• Nach der Wahl müssen Hunderttausende Plakate entsorgt werden.
  • Nicht immer gelingt es, sie zu recyceln: Vielfach landen sie in der Müllverbrennung.

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Noch hängen sie: Hunderttausende Wahlplakate baumeln in ganz Deutschland an Laternen und Masten. Doch was passiert mit den Plakaten eigentlich nach der Wahl? Wie werden sie entsorgt – und ist das nicht womöglich eine ganze Menge Müll?

Die Parteien sind in den 299 Wahlkreisen in Deutschland selbst dafür verantwortlich, ihre Wahlplakate abzuhängen und sie zu entsorgen. Bis wann die Plakate spätestens abgehängt sein müssen, regelt jedes Bundesland individuell. In Berlin beispielsweise müssen die Plakate eine Woche nach der Wahl entfernt sein. Teils drohen auch Bußgelder, wenn die Plakate zu lange hängen: Sie müssen also zügig runter.

Früher bestanden die Wahlplakate aus Papier

Oft sind ehrenamtliche Helfer im Einsatz, die die Plakate abnehmen und zum nächsten Wertstoffhof bringen. Meistens nutzen die Parteien sogenannte Hohlkammerplakate, die aus Polypropylen bestehen. "Das ist ein sehr hochwertiger Kunststoff, der sich eigentlich hervorragend fürs Recycling eignet", sagt Gerhard Klein. Er ist Geschäftsführer bei der Braun und Klein Siebdruck-Vertriebs-GmbH in Saarbrücken, die Wahlplakate für alle große Parteien in Deutschland druckt, mit Ausnahme der AfD.

Nicht immer haben die Wertstoffhöfe aber die Möglichkeit, die Plakate entsprechend zu recyceln, weil dafür notwendige Anlagen fehlen. Vielfach landen sie deshalb am Ende in der Müllverbrennung, weil sie nicht aufbereitet werden können.

Wäre es da nicht schlauer, gleich auf Plakate aus Pappe oder Papier zu setzen? "Früher waren die Plakate immer aus Papier", sagt Klein. Sie waren schwer, weil sie auf Spanplatten geklebt wurden – und die Parteien hängen sie traditionell selbst auf. "Viele Parteien haben das Problem, dass ihnen die jungen Leute ausgehen", sagt Klein. "Und für ältere Menschen können die schweren Plakate eine ziemliche Belastung sein. Spanplatten mit Papier wiegen ein Vielfaches der Polypropylen-Plakate."

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Plakate aus Pappe sind nicht unbedingt besser

Zur Bundestagswahl 2009 wurde es deshalb zum Trend, statt auf Papier auf Kunststoff zu setzen. "Polypropylen wurde in Frankreich schon sehr lange für ähnliche Produkte verwendet", sagt Klein. Die Plakate sind durch den Kunststoff sehr leicht und im Gegensatz zu Papier oder Pappe wetterfest und UV-beständig, bleichen also in der Sonne nicht so schnell aus.

Wer weiter auf Produkte auf Basis von Papier setzt, tut der Umwelt nicht unbedingt etwas Gutes. Das sagt Daniela Pommer aus der Unternehmenskommunikation der Awigo Abfallwirtschaft des Landkreises Osnabrück. Manche Parteien nutzen etwa vermeintlich umweltschonende Pappplakate. Doch Plakate aus Polypropylen sind Pommer zufolge sogar besser zu recyceln als Plakate aus Pappe, "da diese mit Kunststoff beschichtet oder mit chemischen Zusätzen behandelt sind". Dadurch werden sie wetterfest, aber eignen sich so wenig für die Entsorgung im Altpapier wie etwa ein beschichteter Milchkarton.

Angebot zum Recycling wird bislang wenig genutzt

Also zurück zum Plakat aus Plastik: "Wir sind uns natürlich unserer Verantwortung bewusst", sagt Drucker Klein. "Der Nachhaltigkeitsaspekt ist sehr wichtig für uns". Deshalb bietet er den Parteien an, die Wahlplakate zurückzunehmen und selbst für das Recycling zu sorgen. Nur nutzen das bislang sehr wenige. Im einstelligen Prozentbereich habe die Rücklaufquote bei der Bundestagswahl 2017 gelegen, schätzt Klein. "Wir haben die Rücknahme über zig Jahre immer wieder angeboten." Diesmal hofft er auf "mindestens 50 Prozent".

