schäuble vom Ziel verabschiedet, ab 2015 Schulden abzubauen. Das Ministerium verwies am Montag zwar auf den angestrebten dauerhaften Verzicht auf neue Kredite. Priorität soll aber die Schuldenquote gemessen an der Wirtschaftsleistung haben. Das dürfte ein Hinweis auf eine gewisse Lockerung des Sparkurses sein.

Zwar dürfte es mit der Union keine Steuererhöhungen geben, doch beim Einführen einer Steuer auf EU-Ebene sind sich die Verhandlungspartner bereits so gut wie einig. Demnach werde sich eine schwarz-rote Koalition für die rasche Einführung der Finanztransaktionssteuer einsetzen wird. Das damit eingenommene Geld solle für eine Stärkung von Wachstum, Beschäftigung und Innovationen in der EU eingesetzt werden.

Kein Reformeifer bei Rente, Pflege und im Gesundheitssystem

Während es hier ziemlich schnell zu einer Einigung kam, dürfte sich im Gesundheitsbereich nichts tun. Die SPD fordert weiterhin die Einführung einer Bürgerversicherung, in die sowohl Angestellte als auch Selbstständige einzahlen sollen, die Union setzt auf das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Wahrscheinlich einigen sich SPD und Union darauf, sich im Gesundheitssystem nicht auf eine Reform zu einigen.

Auch in der Pflegeversicherung dürfte die Koalitionäre keine umfassende Reform anstreben. Einig ist man sich aber wohl, dass der Pflegesektor finanziell besser ausgestattet werden muss und deswegen der Beitrag zur Pflegeversicherung leicht angehoben wird.

In der Rentenversicherung könnte der Beitragssatz wegen der hohen Rücklagen (27,6 Milliarden Euro) Anfang 2014 zwar rein rechnerisch von 18,9 auf 18,3 Prozent sinken. Laut "Bild"-Zeitung wollen SPD und Union den Beitrag auch im kommenden Jahr auf dem jetzigen Stand von 18,9 Prozent zu belassen. Denn die große Koalition benötigt Geld, um die Rentenversprechungen aus dem Wahlkampf, wie beispielsweise die Mütterrente, zu finanzieren.

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