Die AfD ist im Umfragetief gelandet. Die Flüchtlingsthematik hat ihre Brisanz verloren, die Rechtspopulisten machen stattdessen mit dem Machtkampf ihrer Führungspersonen von sich reden. Für das Selbstbild der Partei ist das denkbar schlecht.

Bundestagswahl 2017: Parteien, Umfragen, Kandidaten

Es lief schon mal besser für die AfD. Im September 2016 lagen die Rechtspopulisten in Umfragen noch bundesweit bei 16 Prozent, im vergangenen Jahr gelang ihnen der Einzug in fünf Landesparlamente. Die ehemalige Anti-Euro-Partei konnte sich in der Flüchtlingskrise profilieren, doch inzwischen sieht das anders aus.

In Umfragen ist die AfD auf acht Prozent abgerutscht. Mit dem beantragten Ausschluss von Rechtsaußen Björn Höcke steht der Partei außerdem eine Zerreißprobe bevor.

Kampf der Führungspersonen

Trotz aller Einheitsschwüre ist es der AfD bisher nicht gelungen, den Streit zwischen ihren wichtigsten Persönlichkeiten beizulegen. Zwei Lager haben sich im Bundesvorstand gebildet:

Auf der einen Seiten steht die Sächsin Frauke Petry als bekanntestes Gesicht der AfD, auf der anderen ihre männlichen Widersacher: der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke, sein Brandenburger Kollege Alexander Gauland und der Co-Bundeschef Jörg Meuthen aus Baden-Württemberg.

Nach außen hin stelle die Partei den Konflikt oft als inhaltliche Auseinandersetzung dar, meint der Politikwissenschaftler Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung im Gespräch mit unserer Redaktion.

Demnach würde Petry inzwischen eher für die moderateren Positionen stehen – weil sie gemäßigte Wähler nicht abschrecken will. Höcke vertritt dagegen einen völkischen Nationalismus, das Erinnern an die Verbrechen der Nazi-Zeit hatte er in seiner umstrittenen Dresdner Rede als "dämliche Bewältigungspolitik" bezeichnet.

Letztendlich drehe sich der Streit aber doch um Persönliches und Machtanspruch, sagt Michael Lühmann. Frauke Petry hatte als Anführerin des radikaleren Flügels 2015 den Bruch mit Parteigründer Bernd Lucke vollzogen. Und sie hat in der Vergangenheit angekündigt, den Begriff "völkisch" künftig positiv besetzen zu wollen.

"Inhaltlich liegt gar nicht so viel zwischen ihr und Höcke", sagt Lühmann. Was die persönliche Beziehung zu ihren Konkurrenten angeht, sieht das offenbar anders aus.

Radikalisierung statt Mäßigung

Streit statt politischer Arbeit – das ist für junge Parteien nichts Ungewöhnliches. Auch bei den Grünen, der Linkspartei oder den Piraten bestimmten heftige Debatten über Personen und inhaltliche Ausrichtung die Anfangsjahre.

Demokratieforscher Lühmann macht aber gerade im Vergleich von Grünen mit der AfD Unterschiede aus: Auch bei der Ökopartei sei die Sortierung ein jahrelanger Prozess gewesen. "Aber da hat er eher in der Mäßigung geendet. Die Grünen sind eigentlich eine staatstragende Partei geworden."

Was die Rechtspopulisten angeht, sei das anders: "Bei der AfD hat man nicht das Gefühl, dass die extremen Personen aussortiert werden", so Lühmann. "Sie ziehen die Partei eher in ihre Richtung."

Welche Richtung verspricht der Partei mehr Erfolg? Beide Wege bergen Gefahren. Die immer drastischere Rhetorik, die gerade Björn Höcke bedient, dürfte gemäßigte Wähler abschrecken. Andererseits hat die Radikalisierung der Partei zumindest eine Zeit lang in den Umfragen nicht geschadet.

"Eine rechtspopulistische Partei lebt davon, dass sie immer stärker zuspitzt", erklärt Michael Lühmann. Er erwartet daher, dass eine Mäßigung der AfD nicht unbedingt mehr Wähler bescheren würde. "Wenn sie bei ihren Forderungen zurückweicht, kann sie sich dem Vorwurf der Beliebigkeit aussetzen."

Konkurrenz durch Martin Schulz

Für die AfD dürfte das zerrissene Bild, das sie abgibt, durchaus unangenehm sein. Denn einerseits würden sich Wähler zwar wünschen, dass Parteien verschiedene Standpunkte vertreten, erklärt Michael Lühmann. Gleichzeitig wirke Streit aber irritierend.

Vor allem passe er nicht zum Selbstbild einer rechtspopulistischen Partei: "Die sehen sich eher als geschlossene Kampfformation mit einer inneren Wahrheit. Sie wollen eine Führungsperson, die vorne steht."

Zudem lautet die beliebte Kritik an den "etablierten" Partei häufig, dass dort Machtanspruch über Inhalten stünde. Derzeit gilt das aber auch für die AfD. Der Kampf zwischen Frauke Petry und den Männern trägt also wohl zu den sinkenden Umfragewerten bei.

Michael Lühmann sieht aber gleich ein ganzes "Ursachenbündel". Die AfD hat ihren Erfolg zum Teil auf einer wachsenden Politikverdrossenheit aufgebaut. "Eine Partei, die dauerhaft erfolgreich sein will, braucht aber mindestens ein echtes inhaltliches Thema."

Für die AfD waren das die hohen Flüchtlingszahlen. Inzwischen spielt das Thema aber nicht mehr die alles beherrschende Rolle wie noch vor einem Jahr.

Und dann ist da noch der neue Shootingstar der SPD. Auch wenn er schon jahrzehntelang Politik macht, hat es der sozialdemokratische Spitzenkandidat Martin Schulz geschafft, sich als Newcomer zu präsentieren.

Das bekomme auch die AfD zu spüren, sagt Lühmann: "Die Partei hat den Hass auf Angela Merkel kultiviert wie keine andere. Wenn jetzt einer wie Martin Schulz kommt, kann er die gemäßigten Merkel-Kritiker übernehmen."

Michael Lühmann ist Politikwissenschaftler am Göttinger Institut für Demokratieforschung. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Geschichte und Entwicklung politischer Parteien. In letzter Zeit beobachtet der gebürtige Leipziger verstärkt die AfD und die Pegida-Bewegung.
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