Wer die Plakate zurückgeben möchte, muss zuvor die Kabelbinder entfernen. Diese lassen sich nicht gemeinsam mit dem Polypropylen recyceln, sind aber oft von den Kommunen vorgeschrieben, damit die Plakate sicher hängen.

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Recycling zum Selbstkostenpreis

Ab einer gewissen Menge – 1.000 Plakate in der Größe A1 oder 500 Größe A0 – können die Parteien die Plakate durch die Druckerei abholen lassen. Dann kommt ein Spediteur. "Ich empfehle immer, dass die Parteien miteinander sprechen und sich zusammentun, wenn es sich um kleine Ortsverbände handelt, bei denen sonst nicht ausreichend Plakate zusammenkommen würden", sagt Klein.

Die Abholung ist für die Parteien kostenlos. Polypropylen lässt sich sehr gut wiederverwerten – das Recycling bringt also Geld ein. "Wir recyceln zum Selbstkostenpreis, da wir ja auch Kosten für die Abholung haben", sagt Klein. Die Wahlplakate werden zermahlen und das Granulat kann wiederverwertet werden – etwa von Druckereien für andere Plakate. "Diese haben dann einen leichten Grauschleier, aber oft ist auch gewünscht, dass sie nicht reinweiß sind." Im weiteren Recycling nimmt die Qualität dann ab, aber letztendlich lassen sich aus dem, was einst Wahlplakate waren, am Ende der Kette noch Gartenmöbel pressen.

Sind Wahlplakate noch zeitgemäß?

Auch Anbieter, die nicht selbst Plakate drucken, bieten das Recycling von Wahlplakaten an – darunter die Ascon Gesellschaft für Abfall und Sekundärrohstoff Consulting aus Bonn. Sie nimmt Wahlplakate über das firmeneigene Rücknahmesystem Votecycle an. Die Mindestmenge für die Abholung liegt hier bei 50 Plakaten in der Größe A1.

Allerdings fallen für die Parteien dabei Kosten an: eine Pauschale für die Anfahrt von 25 Euro und 5 Cent pro Plakat in der Größe A1, 10 Cent für ein Plakat in der Größe A0. Auch Geschäftsführer Sascha Schuh spricht von einem Selbstkostenpreis für das Recycling. Vorteil für die Parteien hier: Sie sind die Plakate auch bei einer geringen Menge schnell los. "Wir stellen außerdem ein CO2-Ersparniszertifikat aus", sagt Schuh. Den Parteien wird darauf bescheinigt, wie viel CO2 sie dadurch eingespart haben, dass die Plakate recycelt wurden.

Immer wieder gibt es auch Diskussionen darüber, ob Wahlplakate überhaupt noch zeitgemäß sind. Die Forschung zeigt, dass sie kaum zur Entscheidungsfindung beitragen. Sie hätten aber durchaus die Wirkung, Wähler und Wählerinnen auf die bevorstehende Wahl aufmerksam zu machen und für die Kernthemen zu sensibilisieren, die bei der Wahl diskutiert werden.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Gerhard Klein, Geschäftsführer bei Braun und Klein Siebdruck-Vertriebs-GmbH, Saarbrücken
  • Gespräch mit Sascha Schuh, ist Geschäftsführer der ASCON Resource Management Holding GmbH und der SORTcycle GmbH sowie Inhaber von ASCON GmbH, EUPVcycle und ASCON Corp
  • schriftliche Anfrage bei Daniela Pommer, Unternehmenskommunikation, Awigo Abfallwirtschaft Landkreis Osnabrück GmbH
  • Universität Hohenheim: Bundestagswahl 2017: Uni Hohenheim startet wissenschaftliche Begleitung des Wahlkampfes
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